Mama kopfüber oder Muttergöttin im Handstand
Und plötzlich war ich Mama. Eigentlich sollte es das Jahr werden, in dem ich endlich in Adho Mukha Vrkasana mein Herz über meinen Kopf heben wollte. Viel zu lange schon war der Handstand die größte Herausforderung in meiner Yogapraxis. Irgendwie hatte ich Angst in diese Asana zu gehen, die Welt kopfüber zu betrachten, meine Komfortzonen zu überschreiten. Ich hatte Angst davor zu fallen, nicht genug Kraft zu haben, um mich selbst zu halten. Und vielleicht hatte ich einfach Angst davor, wirklich-wirklich in meine Kriegerinnenkraft zu gehen. Denn das ist es doch, was der Yoga uns lehrt: immer wieder aus unseren gedachten Grenzen auszubrechen, weiterzugehen, uns zu erweitern und zu befreien, damit wir ganz sein können. In diesem Jahr wollte ich genau das!
Und dann kam alles anders und die Lehren des Yoga verließen meine Matte und wurden zu den täglichen Realitäten meines Lebens. All das, was ich mir von mir selbst als Handstandakrobatin wünschte, traf mich mitten im Leben – in meiner neuen Rolle als Mama. Einer Rolle, die ich weder kannte, noch wusste, wie ich sie spielen sollte. Denn jedes Mal, wenn ich versuchte mir Konzepte darüber zurechtzulegen, was Mamas laut all der Millionen Fachbücher, die es da draußen gibt (und von denen ich in meiner anfänglichen verzweifelten Suche nach Antworten die Hälfte sicher gelesen hatte) tun sollten, scheiterte ich. Es gab und gibt für das Mama-Sein keine Anleitung. Kein Kochrezept, nach dem man vorgehen konnte, um in einem perfekten Handstand anzukommen und die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und doch war ich gezwungen, mein Leben kopfüber zu drehen und vollkommen neue und für mich sehr fremde Perspektiven einzunehmen.
Diese Kolumne, die in Zukunft am letzten Tag des Monats auf www.yogazeit.at erscheint, beschreibt meine tägliche Reise durch das Mama-Sein mit all ihren Höhen und Tiefen, Bergen und Tälern, Sternstunden und Verzweiflungsmomenten. Ich berichte hier über schöne und nicht so schöne Momente, über die innigsten Erfahrungen der Liebe und jene Augenblicke, in denen ich so verzweifelt war, dass ich am liebsten meine Koffer packen und für immer verschwinden wollte. Ich werde über vieles schreiben, was Mutterherzen bewegt, aber auch über das, was mich als Frau und Yogini ausmacht und wie ich die alten Lehren des Yoga in mein Leben als Mutter integriere.
Denn Handstand übe ich übrigens immer noch. Sowohl auf der Matte, als auch im Leben. Ich habe zwar noch keine einzige Asana-Anleitung für den Umgang mit meinem Sohn gefunden, doch vieles konnte ich mir doch von meiner Yogapraxis abschauen: Finde immer wieder die Erde. Atme tief ein und aus. Überwinde deine Angst. Bleibe im Fluss. Versuche es. Sei mutig. Und, wenn du doch fällst, steh wieder auf, bringe die Hände vor dein Herz und gehe weiter. Ich wünsche dir, ja genau dir – ob Mama oder nicht Mama – eine berührende und erkenntnisreiche Reise durch meine Kolumne, denn sie ist ein Ode an jede von uns. Und vor allem an das urweibliche Prinzip von Shakti, der Muttergöttin als nährende und Leben schenkende Kraft in unserem Leben und in dem Leben von anderen. Denn das ist es doch, was Mütter und Frauen in ihrer Essenz sind: lebensschenkende und täglich gebende Göttinnen. Egal ob sie dabei glücklich, wütend, traurig, weinend, lachend, mit Breiflecken auf ihrer Kleidung, zerzausten Haaren, Ja- sagend, Nein –sagend, arbeitend oder nicht arbeitend durch Leben gehen.
Fotocredits: Nives Gobo
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