Love, peace and happiness – danach sehen die Yogis und Yoginis aus, die sich bei Kirtans, Konzerten und Festivallagerfeuern mit geschlossenen oder hellwachen Augen aus ganzer Seele und ganzer Kehle ihren geliebten Mantras und Geborgenheit spendenden Melodien hingeben. In solchen Momenten biegen sie vom Alltag auf einen Pfad, auf dessen imaginärem Straßenschild „Bhakti-Yoga“ steht. Doch womit ist dieser Pfad gepflastert? Katharina Wimmer hat sich dieses Thema zu Herzen genommen.
Bhakti-Yoga ist einer der vier klassischen Yogawege, stellt die Liebe zu Gott in das Zentrum und kennt kein Alter, keine Nationen, keine Stimmlagen. Es heißt, Bhakti-Yoga sei die einfachste Art, zum yogischen Ziel der Erlösung, Erleuchtung und Befreiung (Moksha) zu gelangen – schließlich habe man stets die Liebe als treue Reisebegleiterin.
Generell kann zwischen zwei Arten unterschieden werden:
Apara Bhakti ist die selbstsüchtige Liebe, die etwa Anhänger einer Glaubensgemeinschaft empfinden, die auf andere Religionen herabsehen, oder Menschen, die für Ruhm, Geld oder Gesundheit beten. Para Bhakti beschreibt die universelle Liebe. Anhänger dieser Richtung sehen alles als ein Geschenk Gottes. Selbst in Dieben, Schmutz oder Krankheiten wird Gott gesehen.
Bhakti bedeutet Hingabe an Gott unabhängig davon, welcher Name von Gott gemeint ist. Entscheidend ist die Intention. Gott oder Göttin kann dabei zugleich absolut unpersönlich jenseits aller Formen sein (Brahman), das innerste Selbst meinen (Paramatma) oder ein höheres Wesen (Bhagavan) beschreiben.
Von dieser Hingabe an Gott gibt es neun Formen, die wiederum fünf unterschiedliche Gefühle oder Einstellungen (Bhavas) gegenüber Gott hervorrufen können. Diese Bhavas helfen zu verstehen, dass man sich Gott sehr unterschiedlich nähern kann. Im Dasya Bhava wird Freude und Glück daran empfunden, Gott zu dienen.
Musik macht das Herz weich. Ganz still und ohne Gewalt macht sie die Tür zur Seele auf.
Sophie Scholl
Dabei tun wir alles für ihn und vertrauen darauf, geleitet zu werden. Im Sakhya Bhava sehen wir Gott wie einen Freund, dem wir uns immer anvertrauen können – wir empfinden uns auf einer Ebene mit ihm. Im Shanta Bhava sehen wir Gott als Frieden, der in allem gleichermaßen wohnt. Gott ist daher eher unpersönlich und wird in allen Lebewesen gesehen. Im Vatsalya Bhava sehen wir das Göttliche wie das eigene Kind, das es zu umsorgen gilt, z.B. in Form von Krishna oder Jesus. Madhurya Bhava wird als höchste Form von Bhakti beschrieben. Es meint die Liebe zu Gott wie zu einem gleichberechtigten Geliebten, z.B. einer Ehefrau. Wir fühlen dabei die Einheit mit dem Göttlichen, halten aber die Getrenntheit aufrecht.
Der Schlüssel zu echter Hingabe
Tiefe Bhakti-Ekstase erkennt man an verschiedenen Zeichen wie Ashrupaata (Tränen), Rodana (Weinen bzw. Schluchzen), Pulaka (Zu-Berge-Stehen der Haare), Kampana (Erbeben), Haasya (Lachen), Sveda (Schwitzen), Murcha (in Ohnmacht fallen) oder Svarabhanga (der Unfähigkeit zu sprechen). Die neun Formen der Hingabe können unabhängig voneinander oder gemeinsam praktiziert werden.
• Shravana: das Hören alter Schriften und Geschichten über Gott.
• Kirtana: das Singen spiritueller Lieder, die helfen, das Herz zu öffnen. Dies macht man z.B. bei Satsang (sich mit anderen zusammen mit Gott verbinden).
• Smarana: hilft, sich an Gott zu erinnern, z.B. indem man Mantren rezitiert oder eine Figur aufstellt, die an Gott erinnert. Aber auch in anderen Formen, wie in einem faszinierenden Menschen, kann Gott gesehen werden.
• Padasevana: das Dienen zu Füßen Gottes, z.B. indem man einen Altar errichtet.
• Archana: verschiedene Rituale zur Gottesverehrung, wie z.B. Satsang, Arati (Lichtzeremonie) oder Puja (hinduistisches Verehrungsritual).
• Vandana: das Verneigen vor Gott, z.B. das Verbeugen vor einem Altar oder innerlich vor Personen.
• Dasya: die Liebe zu Gott als sein Diener.
• Sakya: das Leben als Freund Gottes.
• Atmani Vedanam: die völlige Hingabe gegenüber Gott.
Hier im Westen ist das Chanten (Singen) die wohl bekannteste Weise der Bhakti-Yoga-Praxis. Singen tut der Seele gut, also auch der Liebe. Vielleicht haben Sie ja selbst schon einmal auf einem der eingangs beschriebenen Kirtan-, Festival- oder Lagerfeuermomente die Stimme erhoben und dabei etwas empfunden, was dann eben Tränen, Freude oder die Unfähigkeit zu sprechen bewirkt hat.
Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe.
Rabindranath Tagore
Bhakti-Yoga ist. Und Bhakti-Yoga ist mehr.
Wer den Pfad des Bhakti-Yoga geht, lernt und begreift das und lernt gleichzeitig, das Leben, sich selbst und das, was ihm begegnet, zu lieben. Bhakti macht Herz und Seele leichter, kann Eifersucht, Hass und Egoismus in Luft auflösen und im Gegenzug Freude, Lachen, Glückseligkeit und Verbindung mit dem Göttlichen schenken. Mögen Sie diesen Pfad genießen – Jai!
Über die Autorin:
Katharina Wimmer ist Vollblut-Yogini und lebt ihre Leidenschaft beruflich als Yogamädel in ihrem Yoga-Studio in Linz. Abseits der Yogamatte findet man sie gerne im Kaffeehaus beim Schreiben: Ayurveda, Yoga und Meditation gepaart mit einer Portion Mindfulness sind jene Themen, die sie zu Papier bringt und die schließlich hier im Blog landen. Außerdem liebt sie das Unbekannte und bereist gerne ferne Länder. Darüber schreibt sie gemeinsam mit David auf www.ausreiser.com.
Fotocredits: Wari Om
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