In ihrer monatlich erscheinenden Kolumne schreibt Nives Gobo alias “Yogamami” über den Alltag als Yogini und Mutter. Diesmal dreht sich hier alles um Vertrauen, Prozesse und Windelfreiheit.
Irgendwie ist es ganz eigenartig mit den Prozessen, den Kindern, den Vorstellungen, dem Endergebnis von bestimmten Entwicklungen. Vor den wichtigen kindlichen Entwicklungsschritten macht Frau sich unendlich viele Gedanken darüber, wie es wohl sein wird, wenn die Zeit des Windel-Abgewöhnens, des Abstillens, des Zähneputzens und Gehen-Lernens kommt. Was Frau nicht alles tut, damit das Kind lernt, aufs Klo zu gehen, eine Zahnbürste zu verwenden und schließlich nicht mehr an der Brust trinkt. Beeinflusst von eindeutig zu vielen Ratgebern und entfernt von einer intuitiven Art zu erziehen, machen wir (die Mütter) uns viel zu oft Sorgen über Dinge, die noch nicht da sind und die wir auch nicht wirklich kontrollieren können. Zumindest den Prozess ihrer Entwicklung können wir in den meisten Fällen nicht ganz so beeinflussen, wie wir es uns wünschen. Immerhin haben wir es bei unseren Kindern mit ganz eigenen Persönlichkeiten zu tun – und sie wollen oft ganz etwas anderes als wir. Als Mütter denken wir schon Lichtjahre vorher darüber nach, wie sich unsere Kinder entwickeln und ob das gut in unser perfekt durchgeplantes Leben passen wird. Und wenn es nicht so ist, kommen Druck und Nervosität. Doch es könnte ganz anders sein.
Bei uns ist das Thema des Sommers das Loslassen der Windeln. Ich habe mir schon im zweiten Lebensjahr meines Sohnes Gedanken darüber gemacht. Wie mache ich das bloß? Was macht man da bloß? Wie macht man es bloß? Ich habe gefühlt alle meine Freundinnen, die Kinder haben (und das sind viele) gefragt: Wie ist das dann mit den Windeln? Was sind die genauen Schritte, die ich einleiten muss, damit es passiert? Nämlich, dass mein Sohn aufs Klo geht. Ich tappte in die Falle, in der viele Mütter reintappen. Nämlich unsere Art der Erziehung als auch unser Kind mit anderen zu vergleichen. Ein Ergebnis der leistungsorientierten Programmierung unserer Gehirne durch eine Gesellschaft, in der es viel um Konkurrenz geht. Leider auch bei Müttern.
Eigentlich könnte Frau dem Leben und dem eigenen Kind mehr vertrauen, wenn es um Entwicklungsprozesse geht, die sowieso kommen. Meistens kommen sie ganz natürlich. Ohne viel Tamtam. Es ist Zeit, uns als Mütter intuitiv wissend zu entspannen. Denn für alles gibt es die richtige Zeit und alles kommt zu seiner Zeit – ohne Angst, Druck und Kontrolle. So wie im Yoga. Durch Praxis und tägliches Üben. So ist das auch mit dem Windelfrei-Werden. Solange Mama im Vergleich mit anderen Kindern und mit dem großen Wissen aus schlauen Büchern im Kopf versucht, ihr Kind in Zeitschemen und Entwicklungsstufen zu pressen, gibt es Stress für beide. Mama: Will endlich Windelfreiheit. Kind: Entwickelt sich in seiner Zeit und kackt mit drei Jahren, wohin es will. Resultat: Druck und Disharmonie.
Der Sommer der Windelfreiheit. Wir sind gerade mittendrin. Der Sommer bietet sich gut an, vorausgesetzt Frau kann Kind nackt herumlaufen lassen. So vergehen unsere Tage am Meer mit Klobesuchen, SOS-Windel-drauf-Aktionen, wenn mal kein Klo in Sicht ist. Perfekte Klobesuche, bei denen alles wie am Schnürchen rausläuft und weniger perfekte Unfälle, wenn mal auf Teppich, Balkon und Strand etwas (Großes) danebengeht. Falls es öffentlich ist, habe ich als Mama mega viel Stress, das Häufchen zu eliminieren, während mein Sohn nach seinem Geschäft glücklich ist. Zwischen den guten und nicht so guten Momenten der Windelfreiheit, gibt es dann noch meine ständigen Aufforderungen aufs Klo zu gehen, wenn ich merke er muss. Und seine bis zum Höhepunkt herausgezögerten Klovermeidungstänze, wo wir es dann vielleicht im letzten Moment schaffen, aufs Klo zu gehen. Manchmal, geht etwas auf dem Weg dorthin verloren. Denn seinen Tanz hat er bis zur Vollendung perfektioniert. Ich meine: Er tanzt wirklich durch die Gegend, weil er glaubt, dass er dann nicht mehr aufs Klo gehen muss. Es ist irgendwie süß, aber für mich etwas stressig mit Bildern von vollgekackten Böden mitten im Restaurant und Stränden voll mit Touristen und Touristinnen, die sich teilweise schon von zu lauten Kindern gestört fühlen.
Im Großen und Ganzen ist das mit dem Erlangen der Windelfreiheit so wie alles bei uns: eine Hochschaubahn an Gefühlen. Aufregung, Freude, Wut, Gereiztheit, Streit –Entspannung. Je mehr ich versuche, es zu kontrollieren desto gereizter ist es. Also versuche ich loszulassen, darauf zu vertrauen, dass er irgendwann lernen wird, den Gang aufs Klo zu lieben und nicht bis zum letzten Moment zu warten. Und dass ich beim nächsten Mal Klogehen (ich habe ja zig Möglichkeiten am Tag) jedes Mal mehr meine Kontrolle über das Endresultat loslasse. Ich habe nach drei Jahren mit Kleinkind gelernt: Entspannung ist das beste Rezept für Hausfrieden. Lernen mit dem Tag zu fließen, als mit der Uhrzeit zu gehen. Wieder hineinspüren in das Erlebnis des Spielens, Lernens, Erfahrens, Seins. Nicht alles kontrollieren wollen, sondern sich auch als Mama die Freiheit nehmen, einfach einmal das Leben verlaufen zu lassen, wie es einfach läuft. Ohne müssen, sollen, dürfen, können. Einfach leben. So einfach und doch so schwer.
Fotocredit: Nives Gobo
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