Am 2. Oktober 2019 jährt sich der Geburtstag der großen Seele, der Geburtstag von Mahatma Gandhi zum 150. Mal. Diesen Tag nahmen wir zum Anlass, um uns mit einigen Weisheiten dieses Menschen auseinanderzusetzen und dabei sieben Lebens-Lektionen von Mahatma Gandhi herauszufiltern. Welche ist die wertvollste für dich?
Mahatma Gandhi wäre im Jahr 2019 150 Jahre alt geworden. Am 2. Oktober. Das war der Tag, an dem der Mensch Mohandas Karamchand Gandhi in der kleinen Hafenstadt Porbandar im indischen Gujarat das Licht der Welt des Jahres 1869 erblickte. Doch wer war dieser Mensch? Dieser Mensch, bei dessen Namen sich unmittelbar das Bild eines hageren, beinahe fast kahlköpfigen Mannes in weißem Dhoti aufdrängt? Eines Mannes der einem auf zahlreichen Fotos mit freundlichen Augen und schnauzbärtigem Mund entgegen lächelt?
Nun Sohn war er, Bruder, Ehemann (ab dem Alter von 13 Jahren!), Vater und Großvater. Jurist und Zeitungsgründer, religiöser Denker und Asket. Salzmarschierer, Bestärker des Spinnrads, Weltveränderer für Indien und vor allem: Pazifist und gewaltloser Freiheitskämpfer. Ein „peaceful warrior“ sozusagen. Und wahrscheinlich war er – wie wir alle – mehr, so viel mehr als sämtliche Bezeichnungen, die ihm zugeschrieben werden. Und wie viele, die aufbegehren, hatte und hat er nicht nur zahlreiche Anhänger*innen. Sondern auch unzählige Gegner*innen. Menschen, die in ihm alles andere als ein Vorbild sehen.
Mahatma Gandhi – Ein Leben für Gerechtigkeit
Auch Gandhi war übrigens Gegner; Gegner der Ungerechtigkeit, Befürworter der Gerechtigkeit. Insbesondere in Bezug auf Inder und Inderinnen. Als Rechtsanwalt setzte er sich in Südafrika für die Rechte und die Gleichberechtigung der dort ansässigen indischen Bevölkerung ein. Für Frauen und Angehörige der Paria (die auch oft fälschlicherweise als „Kastenlose“ bezeichnet werden) forderte er in seinem Geburtsland die Menschenrechte. Darüber hinaus setzte sich Mohandas Karamchand Gandhi für die Versöhnung zwischen Hindus und Muslimen ein. Und: er kämpfte gegen die koloniale Ausbeutung verbunden mit einem neuen, autarken, von der bäuerlichen Lebensweise geprägten Wirtschaftssystem.[1]
Schließlich wurde er zum Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Er war es, der Indien im Jahr 1947 in die Unabhängigkeit und damit in die Befreiung von der britischen Kolonialherrschaft führte – mit gewaltfreiem Widerstand, zivilem Ungehorsam und dem Weg des Hungerstreiks. 5 Monate später, am 30. Jänner 1948, wurde Mahatma Gandhi von dem fanatischen, nationalistischen Hindu Nathuram Godse erschossen. Und doch steht Mahatma Gandhi immer noch, 71 Jahre nach seinem Tod, für gewaltlosen Widerstand.
Mahatma Gandhi – Große Seele und Vater der Nation
Übrigens: Der Ehrenname Mahatma (Sanskrit für: Große Seele)stammt vermutlich von dem indischen Literaturnobelpreisträger, Philosophen und Denker Rabindranath Tagore. Er soll Gandhi bei seiner Ankunft in Bombay (heute Mumbai) im Jahr 1915 mit diesem Ehrentitel begrüßt haben. Gandhi selbst hatte jedoch zunächst durchaus seine Schwierigkeiten mit diesem Namen. So heißt es in dem Buch „Sanftmut kann die Welt erschüttern“ von Gandhis Enkelsohn Arun Gandhi: „Dass ich ein Mahatma bin, ist nichts wert. Ein bleibender Wert hingegen ist mein Festhalten an der Wahrheit, an der Gewaltlosigkeit und an der Enthaltsamkeit – das ist ein Teil von mir, der mir wirklich entspricht; und dieser Teil, so klein er auch sein mag, darf nicht verachtet werden. Er ist mein Alles.“
Im Laufe seines Lebens soll Gandhi den Namen „Mahatma“ jedoch akzeptiert und versucht haben, ihm so gut es ging gerecht zu werden. Ein anderer Name, der ihm übrigens weitaus mehr zusagte, war Bapu (Gujarati für „Vater“). So wurde er von seinen Nächsten genannt, von seiner Frau und seinen Freund*innen. Der Name wurde von der indischen Regierung auf „Vater der Nation“ ausgeweitet und offiziell anerkannt.

7 Lektionen der Großen Seele
Festhalten an der Wahrheit, an der Gewaltlosigkeit, an der Enthaltsamkeit, an einem Ziel – all das sind Dinge, die man von Mahatma Gandhi lernen kann. Doch nicht nur. Dieser Mensch hat der Welt einige Weisheiten hinterlassen, die unser aller Leben bereichern können. Folgende sieben Lektionen wollen wir hier für dich näher beleuchten:
1. Be what you want to see.
Sei du selbst die Veränderung, die du wünschst für diese Welt. – eines der „Best Of“ von Gandhis Zitaten. Denkst du dir ab und zu: „Ach, wie schön wär’s doch, wenn die Menschen ein bisschen freundlicher/weniger gestresst/höflicher/nicht so aggressiv/wertschätzender/achtsamer/liebevoller/positiver/ehrlicher und schlichtweg einfach BESSER miteinander umgingen?“ Kommt dir das beizeiten in den Sinn? Ja? Sehr gut. Dann leg los oder eben à la Gandhi: Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen, hören, spüren, erfahren willst!
Gewiss, am Anfang braucht es dafür Mut und eine fette Portion Selbstüberwindung. Denn so einfach geht das ja oft nicht mit der Veränderung und dem Abstreifen von Mustern. Sollen doch die anderen bitteschön den ersten Schritt machen … Allerdings wirst du erkennen: sobald du ein neues Denken, ein neues Handeln und eine neue Sicht an den Tag legst, offenbart dir die Welt – zumindest die Welt um dich – ebenfalls ganz neue Seiten. Probier es aus und nimm Teil an der Revolution der Selbstverantwortung. Ganz ehrlich: Was hast du zu verlieren?
2. Wut ist ein Geschenk.
Zugegeben, keine Weisheit, die man nicht unbedingt gleich mal mit Gandhi verbinden würde. Doch bei näherer Betrachtung passt sie ganz vortrefflich zu ihm. In seinem Buch „Wut ist ein Geschenk“ schreibt bereits erwähnter Gandhi-Enkel Arun, dass er oft mit seinem Großvater am Spinnrad gesessen und dessen Lebensgeschichten gelauscht habe. So soll dieser bei Gelegenheit seinem Enkel nicht nur erzählt haben, dass er nicht immer friedvoll gewesen wäre, sondern dass Wut durchaus ein Geschenk für uns alle wäre.
Sicher, Gandhi MUSS wütend gewesen sein. Wütend auf die Unterdrückung von Menschen. Wütend auf die ungerechte Behandlung seiner Mitmenschen. Interessant ist daran nur, wie Gandhi mit dieser Wut umging.
Wut ist – wie jedes Gefühl – eine Form von Energie. Mehr nicht. Weder positiv noch negativ. Sicher, wir tendieren dazu, unsere Gefühle ganz gern zu schubladisieren. Quasi Freude super, Traurigkeit überaus mies. Im Endeffekt sind Gefühle Wegweiser, „Aufmerksam-Macher*innen“ solange wir uns nicht von ihnen definieren und uns nicht zu sehr in sie hineinfallen lassen. Wenn du wütend gegenüber einem Zustand bist, was kannst du tun um – auf friedvolle und sinnvolle Art und Weise – Veränderung herbeizuführen? Wenn du traurig bist – was will dir die Traurigkeit zuraunen? Wenn du Liebe verspürst – was hat sie dir zu sagen?
3. Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du.
Diese Worte werden sehr oft Gandhi in den Mund gelegt. Allerdings stammen sie gar nicht von ihm, sondern von Nicholas Klein, einem US-Gewerkschaftler. Was man davon lernen kann?
Erstens: auch Gandhi hat sich inspirieren lassen.
Zweitens: es tut immer wieder gut zu überprüfen, woher etwas stammt und wer was gesagt hat.
Drittens (und das ist nun bezogen auf das Zitat): jeglicher Gegenwind im Leben kann auch zu Rückenwind werden. Bleib dran, halte durch.
4. Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Der Alltag vieler Menschen ist geprägt von Hektik: schnell noch das erledigen, schnell noch dieses abarbeiten, schnell noch jenes planen, schnell noch eine Nachricht tippen, schnell noch jemanden anrufen, schnell noch auf’s Klo gehen, schnell noch diese E-Mail verfassen … und dabei schnell im Kopf von einem Gedanken zum nächsten hüpfen – zu dem, was war, was ist, was sein sollte, sein könnte, sein wird oder nicht ist. Puuuuuh! Aber wo soll das hingehen? Und wie aus diesem Hamster-Rennrad aussteigen? Richtig: durchatmen. Einfach ab und zu – nicht nur auf der Yogamatte – tief durchatmen. Eine Minute lang in den Bauch atmen. Einfach ab und zu – nicht nur auf der Yogamatte. Wie wär’s mit jetzt? Nimm dir die Zeit und lies danach weiter.
5. Das Leben ist nichts als eine endlose Reihe von Experimenten.
Genauso wie wir Yoga üben, üben wir das Leben. Wir alle lernen. Lebenslang. Weißt du, wie viele Schritte Kleinkinder zurücklegen bis sie aufrecht gehen können? Und wie oft sie dabei hinfallen? Die Entwicklungspsychologin Karen Adolph von der New York Universität filmte mit ihrem Team im Rahmen einer Studie Hunderte von Menschen im Alter von elf und 14 Monaten und zählte dabei ihre Schritte, Strecken und Stürze. Die Resultate: im Schnitt kam jedes Kind pro Stunde auf 2.368 Schritte, eine Strecke von 700 Metern und fiel 17 Mal hin. Geht man davon aus, dass ein Kind etwa sechs Stunden lang wach ist, macht es also jeden Tag 14.000 Schritte und fällt dabei etwa 100 Mal hin. (Quelle: Karen Adolph et al (2012). How Do You Learn to Walk? Thousands of Steps and Dozens of Falls per Day, Psychological Science)
Erwachsene vergessen sehr oft, dass auch sie üben dürfen. Jegliches Tun wird gleich mal zum Synonym für „Können“ und dadurch werden viele Entwicklungsschritte begleitet von Ungeduld, Zeitdruck, Frustration und schließlich Fehlern. Vor allem dann, wenn Perfektionismus und hohe Erwartungen im Spiel sind. Mögen wir alle uns mehr trauen, zu experimentieren und auszuprobieren.
6. Der Ozean kennt keine völlige Ruhe, das gilt auch für den Ozean des Lebens.
Anders gesagt: die einzige Konstante ist die Veränderung. Vollkommene Stille und gänzlichen Stillstand gibt es niemals. Es gilt, sich beständig auf den Fluss des Lebens einzulassen, eine Tür zu schließen, auf dass eine andere aufgeht. Ein tröstlicher Gedanke, vor allem in Zeiten, die uns – gelinde gesagt – „herausfordern“. Keine Sorge, sie gehen vorbei. Und auch in Zeiten, in denen alles hervorragend wunderbar ist und in denen wir wie Hutschpferde von einem Ohr zum anderen grinsen, dürfen wir uns bewusst sein, dass auch sie vorbeigehen. Wohlan, darum gilt es, sie umso mehr zu genießen.
7. Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg.
Einer der größten Unruhestifter im Leben? Wenn wir glauben, dass die Wirklichkeit anders zu sein hat, als sie ist. Wie oft packen wir in unser Leben wenn-dann-Annahmen? Wenn dann mal Frieden auf der Welt ist, dann … Oder: wenn ich dann mal endlich abgenommen habe, dann … Wenn ich dann mal endlich meditieren kann, dann … Wir sehnen und nach Idealen und sind überall nur nicht hier, nur nicht jetzt, nur nicht zu-FRIEDEN. Wertvolle Gegenmittel? Ehrlichkeit. Akzeptanz. Annehmen, was ist. Achtung: hat nichts mit Passivität und Resignation zu tun!
Frage dich vielmehr: Was habe ich in der Hand und wo kann ich getrost loslassen, weil es nicht in meiner Macht liegt? Welchen Idealen jage ich nach, weil ich gelernt habe, dass ich ihnen nachjagen sollte? Welche Ziele will ich wirklich-wirklich erreichen?
Und frage dich vor allem auch: Wofür kann ich hier und heute dankbar sein? Was läuft gut? Was habe ich schon alles in meinem Leben geschafft?
8. Ich bin so froh, dass ich bin, wer ich bin, und ich hoffe, dir geht es ebenso.
Abschließend und fast ergänzend zum vorigen Zitat kommen wir zum letzten Punkt: Auch wenn du vielleicht, ab und zu, jetzt gerade oder morgen anderer Meinung bist: es ist gut, dass du bist, wer du bist. Genauso wie du bist, bist du gut, wichtig und richtig für diese Welt.
Mooooooment, es war doch die Rede von sieben Lektionen? Wie kommt es, dass hier jetzt eine 8. Lektion steht? Weißt du, die Sache ist die: selbst wenn Mahatma Gandhi voller Selbstdisziplin war, war er doch vor allem eins: ein Revolutionär und Revoluzzer. Glaubst du im Ernst, er hätte sich an eine simple Blog-Aufzählung gehalten?
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Mohandas_Karamchand_Gandhi
Buchtipp

SANFTMUT KANN DIE WELT ERSCHÜTTERN
von Arun Gandhi
150 inspirierende Weisheiten meines Großvaters Mahatma Gandhi
160 Seiten, Schutzumschlag mit Goldprägung gebunden mit Lesebändchen
mit einem Vorwort des Dalai Lama
DuMont Verlag, 2019
ISBN 978-3-8321-8396-7
Über das Buch: Der große Pazifist Mahatma Gandhi hat mit Sanftmut die Welt verändert. Arun Gandhi versammelt seine 150 wichtigsten Aphorismen zu Themen wie Frauen, Frieden, Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Moral oder Freiheit. Sie haben bis heute nichts an ihrer Brisanz und Aktualität eingebüßt. Begleitet wird der Band von Texten Arun Gandhis, in denen er sich an die Begegnungen mit seinem Großvater erinnert und von den Ereignissen erzählt, durch die Mahatma Gandhi zu seinen zeitlosen Einsichten gelangte. Dabei liegt Arun Gandhi besonders am Herzen, den bedingungslosen Aufruf seines Großvaters zum Frieden in die Welt zu tragen, gerade heute, angesichts der prekären Lage, in der sich unsere Welt befindet.
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