Worum es in diesem Beitrag geht? Warte kurz. Gleich erfährst du’s. Warte. Ja, warte kurz. Richtig: um die Geduld. Warum wir sie dringend brauchen, was sie uns schenkt und wie du dich in ihr üben kannst, liest du hier.
Sie ist es, die effizientzeitnützwollenden-Wesen und amliebstensofortneinbessergleich-Menschen in Supermarktschlangen, an Haltestellen, an roten Ampeln, in Restaurants (in denen ohne Selbstbedienung halt), auf Bahnhöfen, auf der Post, in Arztpraxen, auf Ämtern, im Stau oder am Bankomaten, wenn er der einzige weit und breit ist, einen entnervten Seufzer (oder auch andere, weitaus entladender ausfallende Reaktionen) entlockt.
Sie ist es, die sich nicht nur im Bandschleifenkosmos, in Erwartung einer wichtigen Nachricht oder beim Hochfahren des Computers in ungeduldigste, schulterverspannende Nervosität verwandelt. Und nicht nur dann. Sondern auch dann, wenn für dich bedeutsame Lebensprozesse ihre Zeit brauchen, eine für dich passende Lösung noch nicht zugegen ist oder das, was du dir so sehnlich und so lange und aus so tiefem Herzen wünschst, weiterhin auf sich hoffen lässt.
Die Wartezeit, die Zeit ausharren zu können …

Warten auf Geduld
Wartezeit. Oh, wie gern wird sie gefüllt, damit wir nur jaaaa keine Zeit verlieren. Gefüllt, voll gepackt mit produktiven und weniger produktiven Alternativen, doch in jedem Fall mit Ablenkung. Zum Wartezeitvertreib halt. Tut manchmal gut. Ist sicher manchmal sinnvoll.
Gleichzeitig … warte mal … in den Himmel schauen … andere Leute bewusst beobachten … tief durchatmend ausharren … verweilen können. Wie ging das eigentlich nochmal?
Die Wartezeit eine der besten Lehrerinnen, wenn es gilt, eine ganz besondere Tugend zu kultivieren: die Geduld, altertümlich Langmut genannt. Ja denn in einer Zeit, in der eine sms geschickt wird und die Antwort darauf sofort passieren könnte, in einer Zeit, in der wir heute etwas bestellen und morgen könnte es da sein, in einer Zeit,
„In der Erfahrung des Wartens kann eine Chance liegen“, meint Stefan Gosepath, seines Zeichens Philosoph und Professor an der Freien Universität Berlin. Erwachsene wie Kinder brauchen Phasen des Nichtstuns um Gedanken freien Lauf zu lassen oder Erlebnisse überhaupt gedanklich zu verdauen. Beim Aus-dem-Fenster-schauen und langweiligen Augenblicken kommt dann zack ein guter Einfall, eine kreative Idee, eine Lösung die so nahe lag. „Das ist natürlich nicht garantiert, aber wenn man keine Gelegenheiten schafft für solche Gedanken, dann kommen sie auch nicht“, sagt Gosepath. „Man muss ihnen Raum geben.“
Hab Geduld mit allen Dingen, aber besonders mit dir selbst.

Geduldsgeschenke – Vorteile von Geduld
Warum es sich lohnt, Wartezeiten aushalten zu können und sich mehr und mehr in Geduld üben zu können? Hier nur ein paar wenige Vorteile von Geduld:
Vorfreude: ist eine äußerst schöne Form der Freude und kann sich nur dann entfalten, wenn du dich traust, warten zu können.
Lang-Mut: Der altertümliche Ausdruck für Geduld, der Langmut, drückt schon aus, was durch Geduld entsteht. Wir haben lang Mut, länger Mut als sonst. Dadurch ist es für dich auch möglich, langfristig Ziele mit mehr Atemluft zu erreichen. Du lernst, Etappen zu lieben, lernst “portionierter” zu denken, lernst den Weg und nicht nur das Ziel zu lieben.
Weniger unter Druck: Wenn du spürst, dass du dich zum Beispiel nicht gleich, nicht jetzt und nicht sofort für oder gegen etwas entscheiden musst, wenn du spürst, dass es jetzt zum Beispiel nicht schneller gehen muss, sondern alles sein richtiges Tempo hat, entsteht ganz automatisch weniger Druck. Weniger Druck der Situation gegenüber, weniger Druck dir selbst gegenüber, weniger Druck deinen Schultern gegenüber, die sich dann – wenn du ungeduldig wirst – ganz gern verkrampfen oder hochziehen. Stattdessen: aaaah, Erleichterung, Zeit, Vertrauen in “alles geschieht zur richtigen Zeit.”
Entscheidungsfähigkeit: Wer abwarten kann, kann auch besser abwägen. Ist so. Wenn du weniger impulsiv handelst und dir stattdessen einen “step back” gegenüber der Situation einräumst, wirst du objektiver.
Mehr Ruhe: Ganz klar – wer warten kann, wird ruhiger. Körperlicher, seelischer, geistiger. Der Blutdruck freut sich, das Nervenkostüm, das Herz, der Magen. Jegliches Handeln wird bedachter, wird genauer, wird präziser und im Endeffekt besser, ohne dass du dich dafür verbissen anstrengen musst. Stichwort: es darf alles ganz leicht gehen!
Rosen: Es gibt nämlich dieses Sprichwort in dem es heißt “Geduld bringt Rosen”. Also, wenn du warten kannst, dann bekommst du Rosen. Wann genau, das weiß ich jetzt nicht. Da dürfen wir eben alle miteinander geduldig sein;)

3 Geduldsübungen
Sicher, Geduld kannst du lernen. Die Samen für Geduld werden – wie so oft – zwar in der Kindheit gelegt, aber hey: “Was Hänschen nicht lern, lernt Hans immer mehr”, wie ich gern zu sagen pflege. Hier sind drei Übungen, drei Impulse für mehr Geduld.
- Übe dich – und wenn es nur heute ist – darin, warten zu können. Nimm dir Zeit für die lange Weile, nimm Ungeduld erzeugende Situationen an, wie sie sind. Nimm rote Ampel als Anlass dazu, wieder tiefer (ja, bis in deinen Bauch) zu atmen. Nimm Warteschlangen als Möglichkeit, dich in Geduld zu üben.
- Lass los, denn der Verlauf mancher Dinge liegt einfach nicht in deiner Hand. Bevor du dich also auf den Kopf stellst (außer, das gehört zu deiner Asana-Praxis, dann stell dich bitte auf den Kopf!), mache dir bewusst ob die Supermarktschlange sich jetzt wirklich schneller bewegen wird, wenn du einen Seufzer nach dem anderen rauslässt, die Augen verdrehst oder dich stresst. Genauso verhält es sich mit den Supermarktschlangen des Lebens; manchmal geht es einfach nicht schneller, manchmal sind andere vor uns dran.
- Meditation – wenn sie bereits Teil deiner Yogapraxis ist, wunderbar. Wenn du dir bislang nicht so viel Zeit für sie nehmen konntest, dann mach dir selbst dieses Geschenk. Meditation ist eine wunderbare Möglichkeit, Geduld zu lernen und uns vor allem selbst in geduldigen wie in ungeduldigen Momenten besser anzunehmen. Einen Artikel zu Meditation findest du übrigens im Artikel “Meditieren leicht gemacht” von Tobias Frank.
Fotocredit: Paul Dufour auf Unsplash (1), pexels (1)
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