Einschlafen, Durchschlafen – für viele alles andere als leicht. Doch wie kann Yoga bei Schlafproblemen helfen und damit guten Schlaf fördern?
Vom Glück des guten Schlafes
“Wer schlafen kann, darf glücklich sein.” Soll Erich Kästner gesagt haben. Und recht hat er. Wirklich gut einzuschlafen, durchzuschlafen und am nächsten Tag erholt aufzuwachen – das ist ein großes Glücksgeschenk! Dennoch ist es für viele Menschen alles andere als selbstverständlich. Weltweit zählen Schlafbeschwerden zu den schwerwiegendsten Gesundheitsproblemen.
Dabei ist ein guter Schlaf für uns Menschen von enormer Wichtigkeit. Quasi Gesundheitsförderung pur! Er sorgt dafür, dass unsere Akkus wieder aufgeladen werden. Hilft dabei, sich ausgeglichen, ausgeruht und energiegeladen zu fühlen. Sorgt für ein gutes Gedächtnis und trägt vor allem dazu bei, dass wir Erlebnisse sowie Emotionen sinnvoll verarbeiten können.
Aber wie kommt es eigentlich zu Schlafstörungen oder auch zu Insomnie (Schlaflosigkeit)? Welche Folgen sind zu beobachten? Was tun bei Schlaflosigkeit? Und: wie kann Yoga dabei helfen, endlich wieder eine “Gute Nacht” zu erleben?
Welche Schlafstörungen gibt es und warum?
Es existieren unterschiedliche Klassifikationen mit dem Ziel, Schlafstörungen schematisch abzubilden. Es kann grob unterschieden werden zwischen:
- Einschlafproblemen und
- Durchschlafproblemen
als auch zwischen
- akuten (also plötzlich auftretenden, kurzfristigen) und
- chronischen (länger anhaltenden) Schlafproblemen.
Die Sache ist nämlich die: schlecht geschlafen hat vermutlich jeder und jede schon mal oder auch die Nacht zum Tag gemacht. Wenn am nächsten Tag ein Vorstellungsgespräch ansteht oder vor dem Schlafengehen ein großer Streit entfacht ist, kann es schon mal vorkommen, dass die Nachtruhe nicht ganz so erholsam ausfällt. Eng wird’s halt dann, wenn Probleme beim Ein- und Durchschlafen Teil des Alltags oder der “All-Nacht” werden.

Ursachen von Problemen beim Schlafen bzw. Schlafstörungen
WARUM und WIE es zu Schlafstörungen kommt? Hier gilt es stets einen Gesamtblick auf den Menschen zu legen, den es betrifft. Folglich also auf Umgebung, äußere Umstände, aktuelle Lebenssituation, Arbeitsalltag, Körper, Geist und natürlich die Seele. Hier eine Liste möglicher Ursachen:
Äußere Umstände: Umgebungslärm, zu viel Licht, das Schlafzimmer wird zu wenig gelüftet oder ist zu warm, Bett oder Matratze sind unpassend, intensive Bildschirmzeit vor dem Einschlafen, Jetlag, Schichtarbeit etc.
Körperliche Ursachen: Restless Leg Syndrom, Herzbeschwerden, Atembeschwerden (zum Beispiel auch Schlafapnoe), Probleme beim Stoffwechsel, Schmerzen, Hormonhaushalt, Ernährungsthemen, Einnahme von Stimulanzien etc.
Psychische oder seelische Faktoren: Stress, Trauer, Sorgen, Lethargie, Übererregbarkeit, Ängste, aufwühlende Gedanken, Aufregung, Nervosität
Psychiatrische Ursachen: Depressionen, Angststörungen
Der Zweck einer guten Nachtruhe
Wir verbringen durchschnittlich ein Drittel unserer Lebenszeit mit Schlaf. Und obwohl wir von dieser Lebenszeit nicht wirklich viel mitbekommen – sie ist überlebensnotwendig für uns.
Wir können nun den Fokus darauf legen, welche Folgen Schlafstörungen haben können. Im Gegensatz dazu wollen wir aber eher den Blick darauf richten, was GUTER SCHLAF bewirken kann. Yogalehrer, Yogatherapeut und Autor Mark Stephens schreibt in seinem Buch “Yoga für guten Schlaf – Das Übungsprogramm auf Basis neuester Forschung” (riva Verlag, 2020):
“Schlaf ist ein Teil des angeborenen Beharrens darauf, dass das Gehirn genährt und geordnet wird und sich der Körper auf das vorbereiten kann, was man im Wachzustand unternimmt und erlebt. Yogis mögen betonen, dass der Schlaf dabei hilft, die gunas – die uns innewohnenden Qualitäten Energie, Trägheit und Harmonie – auszubalancieren und uns einem klareren Bewusstsein gegenüber zu öffnen.”
Schlaf – “systemrelevanter” Hirnfunktionserhalter
Schlaf sei DIE Grundlage für unsere Gesundheit und wirke sich im Lauf unseres Lebens auf Stoffwechsel, Immunsystem, Gedächtnisvermögen, Motorik und alle anderen Körperfunktionen aus. “Der Körper erneuert und restauriert seine Gewebe und optimiert seine physiologischen Systeme, also Nerven-, Herz-, Kreislauf-, Hormon-, Muskel-, Skelett-, Atem-, Verdauungs-, Harn- und Reproduktionssystem.” Darüber hinaus werden Urvertrauen, ausgeglichene Emotionen, ein natürlicher Antrieb, Lebensfreude und in weiterer Folge die Lebensqualität bewahrt. gefördert und gesteigert.
Der Hauptzweck des Schlafes bestehe jedoch laut Stephens unter anderem in der Wiederherstellung der Hirnfunktionen, die vier wichtige Bereiche des Alltags abdecken .
- Die Fähigkeit, klar und konzentriert zu denken
- Die Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und Gelerntes zu behalten
- Emotionale Ausgeglichenheit und Flexibilität
- Optimale Motorik, etwa beim Gehen auf schmalen Pfaden oder beim Balancieren auf Füßen oder Händen
Schlafgesundheit, bitte kommen!
Wie man herausfinden kann, was einem selbst dabei hilft wieder gut zu schlafen? Dabei plädiert Yogalehrer Mark Stephens für eine “stärkenorientierte Bewertung”. Stärkenorientierung bedeutet, dass “die dem Menschen eigene Ganzheit und Lebendigkeit in den Mittelpunkt rückt, auch bei Schlafschwierigkeiten und anderen Gesundheitsproblemen.”
Yoga bei Schlafproblemen
Aus Sicht des Yoga – nach Mark Stephens – ist der Schlüssel zur Gesundheit und Wohlbefinden das homöostatische Gleichgewicht und der Gleichmut (samatvam). Und da Yoga in seiner Gesundheitsförderung gerne ganzheitlich vorgeht, hat es viele Möglichkeiten in seinem Bauchladen, um gesunden Schlaf zu fördern. Und das vor allem durch eine Asana Praxis, spezielle Atemtechniken und Meditation.
In dem Buch “Yoga für guten Schlaf – Das Übungsprogramm auf Basis neuester Forschung” stellt Mark Stephens 6 unterschiedliche Yoga- Übungsprogramme vor, die alle bei unterschiedlichen Schlafschwierigkeiten helfen können.
Diese sind für Menschen
– mit allgemeiner Schlaflosigkeit kämpfen
– die Stress oder Überregbarkeit empfinden
– mit Depressionen und Lethargie
– verschiedener Altersstufen
– mit atembedingten Schlafstörungen oder
– die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind
Yogaübungen für guten Schlaf
In Kooperation mit dem riva Verlag können wir euch hier das grundlegende Yogaprogramm von Mark Stephens für einen guten Schlaf vorstellen. Dafür ein großes Danke an. den riva Verlag.
Wichtig: Die Texte der Übungsanleitungen wurden leicht gekürzt und die Ansprache wurde von “Sie” auf “du” geändert.
Gut zu wissen vorab
Hilfsmittel
- Zwei oder drei Decken
- Großes Yogabolster oder Kissen
- Einen oder zwei Yogablöcke (oder sehr dicke Bücher)
- Yogamatte oder großer Teppich
Zur Einstimmung: Atmen
Beginne, indem du eine bequeme Sitzposition mit gekreuzten Beinen einnimmst. Wenn du dich in dieser Position nicht wohl fühlst, dann setz dich auf ein Bolster, einen Yogablock oder einen Stapel fest gefalteter Decken, wobei die Fußgelenke und Füße noch Bodenkontakt haben sollten (fester Bodenkontakt ist wichtig).
Lass die Augen leicht geschlossen oder richte den Blick sanft auf einen Punkt in der Nähe. Sitz bequem und gerade und richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Achte zunächst nur auf ihn, spüre ihn, bleib dran. Spüre, wie er ein- und ausströmt und wie sich der Körper dabei bewegt. Achte darauf, ob du etwas tust, das sich auf den Atemfluss auswirkt. Achte nach jedem Ein- und Ausatmen auf die kurze Pause, die vorübergehende Unterbrechung der Atembewegung (die Pause bei Atemfülle wird als antara kumbhaka bezeichnet; die bei Atemleere bahya kumbhaka). Lass diese natürlichen Pausen immer geschehen, da sie mehr Präsenz und Ruhe bedeuten und erzeugen. Lass den Atem zwei Minuten lang so frei und leicht wie m.glich fließen.
Ujjayi Pranayama
Ohne allzu viel an ihrer bequemen Position und dem Atemfluss zu ändern, öffne nun den Mund und atme aus, als wolltest du einen Spiegel so anhauchen, dass er beschlägt. Spüre dabei, wie der Atem durch die Kehle streicht und an den Stimmbändern einen leisen Flüsterton erzeugt. Behalte diesen Ton und diese Empfindung des Atems in der Kehle auch beim Einatmen bei. Fahre so drei Atemzyklen lang fort. Atme dann mit dem Flüsterton und dem Hauchgefühl weiter, aber mit geschlossenem Mund, sodass das Atemgefühl weicher und gedämpfter wird. Diese Atemtechnik kannst du bei allen Yogahaltungen anwenden, auch beim Einnehmen und Verlassen.
Einfacher Schneidersitz

Komm in einen aufrechten Schneidersitz oder Kreuzbeinsitz. Verlagere dabei dein Gewicht mehr auf die Vorderseite der Sitzbeinhöcker und drücke diese aktiv in den Boden. Setze dich gegebenenfalls auf ein Hilfsmittel, um diese Position einzunehmen und aufrechtzuerhalten. Wenn du Druck in den Kniekehlen spürst, solltest du gefaltete Decken oder Blöcke unter deine Knie legen. Mit aufgerichtetem Rücken hebe die Schultern leicht an, ziehe sie nach hinten und lass die Schulterblätter sinken. Halte den Kopf so, als würde er mühelos über dem Hals schweben.
Einfacher Schneidersitz mit Vorbeuge

Ausgangspunkt ist die bequeme, aufgerichtete Sitzhaltung. Drücke dabei die Sitzbeinhöcker aktiv in den Boden und kippe das Becken so, dass das Gewicht eher auf der Vorderseite der Sitzbeinhöcker lagert. Setz dich gegebenenfalls auf ein Hilfsmittel.
Platziere das große Bolster vor dir, atme in Ujjayi Pranayama und lass bei jedem Einatmen die Wirbelsäule bewusst in die Höhe wachsen. Behalte Sie diese Länge beim Ausatmen bei, lass den Atem langsam ausströmen und gib den Sitzbeinhöckern nach jedem Ausatmen mehr Gewicht. Während der Atem weiterhin mit Länge und Erdung. einhergeht, kipp das Becken nach vorn, ohne den unteren Rücken zu runden, sodass sich Arme und Oberkörper nach vorne wandern. Beuge den Oberkörper so weit vor, wie es angenehm und mit geerdeten Sitzbeinhöckern ö.glich ist. Achte auf die Knie, den unteren Rücken und den Hals. Verweile drei bis fünf Minuten in dieser Haltung. Achte auf den unteren Rücken, während du dich sehr langsam aufrichtest, streckst und die Beine ausschüttelst.
Friedliches Ausruhen

Platziere Bolster und/oder Decken auf der Yogamatte. Setz dich aufrecht und mit nach vorne ausgestreckten Beinen mit dem Rücken zu dem Stapel auf die Matte und beuge dann die Knie, sodass die Füße ungefähr auf halbem Weg zum Becken zu stehen kommen. Füße und Knie sind etwa eine Mattenbreite weit auseinander.
Die Knie bleiben im rechten Winkel gebeugt, während du sie nach rechts kippen lässt. Dreh dabei auch den Oberkörper nach rechts und lass ihn auf das Bolster sinken. Bei Druck im unteren Rücken, erhöhe das Bolster. Bei Beschwerden im Hals, unterpolstere den Brustkorb etwas mehr. Um Spannung im Nacken zu verringern, schau am besten in die gleiche Richtung, in die auch die Knie zeigen.) Lege die Arme auf den Boden. Atme tief mit Ujjayi Pranayama und lass den Körper entspannen.
Achte auf den unteren Rücken, während du dich langsam aufrichtest, streckst und die Beine ausschüttelst. Wend dich danach leise zur anderen Seite. Verweile auf jeder Seite drei bis fünf Minuten in der Haltung.
Das Kind

Komm in den Vierfüßerstand und lege ein großes Bolster zwischen die Knie. Lass das Becken nach hinten auf die Fersen sinken. Bei zu viel Spannung in Schienbeinen, Fußgelenken oder Füßen, lege eine gefaltete Decke (oder mehrere) so unter die Schienbeine, dass die Füße leicht angewinkelt darüber hinausragen. Bei Spannung in den Knien oder im unteren Rücken, stelle die Knie weiter auseinander, sodass sich die Hüften leichter beugen können und Knie und unterer Rücken entlastet werden. Beuge den Oberkörper nach vorn, um Bauch, Brust und Kopf entspannt auf das Bolster sinken zu lassen. Achte dabei auf den unteren Rücken. Lege die Arme neben den Beinen auf den Boden. Bei Nackenbeschwerden unterpolstern Sie den Brustkorb etwas mehr und probiere verschiedene Stellungen für den Kopf aus.
Das Kind gehört zu den entspannendsten Haltungen und verschafft Erholung und innere Ruhe. Bleibe drei bis fünf Minuten mit Ujjayi Atmung in dieser Haltung.
Der Sonnenuntergang

Beginne im aufrechten Sitz mit nach vorn ausgestreckten Beinen. Verlagere dein Gewicht auf die Vorderseite der Sitzbeinhöcker und drücke diese aktiv in den Boden. Setz dich gegebenenfalls auf ein Hilfsmittel, um diese Position einzunehmen und aufrechtzuerhalten.
Kippe das Becken nach vorn, so als ob dein Bauch Richtung Knie zieht, um den Oberkörper leicht nach vorn zu beugen. Die Füße sind geflext. Wenn du deine Zehen (noch) nicht berühren kannst, nimm einen Yogagurt. Bleibe Sie drei bis fünf Minuten in dieser Haltung und achte auf den unteren Rücken, während du dich sehr langsam aufrichtest. Dreh anschließend die Wirbelsäule vorsichtig etwa fünf Atemzüge lang nach rechts und dann etwa fünf Atemzüge lang nach links.
Halbe Kerze

Lege ein Bolster oder eine gefaltete Decke vor eine Wand. Setz dich seitlich an die Wand, schieb das Becken auf das Bolster und lege dich dann langsam auf den Rücken, während du das Becken zur Wand drehst und die Beine an der Wand emporstreckst.
Falls du die Hüftgelenke wegen verspannter Oberschenkel nicht so weit anwinkeln kannst, dass das Gesäß die Wand berührt, erhöhe das Bolster oder rücke mit dem Becken von der Wand weg. Lass die Handflächen auf Bauch und Herzregion ruhen oder lege die Arme mit nach oben gedrehten Handflächen auf den Boden. Bleib hier 5-10 Minuten liegen und lass jegliche Anspannung mit der Ausatmung gehen.
Lass danach die Füße an der Wand herabgleiten und roll dich sanft auf die Seite und bliebt zusammengerollt in der Seitenlage liegen und komm ins Sitzen, sobald es für dich stimmig ist.

»Yoga für guten Schlaf«
von Mark Stephens
2020 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München
ISBN Print: 978-3-7423-1184-9
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