Unser Dharma kann uns dabei helfen, ein geglücktes Leben zu leben. Wie du dein Dharma, deine Lebensaufgabe findest, liest du in diesem Beitrag von Yogalehrerin Danja Lutz.
Ich wär so gerne wie …
Am Beginn meiner yogalehrenden Tätigkeit gab es eine Kollegin, die ich zutiefst bewunderte. Für ihre Art sich auf ihrer Website zu präsentieren. Ihre inspirierenden Texte und die authentisch-liebevolle Art ihre Angebote zu „verpacken“. Da war so viel Leidenschaft und Hingabe spürbar, dass ich am liebsten einfach alles genauso gemacht hätte wie sie. Es fühlte sich an, als würde sie ihr Tun spielerisch, stilvoll und vollkommen mühelos aus dem Ärmel an seinen perfekten Platz schütteln.
Im Prozess des „Mich-Ausprobierens“ durfte ich schon bald erkennen, dass das, was bei ihr so ansprechend war, bei mir einfach nur stotterte. Allein ihre zartschmelzenden Wort-Kompositionen hörten sich bei mir aufgesetzt und holprig an. Rückblickend war dies für mich ein großer Aha-Moment. Ich begriff zwei Dinge. Erstens: es bringt nichts, im Außen zu suchen, wer ich bin und das Gefundene dann wie einen schönen neuen Mantel anzuziehen.
Zweitens (und das entspannt mich unglaublich): Wir brauchen keine Konkurrenz zu fürchten, weil es sich hierbei um eine Illusion handelt. Wenn wir wirklich genau das tun, wozu wir auf diesen Planeten gekommen sind, sind wir nicht kopierbar. Weil niemand die gleiche Handschrift besitzt wie wir oder anders ausgedrückt, weil unser Mäntelchen niemand anderem passt.
Tomatenpflanze oder Eiche?
Diese Handschrift, unser Dharma – oder auch die Bestimmung unserer Seele – können wir uns nicht aussuchen, sie wird uns sozusagen mitgeliefert. Niemals finden wir sie, indem wir nach Außen lugen. Sondern ganz im Gegenteil. Nur dann, wenn wir uns bereit machen, ganz tief nach innen zu schauen.
Um wahre Erfüllung finden zu können, ist es unausweichlich, den Grund unserer Seele für ihr Dasein zu kennen. Den alten yogisch-ayurvedischen Lehren entsprechend, kommt jeder Mensch als Samen mit einem ganz bestimmten Zweck, mit einem inhärenten Potential auf diese Erde. Die Veden sprechen hier von Dharma, einer gewaltigen Kraft in jedem von uns, die uns antreibt zu wachsen und immer mehr zu dem Menschen zu werden, der wir eigentlich sind.
Potentialentfaltung, bitte kommen!
Wir alle tragen diesen großen Hunger auf Wachstum, auf Potentialentfaltung in uns. Oft versuchen wir das Wachstum allerdings in eine Richtung zu zwingen, die nicht so ganz unserer Natur entspricht. Einfach, weil es bei jemand anderem so richtig und vor allem so gut und leicht aussieht.
Nur die Mission unserer besten Freundin ist nicht unsere eigene. Und so wie ein Tomatensame niemals eine Eiche werden kann, werden wir nicht glücklich, wenn wir aus unserem Samen eine andere Pflanze ziehen. Es bleibt viel verlorene Liebesmüh und ein überdüngter, vertrockneter oder ertrunkener Samen.
Dharma – Was ist das eigentlich?
Die Wurzel des Wortes Dharma ist „dhr“, was soviel wie „unterstützen“ oder auch „halten“ heißt.
Dharma ist im Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und Sikhismus ein zentraler Begriff und dieser umfasst viele verschiedene Begrifflichkeiten. Von Recht, Gerechtigkeit, Natur, Qualität, Eigenheit über Ordnung, Gesetz, Brauch, Sitte, Vorschrift, Regel bis hin zu Pflicht, Tugend, gute Werke, religiöser Verdienst; Natur, wesentliche Eigenschaft, Charakteristikum.
In seinem größten Kontext, ist Dharma das unendliche, unsichtbare Netz von Intelligenz, welches das Universum als Ganzes und jede individuelle Kreation (Mensch, Tier, Pflanze, Mineral) erhält, sozusagen eine klar definierte Ordnung hinter dem Leben.
Universell prinzipiell
Jede Zelle in unserem Körper wird von Dharma genährt und organisiert. Gleichzeitig orchestriert Dharma alle Organe und Systeme und ihre einzigartigen Rollen, um den Körper kollektiv als funktionstüchtiges Wunderwerk für uns nutzbar zu machen. Wenn Goethe Faustens flehentlichen Wunsch zu Papier bringt, „zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält“, dann sehnt sich Faust genau nach der Einsicht in dieses universellen Prinzips. Auch in der Quantenphysik finden wir die Idee von Dharma, wenn Max Planck schreibt: „Wir müssen hinter dieser Kraft [Quantenmechanik] einen bewussten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie! Nicht die sichtbare, vergängliche Materie ist das Reale, wahre Wirkliche, sondern der unsterbliche Geist ist das Wahre!“
Wozu bist du da? – Dein Platz im großen Ganzen
So wie Dharma den Körper organisiert, unterstützt es uns als Individuen, unsere Rolle als essentieller Teil des großen Ganzen einzunehmen. Jeder von uns hat seine Funktion als einzelne Zelle im großen Körper dieser Welt.
Die vedische Tradition verlangt von uns, unsere Vision auszudehnen und uns selbst als nicht getrennt von allem anderen zu sehen. Dharma lehrt uns: unser individuelles Leben und die Fähigkeit, Freude zu erfahren, ist untrennbar mit dem Schicksal der Welt verbunden. Die Frage ist also: „Wie können wir ein glückliches Leben führen und gleichzeitig eine positive Auswirkung auf diese Welt haben? Die vedische Antwort darauf: Wenn die Grundlage unseres Handelns die Bestimmung unserer Seele ist, dann tragen wir zum Wohlergehen aller bei. Nur dann werden wir glücklich. Leiden ist dementsprechend das Resultat von Gedanken, Worten und Handlungen, die nicht mit diesem universellen Prinzip harmonieren.
Dharma – viel mehr ist als dein Beruf
In meinem ausformulierten Dharma, dem sogenannten Dharma Code, kommt das Wort „Yogalehrerin“ gar nicht vor. Das erstaunt viele meiner Schüler/innen. Schließlich wird der Begriff “Dharma” oft ausschließlich mit dem Beruf in Verbindung gebracht.
Für mich wäre es eine große Beschränkung, weil es viele Berufe gäbe, in denen ich mein Dharma leben könnte. Zugegeben, bei manchen würde es wohl ein wenig hapern. Als Fleischerin wäre ich höchstwahrscheinlich nicht geeignet. Doch kann meine Seele in unterschiedlichsten Szenarien im Einklang mit dem großen Ganzen ihren authentischen Ausdruck finden.
Dharma ist der nährende Lichtstrahl, der meinem Leben als Mutter, Tochter, Lehrerin, Unternehmerin, Hunde-Mama, Autorin und meiner Rolle in der Gemeinschaft seine Schwingung verleiht. Es leitet mich, wenn ich meine Hände in die Erde stecke, um Pflanzen großzuziehen. Beeinflusst die Art, wie ich meinen Sohn in die Welt begleite. Nährt, mit welchem Grundtenor ich schreibe. Ja, es bestimmt die Art und Weise, wie ich meinen Tag gestalte. Und natürlich auch meine Tätigkeit als Yogalehrerin.
Dharma selbst verändert sich im Laufe unseres Lebens nicht, was allerdings über die Jahre variiert, ist die Art seines Ausdrucks durch die verschiedenen Aufgaben, die uns das Leben schenkt.

Schmerz – Aufforderung für Wachstum
Im Prozess der Annäherung an unser Dharma gilt es, Schmerz als das zu erkennen, was er ist. Keine Bestrafung oder Aufforderung, uns im Leid zu sulen. Sondern eine Chance für Heilung. Schmerz ist oft der mehr oder weniger sanfte Tritt in unseren Allerwertesten. Der Tritt, der uns veranlasst, in die Gänge zu kommen und uns unserer Mission zu erinnern, wenn wir bis jetzt immer wieder mal einen Holzweg-Bauchfleck hingelegt haben. Schmerz agiert als Aufrüttler und Muntermacher. Darüber hinaus animiert er uns, zu dem zu stehen, wer wir sind und was wir zu dieser Welt beizutragen haben. Und wenn wir dann dem Leben ein klares „Ich will“ zuraunen, entfalten sich gewaltige Kräfte.
Jetzt aber mal raus aus der Erde!
Dein „Ja“ zum dharmischen Weg ist vergleichbar mit dem was passiert, wenn ein Same in der Erde auf die optimalen Umstände wartet. Sobald er sprießt, bewegt er Steine und Erde, um seine winzig kleinen Wurzeln zu verankern. Der Keim sammelt Sonnenlicht und verwandelt es in Energie. Er nutzt jede Ressource, die ihm zur Verfügung steht. Er legt alles daran, das zu werden wofür er bestimmt ist: ein Grashalm, eine Eiche oder eine Tomatenpflanze. Und wenn er nicht erfolgreich sein sollte, dann hat er das Beste versucht und jede Faser seines Seins eingesetzt. Es ist praktisch unmöglich, in der Natur etwas zu finden, dass sein Dharma nicht perfekt erfüllt. Der Mensch agiert als einziges Lebewesen oft verhaltener und gehemmt, weil er seine Bemühungen vom Ausgang der Dinge abhängig macht und sich dadurch selbst den Wind aus den Segeln nimmt.
Handlungsbedarf
Dharma zu leben bedeutet, zu handeln, weil es für dich keine andere Möglichkeit gibt, weil dieses Handeln Ausdruck deiner tiefsten Wahrheit ist. Und nicht, weil du mit eventuellen Leckereien am Ende des Weges liebäugelst, gelobt werden oder von möglichst vielen Menschen geliebt werden möchtest. Sich nicht abhängig zu machen vom Ausgang deiner Bemühungen und den Fokus am Weg, anstatt am Ergebnis zu halten, ist wohl eine der wichtigsten, aber auch fortgeschrittensten Übungen am dharmischen Pfad.
Deine tiefste Sehnsucht bestimmt dein Schicksal
Schon in der Bhagavad Gita ist vermerkt: Wenn du deinem Leben nicht bewusst Richtung gibst, wird deine Vergangenheit für dich wählen. Leider bedeutet Vergangenheit oft Muster, denen wir zwar längst entwachsen sind, die uns aber mit magnetischer Anziehung immer wieder ans Komfortzonen-Sofa fesseln. Im yogischen Kontext nennen wir diese Muster, auch Vikalpas genannt. Vikalpas sind unbewusste Konstrukte, nie reflektierte Ideen und tiefsitzende Überzeugungen, die dich wegführen von deiner Bestimmung und den Sehnsüchten deiner Seele. Vikalpas manipulieren uns aus dem Hinterhalt und zerstreuen unseren Fokus in tausend Richtungen.
Was sind deine Vikalpas?
Das Identifizieren unseres Vikalpas wird in der tantrischen Tradition als Wendepunkt bezeichnet, mit dem du die Meisterschaft über dein Leben gewinnen kannst. Viele Menschen scheitern daran, ihre Ziele zu erreichen. Und das deshalb, weil der unbewusste Teil unseres Geistes so viel kraftvoller ist, als der bewusste. Es reicht nicht aus, uns ein Post-It mit den Worten „Ich bin glücklich“ auf den Kühlschrank zu hängen und es fünfzig Mal am Tag zu wiederholen. Es hat keinen Sinn, eine Intention für unser Leben zu kreieren, wenn wir nicht zuerst die Muster wahrnehmen, die unsere Herzenswünsche aus dem Hinterhalt manipulieren. Oder wie C.G. Jung es so treffend formuliert: „Bis du dir das Unbewusste bewusst gemacht hast, wird es dein Leben bestimmen und du wirst es Schicksal nennen.“
Es braucht unser wahrhaftiges Bemühen, uns aus eigener Kraft von den Verhaltensweisen zu befreien, die uns in unserer Entwicklung zurückhalten. Yoga in seiner traditionellen und systematischen Form ist eine der potentesten Möglichkeiten, die uns hilft, unsere Kontaktpunkte mit diesen Mustern zu unterbrechen.

Schau dir deine Schattenseiten an
Der dharmische Weg fordert unsere Bereitschaft ein, uns mit unseren Schatten auseinanderzusetzen und unsere Angst, Unsicherheit, Einsamkeit und Traurigkeit bewusst werden zu lassen. So schön es wäre, aber Licht und Liebe reichen nicht aus, um mit tiefen Wurzeln in unser Dharma hineinzuwachsen.
Und diese Schatten, das müssen nicht immer große emotionale Katastrophen sein. Vielleicht kennst du diese Momente, in denen ohne Grund ein komisches Unwohlsein aufzieht? Dann sind wir oft schwer verlockt, etwas „Gutes“ zu essen. Oder uns ein Bad einzulassen. Vielleicht die Laufschuhe anzuziehen. In der Hoffnung, die Lösung für unseren scheinbar suboptimalen Zustand gefunden und die kleine Störung spätestens in einer Stunde wieder beseitigt zu haben.
Wenn du das nächste Mal merkst, dass du dich auf etwas zu bewegst, das sich gar nicht wie Liebe anfühlt oder dich in einem geistig-emotionalen Abwärts-Strudel befindest dann mach Folgendes: Sei dir selbst eine liebende Mutter statt Widerstand zu leisten oder die Flucht anzutreten. Leg die Hände auf deinen Bauch, spüre den Atem und umarme dich selbst mit deiner Aufmerksamkeit. Bleib hier, lass da sein, was ist. Erkenne, was sich in deinem Körper nach Anteilnahme und Heilung sehnt.
Dein Dharma ist kein Wunschkonzert
Wie mein Lehrer Rod Stryker zu sagen pflegt: „Es ist unsere Aufgabe, herauszufinden wofür wir hier sind und dann zu lernen, unser Dharma zu lieben.“ Und während ich diese Worte aufschreibe, muss ich feststellen, dass sich das auf dem Papier doch wesentlich leichter anhört, als es dann tatsächlich ist. Denn das Leben ist kein Wunschkonzert und Dharma nicht etwas, dass wir uns aussuchen können. Es bedeutet, vollkommen verantwortet unsere Seelenbestimmung zu leben und unsere Macht als Mensch – im positivsten Sinn des Wortes – anzunehmen. Das Resultat sind häufig Abstriche und Verlust. Liebgewonnene Gewohnheiten, die wir vor die Türe setzen müssen. Menschen, die sich abwenden. Situationen, die sich höchst radikal verändern.
Jemand, der aus seinem Dharma agiert, dient oft als Spiegel für seine Mitmenschen, die ihre eigenen Ängste in ihm und in seinem – von Außen betrachtet – manchmal unlogischen Verhalten, betrachten können. Nicht selten sind Zorn, Spott, Hohn und Neid Reaktionen, mit denen es gilt, umgehen zu lernen.
Dharma bedeutet Sichtbarkeit, anstatt uns zu ducken und den Kopf einzuziehen. Oft bedeutet es auch, alleine zu sein. Und das ist nicht immer einfach.

Kämpfe für DEIN Leben
In herausfordernden, damischen – äähhhmm dharmischen – Phasen hilft mir folgende zutiefst nährende Idee, die mein Herz weit werden und mich meine Kraft spüren lässt. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns auf diesem Planeten niedergelassen haben, um etwas „Großes“ zu schaffen. Und dieses wirkliche „Da-Sein“ fordert das Leben von uns. So oder so. Im Endeffekt kommen wir nicht umhin, uns die dharmischen Schuhe anzuziehen. Es ist bloß die Frage, wie lange wir bereit sind zu leiden. Wir können uns nicht drücken. Auch nicht, indem wir versuchen, das Glück in einem anderen Menschen zu finden und dadurch kurzfristig von unseren eigenen „Ich-fürcht-mich-so-vor-meinem-Dharma-Ängsten“ ablenken.
Es gab und gibt auf diesem Planeten unzählige große „Krieger/innen“ vor uns. Menschen die bereit waren, vieles hinter sich zu lassen. Die sich in Verzicht geübt haben, weil sie eine Vision vor Augen hatten. Und die größer war, als ihr eigenes Wohlergehen. Sie waren nicht daran interessiert, dem Spaßfaktor ihres Lebens hinterherzulaufen oder sich mit Konsum zu begnügen. Es gab immer Menschen, denen bewusst war, dass sie hier sind, um einer Meta-Ebene zu dienen, die den Blick hatten für das „Eins“.
Lebe hinaus!
Und so simpel es klingen mag, ich bin davon überzeugt, dass dies das Geheimnis eines glücklichen Lebens ist. Das „Ja“ zu deinem Dharma ist jeden Tag eine bewusste Entscheidung. Dich ihm anzuvertrauen und es auch „hinaus“ zu leben, bedeutet Pflicht und Freiheit zugleich.
Durch das Eintreten in deine Verantwortung spürst du plötzlich, dass es hinter dir Hände gibt, die dich jederzeit auffangen, sollte es notwendig sein. Es passiert eine bedeutende Umschichtung im Inneren. Durch das Angeschlossen-Sein an etwas, das der Verstand nicht begreifen und einordnen kann und das seine Kraft umso intensiver entfaltet, je mehr wir beginnen, uns von sinn-entlernten Konzepten zu verabschieden, riechst du plötzlich Freiheit und es entsteht ein Getragen-Werden durchs Leben oder wie Deepak Chopra es in seinem „Gesetz des Dharma“ ausdrückt:
„Strebe nach deinem höchsten Selbst. Entdecke deine einzigartigen Talente. Frage dich wie du der Menschheit am Besten dienen kannst. Deine nur dir eigenen Fähigkeiten zu nutzen, um anderen zu dienen, bringt unendliches Glück und Fülle.“
Deepak Chopra
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