Guru. Ein Wort, um das sich viele Deutungen, Interpretationen und Meinungen ranken. Aber was heißt “Guru” eigentlich? Was genau ist damit gemeint? Darüber und mehr schreibt hier Yogalehrerin Birgit Pöltl.
Guru. Wie viel Magie und Verführung, Hingabe und Zweifel, Hoffnung und Enttäuschung liegen in diesem Wort. Und wie viele Interpretationen winden, wandeln und wehren sich darin. Eine Abhandlung über die lichten wie dunklen Seiten, die Gurus hervorbringen können, würde diesen Artikel sprengen. Darum konzentriere ich mich hier auf die Wurzeln des Begriffs. Auf die Definition von guru. Darauf, wie er zu verstehen ist. Und vor allem, wo wir einen Guru für uns finden können.
Guru – eine Definition
guru ist ein Titel für einen spirituellen Lehrer im Hinduismus, Sikhismus und tantrischen Buddhismus. Der Begriff setzt sich aus den sanskritischen Silben „gu“ (= Dunkelheit) „ru“ (= Licht) zusammen. Er bedeutet also im übertragenen Sinn soviel wie „Vertreiber der geistigen Dunkelheit“ oder „der, der Licht ins Dunkel bringt“.
Im Gegensatz – oder vielmehr in Ergänzung – zu einem Lehrer und einer Lehrerin, die uns Nahrung für den Geist liefern, nährt das, was ein guru beibringt, die Seele, atman. Es heißt, ein guru habe alle drei gunas (tamas, rajas, sattva) überwunden und die höchste Selbstbeherrschung erlangt.
Ursprünglich war ein guru der leibliche Vater, der die religiöse Erziehung seines Sohnes vornahm, ihn Teile des Veda lehrte und für ihn die Übergangsriten (= samskaras) arrangierte. Das Wort gurukula ist das „Haus des Gurus“ und steht für die traditionelle indische Erziehungs- und Ausbildungsmethode, wonach der Schüler im Haus seines Lehrers wohnte, diesem diente und von ihm in praktischen Tätigkeiten (Handwerk) wie intellektuellen und spirituellen Disziplinen (Veden- und Gesangsstudium, Tempeltanz, Yoga) unterwiesen wurde. Vor allem bei letzteren wurde aus dem Haus des Lehrers oft eine klosterähnliche Gemeinschaft aus mehreren Schülern (sprich: ein Ashram).

Wer ist dein Guru?
In der spirituellen Szene höre ich oft: „Wer ist dein Guru?“ Braucht man denn tatsächlich einen Guru auf dem Weg in die Erkenntnis? Die Vorstellungen davon gehen weit auseinander. Manche sehen IHN oder SIE und wissen: das ist der Mensch, von dem ich lernen werde. Das ist der Mensch, der mich auf meinem spirituellen Weg voranbringt. Andere wiederum erhalten von ihrem Lehrer oder ihrer Lehrerin Herausforderungen, denen sie sich stellen dürfen und finden ihn oder sie erst mal überhaupt nicht „guruhaft“.
Der Guru führt dich von der Dunkelheit ins Licht, von der Unwissenheit in die Weisheit. Durch ihn oder sie erfährst du eine Wahrheit, die keiner Veränderung mehr unterliegt.
Für mich ist jedes Wesen, das Licht und das Erkennen der Wahrheit in mein Leben bringt, ein Guru. Manche für ein paar Minuten, mit dem richtigen Wort zur richtigen Zeit. Andere begleiten mich ein großes Stück meines Lebens. Sie schenken Glück und Freude, weil ich mit ihnen und durch sie erkennen und lernen darf. Sie bieten mir aber auch Herausforderungen, die mich ab und an auch ins Dunkel schicken und von dort aus wieder ins Licht führen.

Guru Shloka
Ein sehr bekanntes guru shloka
(das sind Verse zur Verehrung der lehrenden Person) lautet:
Guru Brahma
der Schöpfer(-Gott) unseres spirituellen Lebens.
Guru Vishnu
der Beschützer unserer Anstrengung und Bemühungen. Er steht uns auch in schwierigen Situationen bei und hilft uns, auf dem richtigen Weg zu bleiben.
Guru devo Maheshwara
eine Ausprägung Shivas als Zerstörer, der einerseits unsere schlechten Eigenschaften vernichtet, uns aber andererseits auch durch Herausforderungen wachsen lässt.
Guru Sakshat
das Licht der Weisheit und der Wahrheit hinter allem. Er führt zum Höchsten, zum Brahman, Parabrahma.
Für meine Praxis als Yogini bedeutet das ein ständiges Bemühen um Achtsamkeit sowie das Bewusstsein, dass meine Sadhana, meine Gedanken und Handlungen Einfluss auf alle Menschen rund um mich haben.
Ich bin mir ganz sicher: wir alle dürfen dort oder da, bewusst oder unbewusst Gurus für unsere Mitmenschen sein und ab und an ein wenig Licht in deren Leben bringen.
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