Du bist Yogalehrerin? Oder in Ausbildung dazu? Dann legen wir dir “Om, Oida!2 – Yoga lehren ohne Maskerade“ äußerst ans Herz! Autorin und Yogalehrerin Eva Karel hat damit eine Art Souffleuse in Buchform verfasst, die Yogalehrer:innen auf ihrem Weg begleitet und Inhalte vermittelt, die in so mancher Yoga Ausbildung zu kurz kommen. Und das ist einer Yoga-Sprache, die frisch, prickelnd, humorvoll und einfach nur erfrischend ist.
Lena Raubaum sprach für yoga.ZEIT mit Eva Karel nicht nur über ihr Buch. Sondern auch darüber was für sie authentische Yogalehrende ausmacht, was sie gerne in ihren Yogalehrerausbildungen gelernt hätte und was sie sich als Yogalehrerin wünscht …
„Om, Oida!2 – Yoga lehren ohne Maskerade“ entstand als Fortsetzung zu deinem ersten Buch „Om, Oida – Yoga ohne Maskerade“. Wie kam es dazu? Was hat dir dafür einen Stupser gegeben?
Mein erstes Buch Om, Oida! Yoga ohne Maskerade hat für mich eine veritable Geröllhalde an Steinen ins Rollen gebracht. Zum Beispiel wusste ich dadurch praktischerweise erstmals, was ich eigentlich meine, denn beim Schreiben denkst du ja Vieles wirklich bis zum Ende durch. Zum anderen hat es sich wahnsinnig gut verkauft und statt eines Shitstorms wurde ich mit tirilierendem Feedback geflutet. Das ist schon ein recht hilfreicher Rückenwind. Außerdem kommen – weil ich mich getraut hab, meine Wahrheit zu deponieren – jene Yogaschäfchen zu mir, die einfach gut passen. Wer sich jetzt unter meine Fittiche begibt, weiß, was ihm oder ihr blüht. You have been warned! ?
Ich glaube, ich schreibe immer Bücher, die ich selbst brauche. In Buch 1 habe ich mich als Yogapraktizierende sortiert, in Buch 2 dann als Lehrende, weil es da ja auch so viel nachzudenken gibt! Aus Om, Oida 1 hat sich meine erste Gruppe formiert, die ich innerhalb eines Jahres zu Yogalehrenden ausgebildet habe. Sie bestand aus Leuten, die bereits 3 – 15 Jahre Unterricht bei mir intus hatten. Während des Ausbildungsjahres hab ich dann die ersten Kapitel mitgeschrieben und voilà: Om, Oida 2 hat das Licht der Welt erblickt.
Wie bist du es angegangen, dieses Buch zu schreiben? Welche Stolpersteine, Wegweiser und „Erleuchtungsmomente“ gab es da? Und inwiefern hat die Corona-Zeit die Buchinhalte geprägt?
Ich bin ja eine Nebenherschreiberin und das einerseits notgedrungen, weil ich drei Jobs, zwei Kinder und einen Hund habe. Andererseits habe ich das Gefühl, gerade deswegen viele Projekte umsetzen zu können, die mir am Herzen liegen. Habe ich zu viel Zeit, verlange ich mir Perfektion ab, prokrastiniere und gehe grauslich mit mir ins Gericht. Sage ich mir: „Schatzi, die besten Ideen purzeln bekanntlich daher, wenn du dich deppert stellst und vermeintlich nichtsahnend in der Bolognesesoße rührst.“ – Dann ist das tatsächlich so. Ich habe deshalb einen Post-it-Block auf meinem Kühlschrank picken, inklusive fix montiertem Kuli. Fällt mir beim Gemüseschnippeln oder Soßerühren eine lustige Formulierung ein, werfe ich alles von mir und kritzle sie auf den Block. Kommt am Schafberg, während ich meinem Hund ein Steckerl schmeiß, die Muse zu Besuch, kannst du dir sicher sein, dass in einer meiner Hosentaschen ein Zettel wartet, um Ideen in Empfang zu nehmen.
Und während all das recht idyllisch daherkommt, so wäre es auch zutiefst unkollegial, so zu tun, als ginge es immer leicht. Das Kommen-Lassen ist eine Seite – und fix eine wichtige. Zusätzlich gibt es die Phase, wo ich mich mit freundlich-becircender No-Nonsens-Attitüde hinsetze, all die abgeernteten Notizzettel schnappe und mir verkünde, dass wir jetzt ein verflixtes Kapitel schreiben, ohne Pity-Party zu feiern, ohne Facebook zu checken, auch das Kloputzen muss warten und telefoniert wird schon überhaupt nicht. Genau das tue ich dann auch. Kreativ produktiv zu sein bedeutet immer auch, dem Widerstand, der ja nur innerlich da ist, tatsächlich aber eine naturgewaltige Begleiterscheinung das Schöpfungsprozesses ist, wacker die Stirn zu bieten.
Ich habe also eineinhalb Jahre eine fulminante Zettelwirtschaft veranstaltet, zwischendurch abgetippt, dann wieder wochenlang gar nichts gemacht. Weil manchmal müssen die Ideen ja ruhen, als würd ein Germteig gemütlich aufgehen. Manchmal musst du einfach jeglichen Willen, jedes Bemühen rausnehmen und warten. Auf einmal gehen dann wieder die Schleusen auf und Texte rutschen kapitelweise aus meinen Fingern. Corona hat sich wenig ausgewirkt, ich führe ohnehin ein vergleichsweise unstetes Leben und 1/3 der Zeit sind meine Kinder beim Papa – dann schreibe ich oft.

Apropos Schreiben: nach so gut wie jedem Kapitel im Buch präsentierst du eine Schreibübung zum Weitertüfteln – was hat es damit auf sich?
Nun, ich bin eine Vielschreiberin in dem Sinne, dass ich Schreiben als Nachdenktool für mein Leben nütze. Ich lehre seit bald zehn Jahren an der Uni Wien. Was recht hochgestochen klingen mag, bedeutet tatsächlich, dass ich die Studierenden oft zu reflexiven Schreibübungen anstifte, während derer sie schreibend zu Quintessenzen ihrer Vorhaben vordringen: Wohin gravitiert meine Neugier? Worum geht es bei diesem Forschungsvorhaben wirklich? Worauf will ich mit diesem Kapitel hinaus?
Ich selber beginne meine Tage oft mit nachdenkendem, ganz niederschwelligem Schreiben. Geistiges Zähneputzen nennt Julia Cameron das. Ich konzipiere meine Seminare und Workshops schreibenderweise, ich betreibe schreibende Nabelschau, wenn etwas nicht rund rennt. Well. Om, Oida 2 war so gut wie fertig, da kam mir zwei Wochen vor Manuskriptabgabe die Idee: Heast! Schreibübungen!
Immerhin ist es eine gute Idee, Dinge zu empfehlen, die man selbst tatsächlich anwendet.
Ich bin ja der tiefsten Überzeugung, dass ein ganzes Sammelsurium an Typen von Yogalehrenden zu befürworten ist – insbesondere auch von der unorthodoxen Sorte. Ich weiß, wie sehr wir Yogalehrenden zuweilen an allzu hohen Ansprüchen an uns selbst „scheitern“ und dann eventuell zu abgedroschenen Eso-Floskeln neigen. Die Schreibübungen möchten dazu becircen, sich selbst auf die Schliche zu kommen, damit wir authentische Leitkühe für unsere Yogaschäfchen werden können. Also tun wir gut daran, herauszufinden, wer wir sind und wer wir in unserer Rolle als Yogalehrende:r sein möchten. Schüler:innen suchen ganz Unterschiedliches. Findet eure Herde.
Du nimmst dich in deinem Buch der vortrefflichen Seiten des modernen Yogalehrer:innen -Daseins an. Gleichzeitig schreckst du jedoch keineswegs davor zurück, auch die „hatscherten“ und hinkenden Seiten dieses Berufs anzusprechen und plädierst „für Humor, Strategie und eine gehörige Prise Authentizität“. Wann ist jemand als Yogalehrer:in für dich authentisch? Und was macht einen guten Yogalehrenden für dich aus?
Spontan möchte ich sagen: Gepriesen seien Paradox und Ambivalenz. Denn Authentizität gibt es per se ja nicht, aber so etwas wie eine spontane Echtheit sehr wohl. Es ist mir so grundsympathisch, wenn jemand mit Wissen, aber auch schelmischen Grinsen daherkommt und sich selbst nicht so ernst nimmt. Das mündet jedoch in einem Paradox, weil ich auch ein resches Leitkuh-Verhalten an Yogalehrenden zutiefst schätze: Da werde ich mitgerissen, ich probiere Neues, gehe (konstruktiv!) über manche Grenzen – prachtvoll. Es ist beides: Führen und Demut. Ganz wichtig möchte ich sagen, dass sich gute Yogalehrende als Menschen bewähren. Ich hab recht wenig Geduld für salbungsvolle Predigten auf der Matte von körperlich womöglich übergriffigen Gfrastern. Oh, und Anatomiekenntnisse finde ich auch wichtig, wir wollen uns ja nicht versehentlich sämtliche Bandscheiben toasterartig rausschießen lassen oder unsere Knie beleidigen.

Welche ist eine deiner Lieblingsstellen in deinem Buch und warum?
Mir bereiten die kecken Passagen meist die diebischste Freude. Wenn ich zum Beispiel über die häufig grantigen Gesichtsausdrücke der Yogaschäfchen schreibe und sage, sie schauen drein, als planten sie das nächste Kettensägenmasakker, aber das bräuchten wir Yogalehrendenden nicht persönlich nehmen, dann hau ich mich selber schon sehr ab über meinen Einfall. Außerdem verwende ich bewusst viele Austriazismen, weil Dialekt so einen Charme auf mich hat. Ich habe dann ein Glossar verfasst, damit das Buch trotzdem weitläufig verstanden werden kann.
Richtig gern mag ich auch eine Passage, in der ich erzähle, warum wir unseren Körpern gut zuhören sollen und dass die schon ihre Gründe haben, in ihrem eigenen Tempo im eigenen Maß aufzumachen:
Stell dir vor, dein Kind schläft bummfest. Es ist Sonntagvormittag, kein Stress, aber irgendwie möchtest du langsam loslegen. Du kraxelst die Stockbettleiter hinauf, schnupperst genüsslich am Kinderhaarschopf und schaust, ob du damit auf Gegenliebe stößt. Eventuell schnappst du dir einen Kinderfuß, hältst ihn an dein Ohr, als würdest du telefonieren und zwitscherst: „Schönen guten Morgen, Mäuslein! Wie schaut’s aus? Aufstehen gefällig?“ Wenn die Antwort: „Sie sind verbunden mit der Sprachbox!“ aus den Pölstern tönt, trittst du grinsend den Rückzug an. Wenn sich zwei Ärmchen um deinen Hals schlingen, machst du weiter.
Genau nach diesem Strickmuster üben wir, mit uns selbst umzugehen. Ohne Drill, ohne vorgefertigtes Konzept, ohne die Annahme, alles müsste von jetzt auf gleich passieren. Wir haben Zeit und unsere Körper sind keine Trottel, sondern prachtvolle Sensorien auf die wir uns verlassen können. (S. 100f)
Wie kam es eigentlich, dass du den Weg einer Yogalehrenden eingeschlagen hast? Was hättest du – im Nachhinein betrachtet – gerne schon in deiner Ausbildung gelernt?
Es ist mir richtig hundsmiserabel gegangen. Psychisch, nämlich. Mich mit 180 Sachen auf meinen Yogaweg zu begeben war so etwas wie eine Flucht nach vorn, raus aus einem sehr selbstzerstörerischen Habitus. Sehr gern hätte ich während meiner Ausbildung hin und wieder den Hinweis bekommen, dass mein Körper kein ausgekochter Trottel ist, den ich gefügig machen muss oder dem ich mittels rigorosen Trainings die Faxen austreiben soll. So wurde das nämlich in der Iyengar-orientierten Ausbildung kommuniziert. Ich finde es so wichtig, zu vermitteln, wie unterschiedlich Menschen und ihre Körper sind. DER richtige Weg der Yogapraxis existiert nicht und es ist ein ewiges Nachjustieren, Herumtüfteln und Entwurschteln.
Was würdest du sagen: welche Lehrerinnen und Lehrer, welche Menschen haben deinen Yogaweg besonders geprägt – aus dem Yogabereich, aber auch aus anderen Gefilden?
Nicky Knoff war prägend, denn bei ihr habe ich vor vielen Jahren in Queensland meine Iyengar-basierte Ausbildung absolviert. Paddy McGrath hat mir Vanda Scaravellis und Angela Farmers weitaus femininere, freiere Zugänge kredenzt und dadurch Welten eröffnet (mein ewiger Dank verfolge sie!). Schreibende wie Anne Lamott und Steven Pressfield haben mir viele Tools zum Umgang mit meinem So-Sein geschaffen. Dani Strobl, der ich mein Buch auch gewidmet habe, ist seit unzähligen Jahren eine meiner engsten Vertrauten. Unsere endlosen Gespräche haben maßgeblich prägend auf mich eingewirkt.
Zum Abschluss möchte ich nochmal auf deine Schreibimpulse zurückkommen. Einer deiner ersten Schreibimpulse beginnt nämlich mit der Frage: „Was wünschst du dir als Yogalehrende“? Wie lautet DEINE Antwort auf diese Frage hier und heute?
Ich wünsch mir glühende Ohrwascheln und zuweilen schelmisch grinsende Gesichter. Außerdem wünsche ich mir Körper in aller Bandbreite und Freude am Tun, niemals am Gleichmachen. Und: ich wünsch mir verschmitzten Charme statt leblosem Gehabe, Verletzlichkeit und Humor. Zack.

Om, Oida!2 – Yoga lehren ohne Maskerade
von Eva Karel
erschienen im Verlag punkt.genau
ISBN 978-3-9504855-6-1
Wien, 2020
Dieses Buch fungiert als Souffleuse, wenn hinter der Kulisse Fragezeichen oder Überforderung grassieren. Immerhin sind Yogalehrende keineswegs vor menschlichen Abgründen gefeit.
Was wirklich hilft: Humor, Strategie und eine gehörige Prise Authentizität. Reden wir ausgiebig über die Kunst des Improvisierens, denn glücklicherweise brauchen wir keinen Masterplan: Es ist das Hineinentspannen in unsere Menschlichkeit, das alles besser macht. Statt Schablonen zu empfehlen, wird hier zu eigenständigem, humorvollem Tüfteln angestiftet.
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Mehr über Eva Karel
Eva Karel wollte einmal unbedingt buddhistische Nonne werden, nahm jedoch bald angesichts der strengen Sitzmeditation Reißaus. Stattdessen ließ sie sich vor bald 20 Jahren zur Yogalehrerin ausbilden und kehrte schließlich nach Wien zurück. Nachdem sie sich einige Jahre mit verbissenen Selbstverwirklichungsambitionen herumgeplagt hatte, dämmerte ihr langsam, wie Yoga praktiziert werden könnte, ohne sich vor lauter Dogmen den Zahnschmelz wegzuknirschen. Es geht doch tatsächlich auch mit Humor, improvisiert und menschlich.
Heute treibt sie als Mitglied des Künstlerinnenkollektivs „Neigungsgruppe Schabernack“ im Atelier Brutstätte ihr Unwesen. Wenn sie nicht gerade an der Uni unterrichtet oder sich Orakel einfallen lässt, schreibt sie Bücher und Artikel (z.B. „Om, Oida! Yoga ohne Maskerade“, Blog: evakarel.at). Ansonsten zieht sie zwei Kinder groß, führt den Hund spazieren, hält Yogakurse und pinselt Menschen auf Leinwand. Ursprünglich stammt sie aus Waidhofen/Ybbs in der niederösterreichischen Pampa.
Fotocredits: Karin Hackl | karinhacklphotos.com
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