Tatsächlich vergeht wohl kein Tag, an dem wir nicht auf Sterblichkeit treffen: seien es eine tote Fliege, ein überfahrener Igel, verwelkte Blumen oder die Nachrichten über Kriege in fernen Ländern. Emotional sind wir davon oft wenig berührt; diese Ereignisse sind normal, banal, weit weg. Aber dann gibt es da eine unsichtbare Grenze, an der uns der Tod ins Herz trifft und wir diese Kehrseite des Lebens nicht mehr gelassen hinnehmen. Diese Gesetzmäßigkeit von Leid ist simpel: Je größer unsere Identifikation und Anhaftung – mit allen Freuden, die damit einhergehen, desto größer die negative Reaktion auf den unumkehrbaren Verlust …
Gedanken über die letzte Ruhe
Eigentlich ist nicht der Tod das Problem, sondern unsere Einstellung dazu. Diese Wahrheit ist im Yoga so bedeutsam, dass in Patanjalis Yogasutra als fünftes Klesha (leidhafte Spannung) Abhinivesa genannt wird: die Angst vor dem Tod oder das Klammern ans Leben. In allen Religionen und ernsthaft spirituellen Traditionen wird die Reflexion über den Tod als wichtige Praxis angesehen. So wie der stündliche Glockenschlag von heimischen Kirchen an die eigene Todesstunde erinnert, so hat auch Buddha jedem Menschen ans Herz gelegt, Marananusati (Reflexion über den Tod) regelmäßig zu praktizieren.
Asche, Tod und Strom des Lebens
Allerdings scheint mir dieser nicht so angenehme Aspekt in der modernen Hatha-Yoga-Szene – die sich ja gerne als zutiefst spirituell ausgibt – eine stiefmütterliche Stellung zu haben. Da gilt eher: jung, gesund, lebensfroh. Vielleicht ist man als Yogi mit den anspruchsvollen körperlichen Übungen zu busy oder fühlt sich als Yogini in der erreichten Entspannung so wohl, dass man gar keine Lust hat, daran zu denken: Eines Tages wird dieser Körper mit all den trainierten Muskeln und Gelenken am Verrotten oder zu Asche transformiert sein.
Möglicherweise sollten wir beim nächsten Savasana diese Totenhaltung wörtlich nehmen und uns unseren Tod bewusst machen; denn jeder Tag könnte unser letzter auf dieser Erde sein. Gerade am Ende einer Yogastunde sollten wir die sattvische Klarheit und Losgelöstheit nutzen, um zu realisieren, wie sinnlos es ist, gegen den natürlichen Strom der Sterblichkeit zu schwimmen.
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