Hast du schon von Dunkelheitsmeditations-Retreats gehört? Von Meditation in absoluter Finsternis und das Ganze für mehrere Tage? Marion Hötzel leitet Dunkelheitsmeditations-Retreats in ihrem ZENtrum Mondsee. Mit ihr haben wir uns unterhalten – und trotz aller Dunkelheit gab es durchaus erhellende Momente.
yoga.ZEIT: Marion, was ist Dunkelheitsmeditation und was passiert während eines Dunkel Retreats?
Marion Hötzel: Dunkelheitsmeditation ist – wie der Name schon sagt – Meditation in absoluter Dunkelheit. Dunkelheit birgt die Essenz und das Göttliche in sich. So überliefern es spirituelle Schriften aus vergangenen Zeiten. Herausragende Dichter*innen, Denker*innen und Philosoph*innen und nicht zuletzt die zauberhafte Märchenwelt und die Schöpfungsgeschichten – sie alle berichten von der Qualität der Dunkelheit. Im Rahmen eines Retreats tauchen die Teilnehmer*innen in einem Zeitraum von acht Tagen in die absolute Dunkelheit ein.
yZ: Aber welche Vorteile hat Meditation in Dunkelheit? Reicht es nicht, einfach die Augen zu schließen?
Marion H.: Heutzutage ist es eigentlich kaum noch möglich, wirklich dunkle und stille Orte zu finden. Selbst nachts finden wir den Widerschein der Zivilisation – in Städten sowieso. Umso schwerer ist es da für uns, die Dunkelheit ins uns selbst zu ertragen und zuzulassen. In der Dunkelheit stellen wir uns unseren Ängsten. Wir lassen uns zudem vertrauensvoll in ein NICHTS gleiten und können dadurch das entdecken, was verborgen ist. Der lärmende Verstand wird ruhig, um dann völlig entspannt im Hier und Jetzt zu verweilen. Der Rückzug in die Dunkelheit, in Höhlen oder dunkle Räume ist übrigens kein neuer Trend, sondern in sämtlichen traditionellen Kulturen eine weitverbreitete Praxis.

yZ: Wo hat die Dunkelheit ihren Platz – in all den Bestrebungen zur Erleuchtung?
Marion H.: Erleuchtung ist ein großes Wort. Eines, das viel zu viel Verwirrung stiftet. Wenn du mich nach Erleuchtung fragst – mit und ohne Dunkelheit – sollten wir uns lieber mit „Entleuchtung“ beschäftigen, dem Ankommen in diesem LEBEN jetzt und hier. Die Suche nach Erleuchtung bleibt ein Suchen wenn wir uns ihr verweigern. Uns also NICHT der damit einhergehenden, allumfassenden Klarheit und Verantwortung stellen. Und vor allem, wenn wir fernerhin leugnen, dass wir schon längst Erleuchtete sind! Wir schließen das Leben mit all seinem Sinn aus. Dunkelheit hat ihren Platz in der Existenz und auch in uns. Nicht nur auf der Ebene der körperlichen Existenz, in dem die Dunkelheit dazu benötigt wird unseren Hormonhaushalt zu balancieren. Nein, sondern auch für unsere Seele ist das tiefe Zurückziehen notwendig. Um einen spirituellen Durchbruch auf einer gänzlich anderen Ebene der Empfindungen zu erfahren.
yZ: Wie kam es dazu, dass du gemeinsam mit deinem Mann im ZENtrum Mondsee Retreats in Dunkelheit anbietest? Welche Erfahrungen hast du bisher als Teilnehmerin und Leiterin mit Meditation in absoluter Finsternis gemacht?
Marion H.: Es steht außer Frage, dass wir den Traditionen folgend auch viele Tage und Wochen in Dunkelheit meditiert haben. Die Fragen und Antworten nach dem Sein befinden sich nicht über uns, sondern IN uns. Dies scheint eine Tatsache zu sein, der sich jeder und jede Meditierende früher oder später stellen wird. Wir müssen alles aufgeben, das auch nur im Geringsten an Vorstellung grenzt oder sie besser gesagt: eingrenzt. Die Grenzen unseres kleinen ICHs verschwinden und lösen sich auf im Nichts. Und genau das erfahren die Teilnehmer*innen am Deutlichsten. Es sind Phasen die wir durchlaufen … Phasen der Einfindung, Phasen der Widerstände, Phasen der Auflösung, Phasen der Tiefenentspannung, Phasen der Klarheit.

yZ: Findet im Rahmen eines solchen Retreats ALLES im Dunkeln statt?
Marion H.: Ja. Alles im Dunkeln, wobei die Bandbreite von Tiefdunkel bis Dämmerdunkel ist. Die Wege vom und zum Schlafplatz gehen wir in natürlicher Umgebungsdunkelheit. Auch die Mahlzeiten finden ohne Licht statt. In den Phasen der nicht so tiefen Dunkelheit werden die Augen durch sehr dunkle Sonnenbrillen geschützt.
yZ: Wie groß ist die Gruppe, die an einem Retreat rund um Dunkelheitsmeditation teilnimmt?
Marion H.: Wir bieten unser Retreat für acht Tage und acht Personen an und das nicht nur, weil es um Acht-samkeit geht. Wir wollen gewährleisten, dass sich auch jeder und jede gut aufgehoben fühlt. Bei Meditation im Dunkeln bekommen wir es mitunter auch mit tiefliegenden Phänomenen zu tun, die Aufklärung verlangen. Auch durch die aktuelle Lebenssituation kann Ungeklärtes aufsteigen, das dann professionell aufgefangen werden will.
yZ: Welche Voraussetzungen braucht es, an einem Dunkelheitsmeditations-Retreat teilzunehmen?
Marion H.: Im Gegensatz zu anderen Schweigekursen, die wir bei uns veranstalten, setzen wir bei einer Teilnahme Meditationserfahrungen und Erfahrungen mit Schweigekursen voraus. Wer an einem Dunkel Retreat teilnimmt, sollte sich nicht in einer psychotherapeutischen- oder psychiatrischen Behandlung befinden. Weder sollte man unter Angst- und Wahnvorstellungen leiden, noch zu Drogenmissbrauch neigen. Ebenso ist es unerlässlich, dass die Teilnehmer*innen ihre Telefone, Tablets oder Laptops abschalten und sich für acht Tage in eine absolute Kommunikationspause begeben. Ein solcher Rückzug kann die persönliche Stärke und Ausdauer ganz schön herausfordern.
yZ: Wem würdest du Dunkelheitsmeditation eigentlich besonders empfehlen?
Marion H.: In erster Linie mal all jenen, die sich noch ehrlicher und mutiger mit sich selbst auseinandersetzen möchten. Die sich ihrer Schatten bewusst werden und jenseits dessen, nach dem Sinn ihres Lebens und des Lebens an sich, fragen. Menschen, die latent durch Depressionen und Schlafstörungen immer wieder vom eigentlichen Leben getrennt sind und selbstverständlich allen, die einfach „nur“ neugierig sind.
yZ: Nach deinen Erfahrungen – was bewirkt eine Dunkelheitsmeditation?
Marion H. : Es ist immer schwierig von konkreten Wirkungen zu sprechen, weil jede/r diese unterschiedlich erlebt. Eine Meditation im Dunkeln KANN bewirken, dass man bewusster und tiefer entspannt, zu Selbstvertrauen und innerer Stärke kommt und aus dem Gedankenrad – in das man in Meditation ja oft auch konkret einsteigt – für gewisse Zeit aussteigt. Dass das Schlaf- und Wachverhalten sich wieder normalisiert und der Stoffwechsel sich generiert. So manche/r Teilnehmer/in versöhnt sich mit der Endlichkeit, öffnet sich seiner oder ihrer Kreativität oder macht Erfahrungen voller Glückseligkeit und friedvollem Einverstanden sein mit dem LEBEN im Jetzt. Was jede/r empfindet und erfährt, liegt bei einem Retreat dieser Art im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Doch ich bin gewiss, dass es am Ende den Weg des Lebens erhellt.
yZ: Danke vielmals für dieses Gespräch.
Über Marion und Bernhard Hötzel
Beide blicken auf 35 Jahre Meditationserfahrung zurück und lebten über viele Jahre in verschiedenen Mediationszentren in Indien und Europa. Vor knapp 15 Jahren entschlossen sie sich, Meditation in den Alltag zu integrieren und sich für ein Leben in Achtsamkeit und Mediation in dieser Gesellschaft, ohne besondere Anschauungen, Traditionen oder Religionen einzusetzten. Seit 2010 leiten sie das ZENtrum für Meditation, Achtsamkeit und Stressreduzierung in Mondsee. Sie haben vier erwachsene Söhne, sind MBSR-Lehrer, Experten für den Nervus-Vagus und Stressreduzierung durch achtsame Methodik.
Du interessierst dich für eine Teilnahme an einem Dunkelheitsmeditations-Retreat? Das nächste Retreat „Darkness to Inner light“ findet im ZENtrum Mondsee von 1. bis 7. November 2020 statt.
Hier findest du mehr Infos zum Dunkel Retreat
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