Coronavirus und COVID 19 prägen derzeit die Welt. Vorsichtsmaßnahmen scheinen berechtigt, täglich lernen wir mehr dazu und doch stehen über dem Coronavirus noch viele, viele Fragezeichen. Was auf den ersten Blick verunsichert, ist Chance: Wie Information, Instinkt und Intuition das Immunsystem stärken.
Ein Gastartikel von Dr. med. Christian Larsen
Das Corona Virus und die damit einhergehenden Maßnahmen rücken den Stellenwert der persönlichen Gesundheit und gleichzeitig deren Verletzlichkeit abrupt in den Fokus. Plötzlich ist da eine Krankheit, für die es weder Impfung noch Medikamente noch sonst eine ursächliche Behandlung gibt. Das konfrontiert. Das verstört. Im Fall eines Falles ist man auf sich selbst gestellt – auf das eigene Immunsystem. Angst und Panik sind KEINE guten Ratgeber, sie schwächen das Immunsystem. Der naive Glaube an die eigene Unversehrbarkeit ist ebenso wenig empfehlenswert. Angesagt ist ein kluger Mix von Vertrauen, Vorsicht und richtigem Verhalten.
Information | Erkältung – Grippe – Corona
Während der letzten Wochen werde ich als Arzt täglich mit Fragen konfrontiert wie: «Ich habe Schmerzen hinter den Augen – ist dies der Corona Virus?» Oder: «Ich habe Husten, fühle mich sonst aber gut, kann dies der Corona Virus sein?” Eine typische Erkältung ist gekennzeichnet durch Kälteempfindlichkeit (daher der Begriff Erkältung), Schnupfen, Husten – dies bei geringem Krankheitsgefühl und meist ohne Fieber. Die typische Grippe beginnt plötzlich mit starkem Krankheitsgefühl und Fieber. Leider hält sich das Coronavirus nicht an diese idealtypische Unterscheidung. Mit anderen Worten: Das Coronavirus kommt mal wie eine Erkältung daher, mal wie eine Grippe. Dieser Punkt ist wichtig, denn: Trotz geringer Symptome beim Betroffenen besteht hohe Ansteckungsgefahr für andere vor allem ältere und immungeschwächte Personen.
Instinkt | Tsunami – Schwangerschaft – Corona
Unmittelbar vor der Tsunami Katastrophe 2003 in Thailand sind Tourist*innen scharenweise ins verschwundene Meer gepilgert, um Fische und Seesterne auf dem trockengelegten Meeresboden einzusammeln. Die meisten von ihnen sind nie mehr zurückgekommen. Wild- und Haustiere hingegen sind instinktiv in die entgegengesetzte Richtung geflüchtet, in Richtung Berge. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Auch der Mensch hat einen solchen angeborenen Instinkt, nur ist er – wie gesagt – oft verschüttet.
Es ist wie bei einer Schwangerschaft: Manche Frauen spüren sofort, dass sie schwanger sind, andere erst, nachdem der Test positiv ist.

Die Corona Ansteckungsphase beginnt zwei Tage vor Symptombeginn, dauert mindestens zehn Tage und zwei Tage über die vollständige Genesung hinaus. Mit anderen Worten: 48 Stunden vor Krankheitsausbruch haben sich die Viren im Nasen-Rachenraum eingenistet und bereits massiv vermehrt, das eigene Immunsystem läuft bereits auf Hochtouren, der Betroffene ist hochansteckend für andere – bekommt aber selber von alledem nichts bis wenig mit. Wirklich nicht?
Ich bin überzeugt, jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, die subtilen Frühsymptome 48 Stunden vor dem Coronavirus Krankheitsausbruch zu erspüren. Jeder Virenkontakt löst sofort starke immunologische Reaktionen aus. In der klinischen Medizin gibt es dafür einen eigenständigen Begriff, die Vorläufer-Symptome: Subtile und unspezifische Beeinträchtigung von Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit, Schlafqualität und Stimmungslage. Wer solche subtilen Veränderungen frühzeitig wahrnimmt und richtig einordnet, kann sein Verhalten entsprechend frühzeitig anpassen. Selbsthilfe und Schutz der anderen beginnen vor dem Ausbruch der Krankheit! Bezüglich der Wahrnehmung dieser Frühsymptome gibt es beim Corona Virus zwei Besonderheiten:
- Die Leistungsgesellschaft hat während der letzten Jahrzehnte die Mehrheit der Menschen dazu gebracht, solche unspezifischen Vorläufer-Symptome zu ignorieren und einfach wegzustecken. Es gehört zum guten Ton, trotzt leichter Krankheitszeichen zur Arbeit oder auf eine Party zu gehen. Damit ist jetzt – zumindest für den Moment – Schluss.
- Bei SARS und Schweinegrippe drangen die Viren rasch und direkt in die Lunge vor, um sich dort zu vermehren. Weil die Lunge ein immunologisch extrem wachsames und aktives Gewebe ist, führte dies umgehend zu einem starken Krankheitsgefühl, was die Früherkennung und damit die Eindämmung begünstigte. Die Corona Viren hingegen vermehren sich zunächst unbemerkt im Nasen-Rachenraum. Die Krankheit geht erst nach 5-7 Tagen los. Nach weiteren 7 Tagen zeigen sich Lungensymptome. Deshalb dauert die Quarantäne 14 Tage.
Intuition | Herz und Hirn

Intuition ist die Kombination von Wissen und Instinkt. Sie verbindet praktisch-pragmatisches Erfahrungswissen mit Instinktsicherheit. Evolutionsbiologisch ist der Mensch darauf programmiert, komplexe Situationen blitzschnell zu erfassen und intuitiv die beste Möglichkeit zu wählen. Wenn vor 100’000 Jahren ein Sapiens auf einer Waldlichtung plötzlich auf eine Gruppen von fremden Gestalten traf, hatte er keine Zeit, die Situation zu analysieren. Er musste intuitiv entscheiden und sofort handeln. Die moderne Intuitionsforschung weiß, wie hochentwickelt die Intuition beim Menschen sein kann.
Nachfolgend zwei einfache Übungen, die den Zugang zu Körperintelligenz und Intuition ebnen. Die erste Übung mehr diagnostischer Natur (Selbstwahrnehmung), die zweite Übung mehr therapeutischer Natur (Selbsthilfe). Beides zusammen dient der Stärkung des Immunsystems (Selbstführung).
Übung 1 | Dem Immunsystem den Puls fühlen
Der morgendliche Ruhepuls ist ein verlässliches Frühwarnsystem. Im Bett liegend – vor dem Aufstehen – mit den Fingern am Handgelenk, mittels Pulsuhr oder Blutdruck-messgerät – den eigenen Puls messen und aufschreiben. Der morgendliche Ruhepuls ist individuell verschieden – irgendwo zwischen 40-65 Pulsschlägen pro Minute. Bei mir sind es 52 Pulsschläge pro Minute. Solange der Mensch gesund ist, ist dieser Wert ziemlich konstant. In meinem Fall bedeutet Morgenpuls zwischen 48-56/min: Alles im grünen Bereich. Wenn ich nun plötzlich mit einem morgendlichen Ruhepuls von 66/min aufwache, weiss ich, mein System ist belastet: Ein sich anbahnender Infekt? Nachbeben eines Albtraumes? Schlecht geschlafen? Ein besonders stressiger Tag vor mir? Der Ruhepuls am Morgen zeigt es treffsicher an.

Der Anstieg des Ruhepulses ist ein sehr sensitives aber unspezifisches Frühwarnsignal. Ist der morgendliche Ruhepuls erhöht, heißt es in den Körper hineinhorchen und hineinfühlen: Sie haben zwar lange genug geschlafen, fühlen sich aber trotzdem gerädert? Oder Sie verspüren ein Kratzten im Hals? Oder ein undefinierbares Unwohlsein?
Beim Vorliegen solcher unspezifischen Vorläufer-Symptome fällt die Entscheidung: Der Kopf spult zuverlässig das bevorstehende Tagesprogramm ab: «Das wird schon nicht so schlimm sein, ich fühl mich sonst ja gesund»; «Ich muss mich um die Kinder kümmern… und dann arbeiten»; «Bis zum Abend muss ich wieder fit sein, weil ich das und das noch schaffen muss ….»
Genau in diesem Moment gilt es, der Intuition eine Chance geben! Aber aufgepasst: Die Stimme der Intuition ist leise. Bitte das Gehirn auf Empfang stellen und in sich hineinhorchen. Im Kern gibt es zwei Alternativen: Aufstehen und den Tag bei den Hörnern packen! Oder: Zu Hause bleiben, Kontakte meiden (Selbstisolation) und schauen wie sich die persönliche Gesundheit weiterentwickeln? Wer sich selbst gut spürt, weiss – oder ahnt zumindest – ob und wie stark das Immunsystem gefordert ist.
Der Vagusnerv | Rückgrat des Immunsystems

Der «Vagusnerv» ein dicker, fetter Einzelnerv. Er zieht vom Hirnstamm durch ein großes Loch an der Schädelbasis in der Tiefe des Halses nach unten. Seine feinverzweigten Nervenäste entsprechen einer auf dem Kopf stehenden «Baumkrone», die auf diesem Weg praktisch jedes Organ im menschlichen Körper erreicht. Egal ob Herz, Lunge, Auge, Ohr, Speicheldrüse, Darm, Niere, Blase, Geschlechtsorgane. Der Vagus Nerv kommt überall hin und ist überall federführend mit dabei. Er ist der Grossmeister der Entspannung, der Entschleunigung und der Regeneration. Durch mentale Achtsamkeit und Atemübungen kann der Vagus Nerv gezielt aktiviert werden.

So sieht ein gesunder und erholsamer Schlaf aus: Rot bedeutet, der Sympathikus ist aktiv (gleich Energieverbrauch), grün bedeutet, der Vagusnerv ist aktiv (gleich Regeneration). Das Stressprofil zeigt eine junge Frau, die kurz nach Mitternacht ins Bett geht. Prompt wird der Vagusnerv aktiv und bringt die regenerativen Kräfte im Körper so richtig «auf Touren».
Die Schlafstörung (längerer roter Bereich um 5 Uhr) ist durch das Heimkommen des Ehepartners bedingt. Kein Problem, wenn Sie danach gleich wieder ein- und weiterschlafen.

Die gleiche junge Frau einen Tag später: Der Abend war aufwühlend, sie geht um 2 Uhr ins Bett und schläft von 2 Uhr bis 9 Uhr morgens. Während der gesamten sieben Stunden «Schlaf», bleibt der Sympathikus unterschwellig aktiv. Der regenerierende Vagusnerv kommt gar nicht zum Zug, der Schlaf ist nicht erholsam, das Immunsystem ist geschwächt.

Die unterschiedliche Regenerationskraft zwischen der ersten (links) und der zweiten Nacht (rechts) kann mittels moderner 72- Stunden Stressdiagnostik eindrücklich dokumentiert werden. In der ersten Nacht tipp topp, in der zweiten Nacht faktisch Null.

Die gleiche junge Frau hat gelernt, sich in der Mittagspause zu entspannen. Egal ob Powernap oder Tiefenentspannung – grüne Inseln im stressigen Alltag sind lernbar und für das Immunsystem (über-) lebenswichtig.
Übung 2 | So stärken Sie Ihren Vagusnerv
Hier eine Einsteigerübung zur Stärkung des Vagusnervs – ideal vor dem Einschlafen oder für Zwischendurch: Sie finden für zehn Minuten einen ruhigen und ungestörten Ort. Bei Bedarf Augenbinde und Kopfhörer.
Mit der linken Hand fühlen Sie sich den Puls am rechten Handgelenk. Jetzt synchronisieren Sie bitte Atemrhythmus und Herzrhythmus: Einatmen auf fünf Pulsschläge, Ausatmen auf fünf Plusschläge, einatmen, ausatmen…Typischerweise kommen der Körper und der Geist so zur Ruhe. Sie finden einen Moment der inneren Stille. Keine Bewegung, keine Gedanken – außer Herzschlag und Atem. Mit etwas Übung lassen sich körperliche Entspannung und innere Gelassenheit in den Alltag übertragen. Ihr Immunsystem wird es Ihnen danken und zu Hochleistungen auflaufen, wenn Sie es brauchen
Fazit:
- Wer sein Immunsystem pflegt und trainiert, hat im Bedarfsfall – egal ob dieser den Namen Influenza, Corona, Sars-Modi oder sonst was trägt – die besseren Karten. Im ausreichend langen und erholsamen Schlaf stecken die mächtigsten Regenerationskräfte der Natur.
- Wer im Krankheitsfall frühzeitig zuhause bleibt, kann so andere vor der Ansteckung schützen und sich selbst frühzeitig und optimal gesund pflegen. Genauso wie man Kinder ins Bett steckt, Tee trinken lässt und wartet bis sie wieder gesund werden, genauso verfahren Sie bitte mit sich selbst. Viele Komplikationen viraler Infekte entstehen durch Missachtung der ersten Symptome und Verschleppung des weiteren Krankheitsverlaufs.
- Jede Infektionskrankheit ist eine Chance für das Immunsystem, nach der Krankheit fitter zu sein als davor. Das bedingt aber, dem Körper die Möglichkeit zu geben, die Krankheit richtig auszukurieren.
Bleiben Sie gesund!
Dr. med. Christian Larsen & Team
Zum Weiterlesen von Dr. med. Christian Larsen: Corona Virus – hier, dort, überall?
Dr. med. Christian Christian Larsen studierte Medizin in Basel und ist Leiter des Spiraldynamik® Med Center Zürich. Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Forschungs- und Spezialgebiet: Anatomie / Biomechanik aus Sicht der Evolutionsgeschichte; Nicht-operative Orthopädie. Die Begegnung mit der französischen Physiotherapeutin Yolande Deswarte legte den Grundstein zur Spiraldynamik®.
Auf ausgedehnten Studienreisen in Alaska, Tibet, Japan, China, in der Sahara und anderen Ländern erforschte er die Heilmethoden anderer Kulturen. Christian Larsen ist verheiratet und Vater von erwachsenen Zwillingstöchtern.
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