Eva Alagoda-Coeln gibt in Österreich seit 1991 in eigener Praxis und seit 2000 in der Ausbildungen die Kunst des Nuad bzw. der Thai Yoga Massage weiter. Wir haben uns mit ihr darüber unterhalten, was Nuad so wertvoll macht und was diese Körperarbeit mit Yoga zu tun hat …
Lange bevor Nuad (auch Thai Massage, Thai Yoga Massage oder Thai Yoga genannt) in Österreich ein Begriff war, erfuhr Eva Alagoda-Coeln von einer Freundin von einem ehemaligen Mönch aus dem Tempel Wat Pho in Bangkok. Dieser habe sie wunderbar behandelt, indem er ihren Körper systematisch gedehnt, gedrückt, gedreht oder geklopft sowie ein paar Mal kurz an einem Punkt gehalten habe. Diese Erzählung berührte Eva Alagoda-Coeln, weshalb sie sich Anfang Jänner 1989 nach Thailand aufmachte. Sie begriff Nuad Phaen Boran in Theorie und Praxis bei Lehrern wie Boonthume Pichet, Asokananda, Chongkol Settakorn, Chaiyuth Priyasith und Lek Chiaya. Ihr Wissen darüber teilt sie in Ausbildungen, Büchern und hier mit uns.
yoga.ZEIT: Eva, was bedeutet Nuad eigentlich genau und woher kommt es?
Eva Alagoda-Coeln: NUAD PHAEN BORAN bedeutet „heilsame Berührung“, was aber nur einen sehr marginalen Eindruck der Möglichkeiten mit Nuad vermittelt. Auf der einen Seite wurzelt Nuad in den Erfahrungen der „alten“ thailändischen Bevölkerung, also vor der buddhistischen Einflussnahme. Die einfache Landbevölkerung, die bis heute auf dem Bildungssektor benachteiligt ist, hält den Schatz des alten Wissens in sich und lehrt immer noch mehr mündlich und im Lehrer-Schüler-Verhältnis sowie meist ohne Bücher oder Skripten.
Auf der anderen Seite brachten viele Thais Kenntnisse aus der chinesischen Medizin mit, da Thailänder über viele Jahrhunderte in südchinesischen Provinzen lebten. Die dritte und wohl bekannteste Quelle ist der indische Subkontinent, von wo Mönche ihr Wissen über Yoga, Buddhismus, Medizin und Sanskrit nach Thailand brachten. In indischen Schriften über Yoga heißen die wichtigsten Energiebahnen Susumna, Ida und Pingala. Im Vergleich dazu nennt man sie bei Nuad Sen Sumana, Sen Ittha und Sen Pingkhala.
yoga.ZEIT: Wie wird Nuad denn heutzutage in Thailand unterrichtet?
E. A.-C: In den vergangenen 20 Jahren schossen Schulen für alle Sparten des Nuad – besonders jene Schulen, die Kurzkurse für Tourist/innen in englischer Sprache anbieten – wie Pilze aus dem Boden. Ihr Mekka heißt Chiang Mai. Einen wichtigen Status haben die Schule im Wat Pho in Bangkok sowie die Schule am Old Medicine Hospital in Chiang Mai sowohl mit mehrjährigen Ausbildungen in traditioneller Heilmethode auf Thai-ländisch als auch mit Kurzkursen auf Englisch. Um die Qualität der Ausbildungen zu sichern und international als Ausbildungsland für traditionelle Medizin anerkannt zu werden, erließ das thailändische Gesundheitsministerium Kriterien, die sowohl Lehrplan als auch Niederlassung der Praktiker regeln und vereinheitlichen. Der Wat Pho als Zentrum dieser Bestrebungen verdrängt durch diese neuen rechtlichen Rahmenbedingungen leider die Möglichkeiten, den animistisch beeinflussten Schatz jenes Wissens zu heben, das auf vorbuddhistische Zeiten und auf die Erfahrungen der Bergvölker zurückgeht.
yoga.ZEIT: Nun zu Nuad an sich: Welche Verbindung bestehen da zum Yoga?
E. A.-C: Je nach Möglichkeiten wird der Klient oder die Klient/in vom Behandelnden in Yogapositionen oder deren Vorstufen gebracht – unabhängig davon, ob der Klient oder die Klientin Yoga praktiziert oder nicht. Im Yogaunterricht kann ein Nuad-erfahrener Yogalehrender das Potenzial eines Schüler oder eine Schülerin entschieden steigern.
yoga.ZEIT: Inwiefern steigern?
E. A-C.: Der Bewegungsradius eines Gelenks ist bei aktiv ausgeführten Übungen von der eingesetzten Muskelkraft abhängig. Bei passiven (Yoga-)Übungen spielt jedoch einzig die Dehnbarkeit von Muskeln und Bindegewebe eine Rolle, und das macht sich Nuad zunutze. Nuad-Praktiker/innen helfen durch Druckanwendungen – in Kombination mit passiver Bewegung –, den Radius der Beweglichkeit von Klient/innen zu erweitern. Außerdem werden sowohl im Yoga als auch bei Nuad sehr zarte und tiefliegende Strukturen angesprochen: die Faszien. Sie hüllen alles im Körper ein – Muskeln wie Organe –, gehen in Bänder und Sehnen über und stellen daher eine nicht zu unterschätzende Funktionsebene dar.

yoga.ZEIT: Was ist denn das Besondere an Nuad?
E.A.-C.: Ich würde sagen die Vielseitigkeit der Griffe und Einsatzmöglichkeiten. Druck mit den Handflächen, Ellbogen, Unterarmen, Fußsohlen, Knien, mit den Daumen, Arbeit an Energielinien und tolle Körperübungen – jede Sitzung ist anders, eben so, wie die Menschen einzigartig sind.
yoga.ZEIT: Was kann eine Nuad-Sitzung bewirken?
E.A.-C.: Aufbauend auf dem Jetzt-Zustand der Klient/innen – egal ob antriebslos und schlapp, ob gestresst und hektisch, ob „eingerostet“ oder mit sportlich bedingten Verkürzungen – wird er im Laufe mehrerer Sitzungen in die gesunde Mitte gebracht. Mit Nuad können verkürzte Muskeln gedehnt, Gelenke wieder beweglich gemacht, Verdauung und Kreislauf angeregt und die Schlafqualität optimiert werden. Besonders tiefe Dehnreize am Rumpf führen zu besserer Organdurchblutung und regen Stoffwechsel und Gasaustausch an. Oft wird dabei ganz gezielt mit Atmung gearbeitet. Das bewusste Ausatmen unterstützt das Tun-Lassen, das Passiv-Sein. Und wer bisher eher flach atmet, kann mit Nuad eine bessere Nutzung der Lungenkapazität erreichen.
yoga.ZEIT: Was ist noch zu beachten während einer Nuad Sitzung?
E.A.-C.: Während der Sitzung sollte nicht gesprochen werden, ausgenommen Rückmeldungen die Befindlichkeit betreffend, wodurch der Praktiker oder die Praktikerin sich besser konzentrieren kann und man einen sehr tiefen Entspannungszustand erreichen kann.
yoga.ZEIT: Ist Nuad für jeden und immer geeignet?
E.A.-C.: Wenn man ein Bandscheibenvorfall hat, unter starker Osteoporose leidet, an Krebs erkrankt ist oder einfach nur Fieber hat, dann sind ärztliche Hilfe und Schonung angesagt. Nuad kann auch anstrengend sein, trotz des Hochgefühls, das nachher entsteht! Medikamenteneinnahme, lokale Beschwerden und Schwangerschaft sollten auf jeden Fall vor der Sitzung besprochen werden. Die Bewegungen, die sie erfahren, können auch schmerzen – jedoch bleibt der Nuad-Praktiker immer im erträglichen Bereich („Wohl-Weh“) und wechselt anspruchsvollere Positionen mit sehr entspannenden ab.
yoga.ZEIT: Warum berührt dich selbst Nuad so sehr?
E.A.-C.: Nuad ist wie ein Urlaub von Alltagssorgen und hilft gleichzeitig, sich selbst näher zu kommen. In Europa leben wir meist sehr kopflastig und spüren unseren Körper erst, wenn er schmerzt. Manchmal wird die physische Hülle sogar als Feind empfunden. Nuad ist hervorragend geeignet dem entgegenzuwirken, besonders bei allen körperlichen und geistigen Symptomen, die mit Stress zusammenhängen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Lust und das Bedürfnis, selber aktiv zu werden, sich zu bewegen, ob Laufen, Schwimmen, Klettern oder Yoga, nach Nuad-Sitzungen signifikant steigt. Nuad ist Körpertraining, Meditation und Genuss in einem!!!
Mehr Infos über Eva Alagoda-Coeln:
www.nuad.at
office@nuad.at
Buchtipps:

Nuad begreifen
Praxis der traditionellen thailändischen Massage, Faszienlinien, Yogapositionen
von Eva Alagoda-Coeln
2020 ELSEVIER
ISBN 9783437587115
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Nuad verstehen & richtig anwenden
Der Traum vom Fliegen
von Eva Alagoda-Coeln
2008 Maudrich
ISBN 978-3-85175-881-8
Fotocredits: Eva Alagoda-Coeln
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