Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir ständig der Verführung ausgesetzt sind, uns mit anderen zu vergleichen. Vor allem Frauen unterliegen diesem Egospiel, das in den alten Schriften des Yoga als ein geistiges Gift betrachtet wird. In den Käpfen von Frauen kreisen viel zu oft Gedanken wie: Ist sie schöner? Hat sie mehr? Hat sie den besseren Mann, das bessere Haus oder sogar das bessere Kind? Als Mütter sind wir längst nicht mehr nur Mütter. Wir müssen Supermamis sein, die alles gut im Griff haben. Das Kind, den Mann, den Haushalt, den Job und dabei auch noch perfekt aussehen. Das ist das Bild, das uns von Medien und Werbung täglich suggeriert wird. Kein Wunder, dass Frau sich ständig unter Druck gesetzt fühlt, wenn sie sich nicht bewusst abgrenzt und ihren ganz individuellen Mamiweg findet. Lernt das Eigene wertzuschätzen anstatt das Fremde hochzupreisen.
Als Mami verfällt man gerne leicht und oft in den Vergleich mit anderen Mamis. Bei mir fing das schon nach der Geburt meines Sohnes an und zog sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche des täglichen Mama Daseins. Stillt sie? Oder nicht? Stillt sie besser oder weniger oder öfter? Hat sie das bessere Babyequipment? Die bessere Art und Weise mit ihrem Kind umzugehen? Ist sie geduldiger? Ihr Babybauch schneller weg? Geht sie öfter auf den Spielplatz? Ist sie immer so liebevoll? Kennt sie überhaupt die absoluten Down Momente des Mami Seins? Wie kann sie nur so toll aussehen, ihr Kind so gut im Griff haben und dabei auch noch über das ganze Gesicht lächeln? Wann findet sie Zeit zum Frisör zu gehen? Ihr Kind schläft schon durch?
Mit solchen Fragen befand ich mich sehr schnell in einer Abwärtsspirale auf dem besten Pfad zur absoluten Mama Depression. Und ich konnte nicht einmal mit jemandem darüber reden, denn wer redet in einer „perfekt nach außen scheinenden Gesellschaft“ schon darüber, dass du als Mami auch schlechte Tage hast, wo du am liebsten deine Koffer packen und dich ins Nirvana auflösen möchtest. Und doch wusste ich, tief im Inneren, das es vielen Frauen so geht. Und die wenigsten darüber reden.
Wenn wir nicht aufpassen übertragen sich alle diese Unsicherheiten und die Angst, die dahinter steckt, ganz schnell auf unsere Kinder. So werden sie zum Ausdruck von den Schatten, die wir uns bei uns selbst nicht ansehen wollen. Wieviele Mütter da draussen versuchen ihren Selbstwert über ihre Kinder aufzupäppeln? Oft hört man in den Gesprächen auf Spielplätzen und in Kindercafes folgende Sätze: Also, der Peter kann das schon. Und reden kann er auch schon und gehen sowieso schon seitdem er 10 Monate alt ist. Er ist so toll und so gescheit und er kann schon so viel. Manchmal antwortet die andere Mama mit einem noch längeren Monolog darüber, was ihr Kind noch besser, noch schneller, noch mehr kann. Manchmal verfällt sie einfach nur in sich, ihrem Selbstmitleid und fühlt sich noch schlechter als vorher. Denn der Vergleich bringt keine Heilung. Keinen Support. Kein Mitgefühl. Keine Selbstliebe.
In einer Leistungsgesellschaft, wo es um die Werte Schneller, Besser, Schöner und Immer mehr geht, stehen auch Mütter unter einem ständigen Leistungsdruck. Und da es in der Realität nicht die perfekte Hochglanzmami aus dem Magazin geben kann, die sechs Wochen nach der Geburt wieder einen flachen Waschbrettbauch hat und dabei auf High Heels mit ihren tausend Göttinnenarmen alles perfekt und glanzvoll im Griff hat, müssen wir als Mamis lernen uns selbst zu lieben und anzunehmen, genau so wie wir sind. Ohne Vergleich. Mit purer Selbstliebe. An den guten und nicht so guten Tagen. An den Tagen, wo wir glanzvoll sind, aber auch an den Tagen, wo es einfach nicht mehr geht. Weil wir ausgelaugt sind, müde, überfordert, traurig, genervt, beengt und einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen. Dort in diesem Zustand, gibt es keinen Vergleich. Dort sind wir einfach Mensch. Mamis. In guten und in schlechten Zeiten.
Irgendwie ist es mit den Mamis und den Babys wie in der Yogawelt. Auch dort flimmern sexy Yogagirls in Bikinis und bunten Leggings über Social Media Accounts und zeigen uns, was sie alles auf der Matte können. Heute geht es in der heiligen Yogawelt teilweise leider nur mehr um Leistung. Bessere. Schönere. Schnellere. Höhere. Und auch das setzt viele, die den Weg zum Yoga finden unter Druck. Doch damit verfehlen wir die Essenz des Yoga. Denn dieser Weg lehrt uns, ganz bei uns zu bleiben. In jedem Atemzug. In jeder Bewegung. Uns selbst genau so anzunehmen, wie wir sind. Genau in diesem Augenblick. Ohne etwas zu wollen. Kein Ziel zu verfolgen, sondern in den Weg einzutauchen, der das Ziel bestimmt. Uns täglich zu beobachten. In unserem Licht und unserem Schatten. Und uns anzunehmen in unserer Einzigartigkeit. Denn es ist nicht die Pose, die du kunstvoll auf der Matte vollbringst, sondern deine Gedanken und Gefühle, die du hast, während du sie machst. Der Frieden und das Verankert sein in deiner Atmung, während du durch deinen Körper reist und dich selbst erlebst.
Nach meinen letzten Jahren als Mami mit all diesen Selbstzweifeln in meinem Kopf und aus der Begegnung mit so vielen wunderschönen Frauen, die in die Falle des Vergleichs fallen und sich dadurch nur selbst nicht schätzen und unglücklich sind, liegt der Schlüssel zur Befreiung für mich in radikaler Selbstliebe. Irgendwann habe ich begonnen mich genauso anzunehmen, wie ich bin. Es war mir viel zu anstrengend dauernd die perfekte, glücklichste und schönste Mami zu spielen, die immer gut drauf ist und dabei auch noch super gestylt durch die Welt tanzt. Meistens gelang es mir sowieso nicht. Ich begann JA zu mir zu sagen. Ja zu den ausgeleierten T- shirts mit Flecken all over. Ja zu den müden Augen nach durchwachten Nächten. Ja zu meinen Gefühlen der Liebe und der Verzweiflung. Ja zu meinem Babybauch und ja zu meiner Cellulite. Ja zu meinen Wünschen und meinen Entscheidungen. Mit all ihren Konsequenzen. Ja zu meinem Kind. Genau so wie es ist. Ja zu mir. Genau so wie ich bin. Ja zu meinem Leben. Ja. Genau so wie es ist.
JA. Zu meiner Einzigartigkeit.