In ihrer monatlich erscheinenden Kolumne schreibt Nives Gobo alias “Yogamami” über den Alltag als Yogini und Mutter. Diesmal erzählt sie davon wie es ist, wenn Kinder in der schönsten Zeit des Jahres krank sind und wie man dabei Geduld und Hingabe bewahren, vielmehr entwickeln kann …
Bei uns war diesen Sommer Ausnahmezustand. Wenn ich jetzt so über die letzten drei Monate reflektiere, frage ich mich, wie ich das alles überlebt habe. Wie wir es überlebt haben.
Mein Sohn hatte drei Monate derart schwere Hautungleichgewichte, dass die Hitze des Sommers zu einer großen Belastung wurde. Die meiste Zeit der schönsten Zeit des Jahres verbrachten wir also im Schatten. Verbrachten wir mit unruhigen Nächten. Tausenden von Cremes. Kratz-Orgien. Allergien auf alles. Mit unguten Gefühlszuständen und ganz viel Müdigkeit. Es war eine Herausforderung auf allen Ebenen des Seins. Eine Gedulds- und Vertrauensprobe der besonderen Art. Denn, wenn kein Arzt oder keine Ärztin dir helfen kann, darfst du lernen, deinem Mutterinstinkt zu folgen. Und wenn du vor Erschöpfung schon so verwirrt bist, dass du dein Gefühl nicht mehr wahrnimmst, dann lässt du es einfach fließen. Im Vertrauen, dass es irgendwann schon besser wird. Nach dem Dunkel kommt das Licht – so sagt man.
Aus der Haut fahren
Mein Sohn war schon immer dünnhäutig. Alles, was ihm zu viel wird, trägt er über seine Hülle aus. So verfolgen uns diverse Hautungleichgewichte schon seit seiner Geburt. Die Homöopathie hat ihm über viele Jahre geholfen, seine natürliche Schutzfunktion über die Haut zu stärken. Eigentlich dachte ich, wir hätten das Thema erledigt. Ich freute mich auf einen Sommer voller Sonnenschein, Freude, Lebenslust, brauner Haut, Spaß und Liebe. Ich wollte mit meinem Sohn im Meer baden und bei Sonnenuntergang Eis essen. Steine suchen, während uns Sonnenstrahlen liebkosen würden. Meeresluft schnuppern, um das Immunsystem zu stärken. Doch wie es mit Kindern manchmal so ist – es kam anders als ich dachte. Es kam anders als ich geplant hatte. Es kam das genaue Gegenteil.
Es ist erstaunlich wie stark Mütter mit ihren Kindern schwingen. Und wenn sie krank sind umso mehr. Seine Haut hatte so extreme Ungleichgewichte, dass ich sie ihm in manchen Momenten einfach nur abziehen wollte, um ihm eine neue zu geben. Sein Kratzen war schon zur Routine geworden – sodass ich teilweise schon überall Kratzgeräusche hörte, obwohl gar keine da waren. Ich konnte mich nicht einmal selbst kratzen ohne dabei in Panik zu geraten. Das Kratzen war überall. Sein Weinen wurde zu meinem Weinen. Seine Wut über das ständige Eincremen wurde zu meinem Marathon, es so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen, damit er nicht mehr weinte und ich nicht explodierte. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, hatte ich Schuldgefühle und jedes Mal fragte ich mich: Was mache ich falsch? Bin ich nicht gut genug als Mama? Gebe ich ihm nicht genug Liebe? Denn es ist die Haut durch die er zeigt, dass er aus seiner Haut will. Und vielleicht ist auch das alles normal, wenn Frau Mama ist. Dieses ständige Fragen: Mache ich es richtig? Und gerade, wenn die Kinder krank sind, rattern tausend Fragen in unserem Kopf auf die es im Grunde keine Antwort gibt.
Wachstumschance
Eines ist gewiss: Kinder werden krank. Und in den ersten Lebensjahren öfter als uns lieb ist. In unserem gesellschaftlichen Verständnis, dass Krankheit etwas Schlimmes ist, das wir am besten eliminieren wollen, vergessen wir, dass Krankheit uns die Möglichkeit gibt, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Bei Kindern geht Krankheit meistens einem großen Entwicklungsschritt voraus – und danach sind sie nicht mehr wie vorher. Krankheit bedeutet Wachsen. Immunsystem stärken. Tiefer blicken. Erkennen. Berichtigen. Verstehen, wo Ungleichgewicht herrscht. Harmonie wieder finden. Es geht nicht darum, die Symptome zu bekämpfen. Sondern sie zu verstehen, aus ihnen zu lernen und sie sanft und mit ganz viel Liebe wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Also ließ ich – nach vielen Wochen der Verzweiflung – das Kämpfen mit seiner Haut los. Nach der ersten Vertrauenskrise in meine mütterliche Intuition, schöpfte ich wieder Mut und vertraute nur noch meinem Gefühl. Ich wusste, was ich verändern musste, um ihm eine neue Haut zu geben. Ich reagierte auf seine Wut nicht mehr mit noch mehr Wut und Hoffnungslosigkeit, sondern versuchte, durch die schwierigen Momente mit viel Geduld und Hingabe zu gehen. Hingabe an den Moment. Hingabe an ihn. Hingabe an das nährend weibliche, das immer gibt, egal wie erschöpft es ist. Hingabe und Geduld. Tiefes Vertrauen darauf, dass wenn er durch seine Krise der Krankheit durchtaucht und ich an seiner Seite bin, wir gemeinsam wachsen werden. Er als Mensch und ich als Mensch. Er vom Baby hin zum Kleinkind und ich von Mutter zu noch mehr Mutter. Die Krankheit des eigenen Kindes ist eine große Chance darauf, unsere Intuition, unsere tiefe weibliche Kraft und unser Vertrauen ins Leben zu stärken. Es zeigt uns, was wir alles tragen können, wenn wir aufhören uns gegen die schwierigen Momente im Leben zu wehren und einfach annehmen, was ist. Im vollen Vertrauen, dass das Leben immer Recht hat. Dass Krankheit der Weg in die Heilung ist. Dass Krise eine Chance auf Neubeginn in sich trägt. Dass wir durch die Hingabe an unsere Kinder in unserem Sein als Frauen wachsen.
Nun geht es ihm wieder besser. Wir sind in der Heilungsphase. Die Haut ist samtweich. Die Gelsenstiche heilen ab. Die Sonne ist weg. Zwar ein Schnupfen da, aber das Schlimmste ist vorbei. Er ist reifer. Ich bin stärker. Und ich habe gelernt, wie bewegend und erhebend es ist, mit dem Menschen, den ich am meisten liebe, durch eine Krise zu gehen. Da zu sein. Und mit Geduld und Hingabe auf das Licht zu warten, das nach dem Tunnel kommt. Obwohl ich nicht genau weiß, wann und wie. Doch im tiefen Vertrauen, dass es kommt. Immer.
Fotocredit: Nives Gobo – moonbeautyrituals.com
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