Ein, zwei und/oder drei
Beziehungen zwischen Mann und Frau verändern sich nach der Geburt eines Kindes radikal – wie oft habe ich das vor der Geburt meines Sohnes gehört. Und wie oft passiert es, dass in der sehr sensiblen und äußerst anspruchsvollen Zeit nach der Geburt eines Kindes, Beziehungen zerbrechen und diesem großen Druck nicht standhalten. Und wie oft dachte ich mir: Bei uns ist es anders, denn wir lieben einander. Und schon das alleine sollte reichen.
Leider reicht die Liebe oft nicht. Oder vielmehr, leider merkt man oft nicht, wie auch die gewohnte Liebe sich verändert und neue Aufmerksamkeit und Achtsamkeit braucht. Denn wenn aus zwei plötzlich drei werden, dann ist das ein großer Entwicklungssprung für eine Beziehung – oder eben ihr Ende. Kommt darauf an, wie sehr man sich hingibt, wie sehr man Ja sagt, Nein sagt, seine Bedürfnisse bewusst wahrnimmt und sie kommuniziert und auch mal den anderen fragt, wie es ihm geht und der dann auch ganz ehrlich zugibt, wie es ihm denn so wirklich, wirklich denn geht.
In der heutigen Gesellschaft finden wir ein Muster: Frau ist alleine mit einem oder mehreren Kindern „den ganzen Tag zu Hause“. Mann geht arbeiten und bringt „das Geld nach Hause[–1] “. Für die meisten Menschen gilt zumindest im ersten Jahr mit Baby dieses Muster. Es impliziert, das Mann und Frau eigentlich den ganzen Tag getrennt sind und am Abend so müde und erschöpft von ihrem Alltag sind, dass sie auch getrennt ins Bett gehen, obwohl sie eigentlich nebeneinanderliegen. Jeder in seiner Welt. Die Mutter in ihren Gedanken und Gefühlen auf das Kind ausgerichtet. Der Vater zwischen Arbeit, Kind, Frau und seinem eigenen Leben hin- und hergerissen. Am nächsten Tag geht das Rad dieses Familienlebens weiter. Mann geht arbeiten. Frau bleibt zu Hause oder später geht auch sie arbeiten, nachdem sie das Kind in die Fremdbetreuung abgegeben hat, um es ein paar Stunden später wieder abzuholen. Der Alltag rollt und rollt und wenn man nicht aufpasst, überrollt er ganz schön viel.
Ich verstehe, wieso viele Beziehungen nach dem so lang und heiß ersehnten Zuwachs zerbrechen. Denn Frau und Mann haben oft gar keine Zeit mehr für sich und für einander oder sie sind zu müde, um sich diese Zeit zu nehmen. Sie begegnen einander in den meisten Fällen nicht mehr auf der „Du-und-ich-Ebene“, sondern auf der „Mami-und-Papi-Ebene“ und zwischen all den Verpflichtungen, die diese Rollen täglich mit sich bringen.
Bei uns war es nicht anders. Mein Partner Goldmund und ich waren nach der Geburt unseres Sohnes bereits sechs Jahre zusammen. Wir kannten und liebten einander.. Es war ein starkes, unsichtbares Band zwischen uns. Wir mochten den gemeinsamen Alltag, unterstützen einander im Aufbau unserer Karrieren und wussten: „Wir gehören zusammen“. Für immer. Denn es gab sehr wenig, das Probleme in unsere Beziehung brachte und wenn da etwas war, dann war es sehr schnell wieder weg. Irgendwann wuchs unsere Liebe und manifestierte sich in diesem kleinen, umwerfenden Menschenwesen, das wir über alles liebten (und lieben) und das von einem Tag auf den anderen so viel Freude, aber auch eine große Portion an Anstrengung und Stress in unser Leben brachte. Und beide lernten wir, damit umzugehen. Er mit der Suche nach Freiheit beim Ausgehen. Ich mit meinen ätherischen Ölen, Yogaeinheiten und Kerzenritualen. Wir entfernten uns über zwei Jahre täglich weiter voneinander und merkten es nicht. Denn auf die eine oder andere Art, versuchte jeder für sich Freiräume zu schaffen, die nichts mit Familie und damit auch nichts mit dem Partner zu tun hatten.
Ich wollte am Abend keine Berührungen mehr, nachdem mein Sohn den ganzen Tag auf mir und meiner Brust gelegen war. Es gab sogar Tage, da wollte ich einfach nur zehn Minuten Stille, kein Wort, nur Alleinsein. Ich hatte keine Kapazitäten, mich um die Bedürfnisse von Goldmund zu kümmern oder ihn zu fragen, wie es ihm denn ginge mit seinem Job und seinem Alltag. Oft wusste ich ja nicht einmal, wie es mir selbst denn so ging. Wenn wir zwischen Job, Kind und Haushalt zusammen waren, dann war es zu dritt. Wir liebten diese Momente des Familiendaseins am Wochenende, wenn wir lange schliefen, mit Leyan spielten und unsere Beziehung vor allem über das Mama-und-Papa-Sein definierten und auslebten. Irgendwie war es für uns natürlich geworden, dass wir zwei nun drei waren. Das waren die guten Momente unseres Lebens. Aus zwei waren drei geworden und „die zwei“ waren fast unmerkbar verschwunden. Wir redeten nur mehr über das, was zu tun war im Alltag, darüber, wie es unserem Sohn ging und darüber, wie gefüllt oder nicht gefüllt das Bankkonto war. Für mehr war nicht Platz.
Und so vergingen die Jahre, bis in mir das Gefühl wuchs, dass ich dabei war, ihn zu verlieren. Fast unmerklich. Denn, wenn man tagaus, tagein die Beziehung zum Partner nicht pflegt – wie eine Pflanze, die Wasser und Nahrung braucht – dann stirbt sie. Und das Traurige daran war: Wir haben es gar nicht gemerkt. Aus unserer großen Liebe, war nur mehr eine Beziehung der Verpflichtungen, Aufgaben, Erwartungen und Anforderungen geworden. Der Alltag hatte uns so fest im Griff, dass wir einfach darüber hinwegsahen, hofften, dass es von alleine besser würde oder die guten Zeiten der Liebe eines Tages wiederkehren würden. Doch, wohin keine Aufmerksamkeit fließt, kann auch nichts wachsen, sein, gedeihen.
Wir hatten uns vollkommen auseinander gelebt. Sogar vergessen, was uns damals zu zweit so viel Spaß machte. Am Abend einen Film schauen und aufeinander einschlafen. Stundenlang über Gott und die Welt reden. Noch mehr Stunden kuscheln und ineinander versinken. Ich hatte ihn aufgrund von Überforderung und Müdigkeit übersehen und er hatte vergessen, dass ich neben meiner Mami-Rolle auch noch Frau war.
Nun wird es Zeit, die Pflanze unserer Liebe, aus der unser Kind entstanden ist, wieder zu gießen. Mit Aufmerksamkeit. Mit Anteilnahme. Mit Dates. Mit Candle Light Dinners, auch wenn es nur einmal im Monat ist. Mit Berührungen, auch wenn es nur einmal am Tag ist. Mit der Frage: Wie geht es dir? Kann ich etwas für dich tun? Mit kurzen, erfüllenden Momenten zu zweit. Mit Nähe im Alltag. Mit kleinen Geschenken. Und mit der Erkenntnis, dass ein bisschen mehr Liebe, Rücksichtnahme, Anteilnahme und bewusste Hingabe im Alltag vielleicht doch Beziehungen dabei helfen kann, die ersten Jahre zu dritt auch zu zweit zu überstehen und dabei auch noch glücklich zu sein.
Fotocredits: Nives Gobo
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