Kennst du die Katathym Imaginative Psychotherapie, kurz “KIP”? Dabei handelt es sich um eine therapeutische Methode, die vor allem eine Kraft ganz besonders nützt: die Kraft innerer Bilder. Was es mit dieser Methode auf sich hat? Darüber haben wir mit Mag.a Gundula Rammer gesprochen.
yoga.ZEIT: Frau Mag.a Gundula Rammer, Sie sind Psychotherapeutin und arbeiten mit Ihren Klientinnen und Klienten mit der Methode der Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP). Was hat es mit dieser Methode auf sich? Was ist das Spezifische daran? Und was bedeutet eigentlich „katathym“?
“Katathym” kommt aus dem Griechischen und bedeutet “der Seele entsprechend”. Die “Katathym Imaginative Psychotherapie” – früher war die Bezeichnung ” Katathymes Bilderleben” gebräuchlich – kann man auch als “Psychotherapie mit dem Tagtraum” bezeichnen. Das Besondere, Einzigartige an dieser Methode ist das sogenannte “Bildern” oder “Imaginieren”. In einem entspannten Zustand, im bequemen Sitzen oder Liegen, lässt man zu bestimmten, von der Therapeutin vorgegebenen Motiven, innere Bilder aufsteigen, die sich, einem Tagtraum ähnlich, zu Szenen entwickeln und mitunter sehr starke Gefühle auslösen und intensiv erlebt werden können. Diese “Träume” können als symbolhafte Darstellungen unserer inneren Welt verstanden werden. Die Klientinnen und Klienten teilen ihr inneres Erleben mit, die Therapeutin begleitet verbal das Geschehen. So können Konflikte bearbeitet oder neue Lösungen für Probleme gefunden werden. Im Anschluss an die ca. 30 Minuten dauernden Imaginationen werden die aufgetauchten “Bilder” besprochen. Manche mögen es, die imaginierten Geschichten zuhause zu zeichnen oder zu malen und sie auf diese Weise noch “anzureichern”.

yoga.ZEIT: Was hat Sie dazu bewogen, mit der KIP zu arbeiten?
Von Anfang an hat mich fasziniert, wie schnell man mit der KIP Zugang zu seiner inneren Welt findet, zu Gefühlen, deren man sich im Alltagswachzustand gar nicht so bewusst ist. Man begibt sich auf Entdeckungsreise und findet Erkenntnisse, neue Lösungsansätze, entdeckt Fähigkeiten und Möglichkeiten und erweitert so den eigenen Handlungsspielraum. Imaginieren kann Probehandeln in der Phantasie sein, man phantasiert, was man später in der Realität umsetzen kann.
yoga.ZEIT: Im Katathymen Bilderleben gibt es bestimmte Standardmotive wie „Wiese“ oder „Blume“, die mit den Klientinnen und Klienten „betrachtet“ werden. Wofür stehen diese?
In der Katathym Imaginativen Psychotherapie verstehen wir die Motive als Symbole, und uns KIP-Therapeutinnen und Therapeuten geht es vor allem darum, die individuelle, persönliche Bedeutung, die ein bestimmtes Symbol für eine bestimmte Person hat, herauszufinden. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass bestimmte Motive für die meisten Menschen ähnliche Bedeutungszusammenhänge hervorrufen. Die “Blume” oder der “Baum” symbolisieren oft die eigene Person, das “Selbst”, die ” Wiese” kann für die aktuelle Lebenssituation, das aktuelle Lebensgefühl stehen. Es können auch Tiere, Fantasiegestalten, Landschaften etc. als Motive eingesetzt werden, und im Laufe der Therapie entwickeln sich oft ganz persönliche, individuell bedeutsame Motive.
yoga.ZEIT: Durch das Katathyme Bilderleben kann es gelingen, besser in Kontakt mit den eigenen Gefühlen und Wünschen zu kommen. Inwiefern haben Sie als Therapeutin das Gefühl, dass wir unseren Gefühlen zu wenig Raum im Alltag geben beziehungsweise damit nicht in Kontakt sind? Worin sehen Sie eine Verbindung dieser Methode zum Yoga?
Ich denke, dass viele von uns durch die vielfältigen Aufgaben des Alltags so sehr mit äußeren Anforderungen beschäftigt sind, dass der Kontakt zu uns selbst, zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen immer wieder ein bisschen verloren zu gehen droht. Das ständige “funktionieren müssen” macht manchmal geradezu unlebendig. Das Imaginieren im schützenden Rahmen einer Therapiestunde, das entspannte Liegen auf der Couch, ermöglicht Zugang zu unserer inneren Welt und zu unseren Gefühlen. Wir spüren uns und unsere Lebendigkeit wieder besser. Und da sehe ich auch die Verbindung zum Yoga: Beim Yoga kommen wir durch die Konzentration auf unseren Körper und den Atem mit uns selbst wieder besser in Verbindung, fühlen uns vielleicht “geerdeter” und ruhiger, bei der KIP ist es die Konzentration auf unsere innere Welt, unsere inneren “Bilder”.
yoga.ZEIT: Was ist denn eigentlich das Besondere an Imaginationen, an Tagträumen und Visualisierungen? Auf welchen Ebenen und warum wirken diese in therapeutischer Art und Weise auf uns Menschen?
Die Katathym Imaginative Psychotherapie ist eine tiefenpsychologische therapeutische Methode mit einem psychoanalytisch fundierten Grundkonzept. Wir gehen von der Existenz unbewusster Motivationen aus, die bildhaften Szenen und die begleitenden Affekte in den Imaginationen werden als Schöpfungen des Unbewussten verstanden. Mithilfe der Begleitung der Therapeutin können Einsichten in bestehende Konflikte und Probleme gewonnen werden, neue Zusammenhänge erkannt und ein erweitertes Verstehen erworben werden. Dadurch gelingt es, bisher gebundene Ressourcen zu befreien, und Raum für neue befriedigendere Lösungsmöglichkeiten entsteht.
yoga.ZEIT: Für wen ist KIP als Methode besonders gut oder nicht so sehr geeignet?
Die Katathym Imaginative Psychotherapie ist für alle Menschen (übrigens auch für Kinder, mit denen ich sehr gerne arbeite), sehr gut geeignet, die neugierig auf sich selbst sind, sich selbst besser kennenlernen wollen. Das gilt für Menschen, denen es eigentlich gut mit sich geht, und die vielleicht spüren, dass es in ihnen noch Verborgenes zu entdecken gilt. Aber, die KIP ist ja eine psychotherapeutische Methode, auch für Menschen, die seelische Probleme haben, vielleicht depressiv sind, Ängste haben oder an chronischen Beziehungsschwierigkeiten leiden, unglücklich sind oder wie auch immer, das Gefühl haben, psychisch irgendwie eingeschränkt zu sein. Sehr hilfreich kann die KIP auch für Menschen sein, die Traumatisierungen erlitten haben.
yoga.ZEIT: Welche Erfahrungen haben Sie bisher in der Anwendung dieser Methode gemacht? Haben Sie eine Beispielgeschichte für uns?
Ich arbeite seit nunmehr 20 Jahren mit der KIP und habe erlebt, dass diese besondere Methode für sehr viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichsten Problemstellungen sehr hilfreich war und auch mitunter als sehr lustvoll und schön erlebt wurde.
Als “anschauliches, typisches Beispiel” möchte ich von einer Person erzählen, die unter ihren vielen Ängsten sehr gelitten hat und das Gefühl hatte, in ihrer Lebensführung eingeschränkt zu sein. Beim Imaginieren fand sie Zugang zu ihren, ihr bisher verborgenen, Ressourcen und Stärken in Form von “hilfreichen Wesen”. Aus diesen entwickelte sich im Lauf der Imaginationen eine Katze, die immer mehr zu einer Raubkatze, einem tigerähnlichen Tier, wurde. Über diese große wehrhafte Katze konnte sie dann auch im alltäglichen “Wachzustand” in ihrer Phantasie verfügen, erlebte sie als Hilfe in bisher ängstigenden Situationen und konnte sich so in der Realität viel besser behaupten.
yoga.ZEIT: Herzlichen Dank für das Interview, liebe Frau Mag.a Rammer!
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