Dr. Sita Silvia Sitter stellt dir im Rahmen einer Artikelserie die 7 Säulen der Resilienz vor. Hier liest du mehr über die Säule 5: Verantwortung.
Resilienz – sie ist die Fähigkeit, mit schwierigen Zeiten im Leben zurechtzukommen, indem wir auf eigene und sozial vermittelte Ressourcen zurückgreifen und Krisen für unsere persönliche Entwicklung nutzen. Resilienz zu trainieren heißt, unsere innere Stärke und unsere Widerstandsfähigkeit zu vergrößern. Es gibt sieben Säulen, auf denen Resilienz aufbaut.
Die fünfte Säule der Resilienz, die uns dabei helfen kann, unsere innere Stärke zu spüren, widerstandsfähiger zu werden und besser mit schwierigen Zeiten im Leben zurechtzukommen, ist Verantwortung zu übernehmen.
Was ist Verantwortung für dich?
Wie schon bei den beiden ersten vier Säulen der Resilienz – Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientiertheit und Selbstregulation – möchte ich auch diesmal wieder einige Fragen auf dich wirken lassen, durch die dein Geist wach werden kann und deine Selbstreflexion gestärkt und die dazu beitragen können, dass deine Selbstregulation genau dort angeregt wird, wo es gerade erforderlich ist. Lass dich die Antworten finden, die für dich jetzt gerade die passenden sind, um den nächsten Schritt zu mehr Resilienz zu machen.
Wenn du dir jetzt kurz Zeit für eine Bestandsaufnahme nehmen möchtest, führe dir mit folgenden Fragen vor Augen, welche Einstellungen und Erfahrungswerte du zum Thema Verantwortung mitbringst:
– Wie selbstbestimmt lebst du?
– Gestaltest du dein Leben weitgehend in eigener Regie?
– Wie sehr und in welchen Bereichen lässt du dich von den Erwartungen deiner Umwelt leiten?
– Was zeichnet deiner Meinung nach einen verantwortungsbewussten Menschen aus?
– Was wünscht du dir für dein Leben in Bezug auf das Thema Verantwortung?

Von der Opferrolle zu aktiver Lebensgestaltung
Als eine Hauptkraft für unser physisches und psychisches Wohlgefühl gilt, möglichst viel persönliche Kontrolle über das eigene Leben zu haben oder sie so gut und schnell es geht, immer wieder zurückzugewinnen. Schicksalsschläge, belastende Ereignisse oder widrige Umstände sind immer wieder Teil unserer Lebens- und Erfahrungswelt – das können wir nicht kontrollieren und da werden wir bisweilen zu Opfern. Doch wie lange wir in der Opferrolle bleiben und wie sehr wir unter den Gegebenheiten leiden, das entscheiden wir selbst.
– Kennst du das Gefühl, Opfer zu sein?
– Bist du der Meinung, dass dir schon öfter übel mitgespielt wurde?
Indem wir uns für die Opferrolle entscheiden, geben wir anderen Macht über unser Befinden und über unser Leben und unser Blick für mögliche Veränderungen oder Erleichterungen wird getrübt. Nehmen wir unsere eigenen Einflussmöglichkeiten nicht wahr, so verstärken wir die Hilflosigeit und das Gefühl, Opfer zu sein. Resilienz bedeutet hier, nach einiger Zeit des Durchatmens wieder Kräfte zu sammeln und Schritt für Schritt die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, auszuloten und neue Perspektiven zu entdecken.
„Wer nicht erkennt, dass er den eigenen Lebensweg entscheidend beeinflusst und lenkt, beraubt sich auch der Möglichkeit, aus eigener Kraft seelisch zu gesunden und somit wieder auf die Beine zu kommen“ (Rampe: S. 165).
Ist ein Fehler oder ein Missgeschick passiert, quälen uns bisweilen Schuldgefühle. Diese verunsichern, machen klein und ängstlich oder auch aggressiv und vorwurfsvoll. Oft verhindern sie, dass Verantwortlichkeiten und Einflussmöglichkeiten geklärt und konkrete Maßnahmen zur Veränderung oder Verbesserung getroffen werden.
– Wie denkst du über Schuld?
– In welchen Situationen oder bei welchen Vorkommnissen neigst du dazu, anderen die Schuld zu geben?
Im Sinne der Resilienz steht im Vordergrund, zu klären, was passiert ist, wie ein entstandener Schaden wieder gut gemacht und wie gemeinsam verhindert werden kann, dass sich Ähnliches in Zukunft wiederholt. Die Verantwortung zu übernehmen hilft uns dabei, konstruktiv und handlungsfähig mit schwierigen Situationen umzugehen. Dies bedeutet aber auch, unterscheiden zu können, wofür wir verantwortlich sind und wofür nicht. Verantwortlich sind wir für das, was wir kontrollieren und beeinflussen können und das sind unsere Gedanken, unsere Gefühle und unsere Handlungen (und auch Worte sind Handlungen). Wie andere Menschen darauf reagieren, können wir hingegen nicht kontrollieren.
„Es geht weder darum, die eigene Verantwortung zu leugnen, noch darum, sie für alles und blindlings zu übernehmen. Der eigene Anteil muss realistisch abgewogen werden, denn wie man sich und anderen eine Krise erklärt, ist ausschlaggebend für den Lösungsweg“ (Rampe: S. 175).
Manchmal ist es wichtig, anderen die Hand zur Versöhnung zu reichen und erlittenes Unrecht oder auch Unglück zu akzeptieren und Grübeln darüber ruhen zu lassen.
Resilienz bedeutet auch, proaktiv unser Leben zu gestalten, also nicht nur passiv zu reagieren, sondern frühzeitig initiativ zu werden und zu erkennen, dass wir für unser Wohlbefinden weitgehend selber zuständig sind.
– Wie triffst du die Entscheidungen über das, was du tust oder was du lässt?
– Sind dir deine wichtigsten Ziele bewusst?
– Was brauchst du, um aktiv zu werden?

VerantWORTung – Was Sprache kann
Eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung unseres Lebens spielt unsere Sprache. Worte sind Handlungen und Worte erzeugen Bilder in uns und in anderen. So können wir auch an unserer Wortwahl erkennen, ob wir uns selbsverantwortlich gestaltend oder in der Opferrolle sehen. „Ich muss“ ist ein typischer Satz aus der Opfersprache, der unser autonomes Nervensystem meist dazu anleitet, Spannungen zu erzeugen.
– Wie fühlst du dich, wenn zu dir jemand sagt: „Du musst….“? Welche Körperreaktionen ruft das in dir hervor?
– Wie häufig kommen „Ich muss“- Sätze in deinen inneren Dialogen vor? Und spürst du, dass auch diese wahrscheinlich ganz autonom zu Spannungen führen?
Wir müssen gar nichts. Wenn wir den Eindruck haben, dass wir keine Wahl haben, liegt das daran, dass wir die Konsequenzen der Alternativen nicht tragen wollen. Und so entscheiden wir oft unbewusst – wir treffen eine Wahl.
– Was sind deine typischen „Ich muss“- Sätze? Und wie wäre eine proaktive Gestalter – Formulierung dafür?
Wenn es uns gelingt, Verantwortung für uns zu übernehmen und proaktiv unser Leben zu gestalten, bedeutet das auch, immer wieder die Komfortzone unseres gewohnten und automatisierten Verhaltens zu verlassen. Neues wartet darauf, von uns entdeckt zu werden. Doch das bedeutet nicht, unsere bisherigen Lebenserfahrungen zu ignorieren und uns gedankenlos und unvernünftig in neue Verhaltensweisen zu stürzen, was leicht zu Panik führen kann und Lernen behindert. Die Balance ist auch hier das Wichtige: Zwischen Komfort und Panik liegt unsere Lern- und Entwicklungszone.
„Mit der Resilienz ist es wie mit dem Glück: Ein bisschen bekommt jeder als Geschenk mit auf den Weg, den Rest, das entscheidende „Mehr“, muss jeder sich selbst erarbeiten“ (Rampe: S. 19).
Wenn du dabei Unterstützung und Anregung und im Dialog die für dich passenden Antworten finden möchtest, dann freue ich mich sehr auf eine Begegnung mit dir in meiner Praxis, wo ich unter anderem auch ganz individuelles Resilenztraining anbiete.
Dazu findest du mehr Informationen auf www.sita-balance.at
Literatur :
Gruhl, Monika: Resilienz. Die Strategie der Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Freiburg im Breisgau: Kreuz 2014.
Heller, Jutta: Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke. München: Gräfe und Unzer 2013.
Rampe, Micheline: Der R-Faktor. Das Geheimnis unserer inneren Stärke. München: Knaur 2005.
Fotocredit: Photo by Clem Onojeghuo on Unsplash (1), Photo by Lukas from Pexels (1)
Weiterlesen? Hier geht es zu Säule 6: Beziehungen
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