Chronischer Schmerz, Migräne, Rückenschmerz oder Erschöpfung – kann Yoga helfen?
Die gute Nachricht vorweg: Ja! Yoga kann bei vielen Schmerzen und Beschwerden helfen. Die Herausforderung: Man muss etwas TUN. Und zwar regelmäßig. Ich will nun im Lauf dieses Artikels einen Überblick darüber geben, inwiefern und wie Yoga bei bestimmten Schmerzen hilfreich sein kann.
Weiter unten findest du einige empfehlenswerte Yogastudios in denen du gut ausgebildete Yogalehrende und TherapeutInnen findest.
Häufigste Ursachen für Schmerz
Die häufigsten Ursachen für Schmerz sind schlechte Haltung, ungesunder Lebensstil, wenig Bewegung und ungesunde Ernährung. Yoga bietet ein umfangreiches Repertoire an mittlerweile gut erforschten Ansätzen um Schmerz auf eine ganzheitliche Weise zu lindern. Entspannung, Remodellierung sowie Kräftigung des Körpers und Schulung des Geistes sind die wichtigsten Bestandteile einer heilsamen Yoga Praxis. Der Körper gilt bei Schmerz als Ausgangspunkt und beeinflusst über die Asana Praxis (Körperhaltungen) Vitalfunktionen sowie die Wahrnehmung auf mentaler, emotionaler, intellektueller und spiritueller Ebene.
Als Grundregel für deine Yoga Praxis gilt jedoch stets: tue nichts, das Schmerz erzeugt oder verschlimmert! Denn Yoga – insbesondere die Asana Praxis – kann auch zu Verletzungen führen. So wie alle anderen Bewegungsdisziplinen auch.
Chronische Schmerzen
1.) Yoga für das Nervensystem – Schmerz verändert das Gehirn
Chronischer Schmerz verändert nachweislich die Gehirnstruktur. Ein unangenehmer Nebeneffekt von chronischem Schmerz können daher auch Depression, Angst und kognitive Störungen sein. Darüber hinaus kann er oft zu Isolation und Vereinsamung führen.
Yoga wirkt diesen Veränderungen des Gehirns vielschichtig entgegen. Eine regelmäßige Praxis verändert die Wahrnehmung und modifiziert den Schmerz. [1] Außerdem bietet Yogaunterricht in der Gruppe eine Form von sozialem Halt und Gemeinschaftsgefül, das ebenfalls wohltuende Wirkungen haben kann.
Yoga stabilisiert und gleich aus
Asanas (gehaltene Stellungen im Yoga) können das autonome Nervensystem stabilisieren. Sie beeinflussen das sogenannte Endokrine System (Drüsen) und den Nervus Plexus (ein Nerv, der Nacken und obere Extremitäten versorgt). Eine verbesserte Aktivität des Drüsensystems wird durch Kontraktionen hervorgerufen (z. B. Jalandhara Bhanda oder Sarvangasana für die Schilddrüse). Durch Kontraktion von umliegender Muskulatur (z. B. Bhujangasana für die Nerven der Unteren Extremitäten / Plexus lumbosacralis) 2 oder auch durch Druck (z. B. Mayurasana beim Sonnengeflecht) wird ebenfalls auf die Enervierung des Körpers Einfluss genommen. Studien zeigen ein Ansteigen des Cortisols und Cholinesterasen Levels. Dies wirkt beruhigend auf den Stressreflex. [3] – [4]
Die Wahl eines Lebensstils, in dem Yoga oder Meditation ihren festen Platz haben, zeigt eine signifikante Reduktion der Schmerzwahrnehmung. Und er bietet eine wirkungsvolle Vorsorge gegen altersbedingten Anstieg von grauer Gehirnsubstanz während es hilft lange Axome der weißen Gehirnsubstanz zu erhalten.[5]
2.) Yoga gegen Stress
Stress ist eine Ursache für myofasziale Schmerzen. Fibromyalgie ist gekennzeichnet durch chronische Muskelanspannung, Erschöpfung, Fehlhaltungen und einem gleichzeitig überaktivem Sympatischen Nervensystem. [6] Außerdem sind wir unter Stress sehr viel anfälliger für Verletzungen. Mit einer verlangsamten Herzrate und tieferer Atmung erlangen wir mehr Zentrierung und können uns besser entspannen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass auch die yogische Ernährung eine große Rolle für Gesundheit und Schmerzwahrnehmung spielt.
3.) Yoga bei Emotionaler Anspannung
Atemmuster zeigen den emotionalen Zustand einer Person sehr genau. Tiefes Durchatmen ist uns allen als Anti-Stress-Strategie bekannt. Zahlreiche Studien zeigen den Zusammenhang zwischen Electroenchephalography (EEG) und Atemmuster. Langsamer Atem steigert Alpha-Wellen. [7] – [8] entsprechend sind sowohl entspannende Atemtechniken (Pranayama) und Tiefenentspannungstechniken aus dem Yoga ein probates Mittel gegen unerwünschte Emotionen.
4.) Yoga bei Schlafstörung
Achtsame und langsame Praxis von beruhigenden Asanas wie z. B. Paschimottanasana (sitzende Vorbeuge) oder Viparita Karani (Beine hoch lagern) wirken beruhigend und reduzieren Stresshormone. Yin Yoga oder eine regelmäßige Mediationspraxis sind hier jedenfalls hilfreich.
Für alle yoga.ZEIT Leserinnen gibt es eine kostenlose Yoga Nidra Anleitung als Audio File zum Download (ca. 40 min.)
DOWNLOAD Entspannungsanleitung Yoga Nidra
5.) Yoga bei hohem Blutdruck
Sanft ausgeübte Yogapositionen und Pranayama (Atemübungen) initiieren einen Entspannungsimpuls im Neuro Endokrinen System und harmonisieren das physiologische System. [9] Sie verlangsamen den Metabolismus[10], verlangsamen den Atem und senken den Blutdruck.
6.) Die Intellektuelle Ebene von Yoga und Schmerz
Das Wissen um die Möglichkeit selbst aktiv werden zu können, ist eine wichtige Grundlage für eine positive und hoffnungsvolle Einstellung. Selbst ein Instrument in der Hand zu haben, das Abhilfe oder zumindest Linderung verschafft, dem eigenen Tempo und an die eigene Kraft angepasst zu praktizieren, kann eine große Motivationshilfe sein.
Physiologisch bedingter Schmerz
Allgemein kann man sagen, dass Yoga die Struktur des Körpers, vor allem des Bewegungsapparates, in Richtung einer optimalen Ausrichtung verändert. Hier spreche ich vor allem von gehaltenen Stellungen (Asanas) und nicht von fließend durchgeführten Übungen wie zum Beispiel dem Sonnengruß. Durch gute Ausrichtung wird die Körper-Ausrichtung bis in das viszerale System (Organe) verbessert. Yoga bewirkt gleichzeitig auch eine bessere Sauerstoffversorgung für Gehirn und Muskeln.
1.) Yoga bei Migräne
Vor allem Schulter, Rücken und Nackenentspannung sowie Reinigungstechniken wie Jala Neti, sanfte Pranayamas oder Yoga Nidra zeigen hier positive Wirkung.[11] Sanfte, dehnende Asanas tragen ebenfalls dazu bei, Verspannungen abzubauen und Tiefenentspannung zu ermöglichen. Yin Yoga kann hier eine hilfreiche Form von Yoga sein.
2.) Yoga bei Rückenschmerz
Eine Meta Studie aus 17 Befragungen von 1.600 Patient/innen kommt zu dem Schluss, dass Yoga bei Fibromyalgie, Osteoporose oder Veränderungen der Wirbelsäule das allgemeine Wohlbefinden steigert. Schlechte Haltung im Bewegungsapparat, emotionaler Stress sowie einseitige Belastung sind Hauptgründe für Rückenschmerzen. Entspannungshaltungen gefolgt von dehnenden Asanas schaffen Abhilfe dabei. [12]
Zwölf Wochen Yoga Therapie waren bei den 40- bis 50-jährigen Teilnehmer/innen der Studie signifikant wirksamer als die konventionelle Physiotherapie oder das Aushändigen eines Ratgeberbuchs für chronische Rückenschmerzen.[13] Eine Vielzahl von Rückenschmerzen wird übrigens emotionalen Ursachen zugeschrieben.
3.) Yoga bei Knieschmerz
Osteoarthritis ist ein häufiger Grund für Bewegungseinschränkung im Kniebereich. Die Behandlung zielt üblicherweise auf Schmerzreduktion und einer Funktionserhöhung durch Behandlung des umliegenden Gewebes ab. Pawanmukthasanas (Anti-Rheumatische Übungen) aus dem Yoga sind probate Mittel, die bei solcherlei Problematik eingesetzt wird. [14]
4.) Yoga bei Verspannungen
Regelmäßig praktiziert, kann Yoga muskuläre Anspannungen und Schmerz lindern. Und das bei gleichzeitiger Verbesserung der Beweglichkeit, Entspannung der Muskulatur und Erhöhung der Muskelkraft.
5.) Yoga bei Krebs
Schmerz ist ein Phänomen von Körper und Geist. Deshalb müssen auch beide behandelt werden. Die bei schweren Erkrankungen meist verwendeten Techniken aus dem Yoga sind: sanfte Mobilisierung (Pawanmukthasanas), beruhigende Pranayamas, Yoga Nidra (geführte Tiefenentspannung). Diese Übungen können auch von ans Bett gebunden Patient/innen geübt werden. Neben einer positiven Entwicklung in der Schmerzwahrnehmung ist auch eine Verringerung von Müdigkeit und Kurzatmigkeit nachgewiesen. [15]
Für alle yoga.ZEIT Leserinnen gibt es eine kostenlose Yoga Nidra Anleitung als Audio File zum Download (ca. 40 min.)
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6.) Yoga bei Multipler Sklerose (MS)
Der ganzheitliche Ansatz auf körperlicher und psychischer Ebene kann Betroffenen nachhaltig dabei helfen, mit der Krankheit umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Neben Meditation und Achtsamkeit sind auch modifizierte und der Erfahrung angepasste Übungen durchaus hilfreich. Es kann etwa Yoga auf dem Stuhl praktiziert werden. Leider gibt es hierzu noch keine umfassenden Studien, aber ich suche weiter und ergänze bzw. freue mich wenn du mir schreibst falls du etwas findest oder selbst Erfahrungen berichten kannst.
Zusammengefasst: Yoga wirkt gegen Schmerz
Yoga stärkt und stabilisiert, gleicht aus, fördert die Konzentration und Entspannung. Yoga schult die Körperwahrnehmung und erhöht Resilienz. Die regelmäßige Praxis verändert sowohl die Schmerzwahrnehmung als auch die Intensität Schmerzempfindung
Jeder und jede kann Yoga praktizieren! Konsultiere nur bitte deinen Arzt oder deine Ärztin beziehungsweise deinen Therapeuten oder deine Therapeutin, die dich darüber in Kenntnis setzen können, welche Körperübungen du eher vermeidest solltest. Informiere auch deine/n Yogalehrer/in über mögliche Kontraindikationen vor dem Yogaunterricht. Lerne gemeinsam mit deiner Yogalehrerin / deinem Yogalehrer Übungen, die du dann auch zu Hause regelmäßig üben kannst. Denn schließlich ist das, was am meisten bei Schmerz hilft: regelmäßiges Dranbleiben und viel Geduld.
Buchempfehlungen zum Thema Yoga und Schmerz
- Ronald Steiner: Der Yoga-Doc: Heilen mit Yoga
- Marc Stephens: Yogatherapie: Methoden und Übungen zur Behandlung von Beschwerden und Krankheiten
- Evelyn Horsch-Ihle Yoga für Krebspatienten
- Jill Miller: Roll dich fit
- Dr. Peter Poeckh: Gesund durch Yoga
Studios mit ausgebildeten YogatherapeutInnen Österreich
1030 Wien, yogamed – Praxis für Yoga, Ayurveda & ganzheitliche Medizin
1040 & 1070 Wien Feelgood Studio, Dr. Julia Rakus
1090 Wien, YogaPraxis – Medizin, Osteopathie, Physiotherapie
1150 Wien, Amazing Yoga Vienna
2340 Mödling, Yogazentrum Mödling
2340 Mödling, Dr. Peter Poeckh
2352 Guntramsdorf, Praxis am Tabor
4020 Linz, Institut für Yogatherapie
5020 Salzburg, Dr. med. Marion Reinitzhuber
8010 Graz, TriYoga®-Center Graz | Dr. med. Elke Osbitsch
YogatherapeutInnen Deutschland
10555 Berlin, Berliner Yoga Zentrum
71638 Ludwigsburg, Deutsche Gesellschaft für Yogatherapie
Quellenangaben:
[2] Raub JA. Psychophysiologic effects of Hatha Yoga on musculoskeletal and cardiopulmonary function: a literature review. J Altern Complement Med. 2002;8:797–812. [PubMed]
3 Catherine Bushnell, PhD, National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIH)
4 Kumar VA. Study on the therapeutic potential of some hathayogic methods in the management of irritable bowel syndrome. Int J Yoga Ther. 1992;3:25–38.
[5] Wallace RK, Benson H, Wilson AE. A wakeful hypo metabolic physiological state. Am J Physiol. 1971;221:795–9. [PubMed]
[6] Martínez-Lavín M, Hermosillo AG, Mendoza C, Ortiz R, Cajigas JC, Pineda C, et al. Orthostatic sympathetic derrangement in subjects with fibromyalgia. J Rheumatol. 1997;24:714–8. [PubMed]
[7] Hardt JV, Honorton C. Shifts in subjective state associated feedback augmented EEG alpha. Psychophysiology. 1972;9:269–70.
[8] Timmons B, Salamy J, Kamiya J, Girton D. Abdominal-thoracic respiratory movements and levels of arousal. Psychon Sci. 1972;27:173–
[9] Benson H. Timeless healing: the power and biology of belief. New York: Scribner; 1996. Timeless healing: the power and biology of belief.
[10] Beary JF, Benson H. A simple psychophysiologic technique which elicits the hypometabolic changes of the relaxation response. Psychosom Med. 1974;36:115–20. [PubMed]
[11] John PJ, Sharma N, Sharma CM, Kankane A. Effectiveness of yoga therapy in the treatment of migraine without aura: a randomized controlled trial. Headache. 2007;47:654–61. [PubMed]
[12] Williams KA, Petronis J, Smith D, Goodrich D, Wu J, Ravi N, et al. Effect of Iyengar yoga therapy for chronic low back pain. Pain. 2005;115:107–17. [PubMed]
[13] Judith Knilli, Institut für Sozialmedizin, Dissertation 2016, 16 (Medizinische Fakultät Charité)
[14] Kolasinski SL, Garfinkel M, Tsai AG, Matz W, Van Dyke A, Schumacher HR. Iyengar yoga for treating symptoms of osteoarthritis of the knees: a pilot study. J Altern Complement Med. 2005;11:689–93. [PubMed]
[15] Garfinkel MS, Singhal A, Warren A, Katz, David A. Yoga based intervention for carpel tunnel syndrome. JAMA. 1998;280:1601–3. [PubMed]
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