Was bringt es, Yoga in das Klassenzimmer zu bringen? Welche Auswirkungen zeigen sich bei den Kindern? Mag. Gerti Nausch hat für yoga.ZEIT hat mit Helga Wöhnhart, Lehrerin an der Praxisvolksschule der Pädagogischen Hochschule in Baden, über ihre Erfahrungen gesprochen.
yoga.ZEIT: Du unterrichtest seit 2004 an der Praxisvolksschule der Pädagogischen Hochschule in Baden. Seit wann praktizierst du selber Yoga?
Helga Wöhnhart: Ich habe aufgrund von Rücken- und Schulterschmerzen 2009 mit Yoga begonnen, und es tut mir einfach sehr gut. Darüber hinaus kann ich heute sowohl mit schwierigen Situationen innerhalb der Klasse als auch bei Herausforderungen, die manche Elterngespräche mit sich bringen, viel gelassener umgehen.
yoga.ZEIT: Seit wann bringst du Yogaelemente in deinen Unterricht ein? Und in welcher Form?
Helga Wöhnhart: 2010 hatte ich eine 4. Klasse, also 10- bis 11-Jährige. Ich machte mit ihnen Fantasiereisen und Asanas, vor allem Gleichgewichtsübungen, Drehübungen und Vorbeuger. Das sind Übungen, die ohne großen Aufwand im Klassenraum durchgeführt werden können. Im Schuljahr 2010/2011 übernahm ich eine Vorschulklasse mit 15 Kindern. Wir machen Stilleübungen und Fantasie- reisen, damit die Kinder zur inneren Ruhe finden. Bei den Gleichgewichtsübungen zeigt sich deutlich, wie schwierig es für die Kinder noch ist, in Balance zu kommen. Wichtig sind mir auch ganz einfache Atemübungen, damit auch die Kleinen sich selbst, ihren Körper, bereits bewusst spüren können. Auch einen Trommelworkshop habe ich organisiert – es war großartig, unsere Jüngsten dabei zu beobachten. Was mir ebenfalls ein Anliegen ist, sind Rituale. Und so bilden wir einen Morgenkreis, machen sanfte Spiele mit Berührungen, sodass die Kinder taktile Reize (Händedruck, Massage,… ) aussenden und annehmen können. Einigen Kindern fällt das schwer.
yoga.ZEIT: Wie oft integrierst du Yoga in deiner Klasse?
Helga Wöhnhart: Täglich! In der Früh den Morgenkreis, und im Laufe des Vormittags ist es dann situationsabhängig. Die Kinder zeigen es deutlich, wenn sie Yoga „brauchen“, wenn sie zur Ruhe kommen sollen. Es sind bei den Kleinen etwa 5–10 Minuten, die ich ganz dem Yoga widme.
yoga.ZEIT: Hat die Yogapraxis Einfluss auf deine Klasse? Im Hinblick auf körperliche, soziale Veränderung, Aufmerksamkeit und Konzentration?
Helga Wöhnhart: Einige Kinder können sich in der großen Gruppe nur schwer oder gar nicht auf die Übungen einlassen, d. h. bei Fantasiereisen können sich manche Kinder nicht entspannen, müssen herumkrabbeln, können nicht auf die Geschichte hören. Aber allgemein sind viele Kinder nach den Übungen sichtlich aufnahmebereiter.
yoga.ZEIT: Zeigen sich bei einzelnen Kindern auch spezielle Auswirkungen?
Helga Wöhnhart: Ja! Bei einem Buben zeigt sich deutlich eine Veränderung der Physiognomie, er hat nachher immer strahlende Gesichtszüge. Und bei einem zweiten Kind sehe ich auch eine Veränderung. Dieses Kind kann keine zehn Minuten auf seinem Platz sitzen, und nach den Yogaübungen gelingt es ihm doch auffallend häufig.
yoga.ZEIT: Würdest du sagen, dass Kinder mit Yoga gefördert werden können?
Helga Wöhnhart: Ja, das unterstreiche ich voll und ganz. Voraussetzung ist jedoch, dass sich der Klassenlehrer selber mit Yoga beschäftigt und sich darüber hinaus intergrundwissen für Kinderyoga als didaktisches Konzept aneignet. Im Unterricht wird Yoga bisher leider nur von einigen wenigen interessierten Pädagogen im täglichen Unterricht eingesetzt.
yoga.ZEIT: Du bist ja seit vielen Jahren auch Ausbildungslehrerin für angehende Pädagogen. Denkst du, es wäre hilfreich, Yoga für Kinder auch den Studenten oder in Lehrerfortbildungen näher zu bringen?
Helga Wöhnhart: Ja, ich würde eine Fortbildung in Kinder- yoga sowohl für unsere Studenten als auch für interessierte Kollegen absolut befürworten. Und es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, eine tägliche Yoga-Einheit als Standard in den Unterricht einfließen zu lassen.
yoga.ZEIT: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für dich und deine Schützlinge!
Über die Gastautorin:
Prof. Mag. Gerti Nausch lebt in Baden bei Wien.
Studium an der Universität Wien: Pädagogik in Kombination mit Sonder- und Heilpädagogik und Psychologie.
Sie unterrichtete von 1976 bis 2009 an der Praxisschule der Pädagogischen Hochschule. Dabei ließ sie ab Mitte der 80er-Jahre Entspannungstechniken und Yogaelemente in ihren Unterricht und in ihre Seminare einfließen.
Die Autorin praktiziert Yoga seit 1972, leitet Yogakurse, Yogalehrerausbildungen und Yoga-Workshops für Pädagogen. Seit 2005 leitet sie in ihrer selbstständigen Praxis Coachings und Systemische Aufstellungen in Einzelsitzungen.
Wissenschaftliche Forschungsarbeit: Die Wirkungsrelevanz von Entspannungstechniken in stressinduzierten Situationen (2002)
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