Kann das funktionieren: das pralle Leben Italiens in Kombination mit dem disziplinierten, asketischen Ablauf einer Yogawoche? Ich hatte meine Bedenken, als ich die Ankündigung für eine Yogawoche inmitten von Weingärten und italienischen Osterias, die zu Dolce Vita einladen, las. Nur schwer konnte ich mir vorstellen, wie sich diese Woche gestalten würde. Da muss doch eines von beidem zu kurz kommen! Die Spiritualität oder der Urlaubsgenuss? Ich war neugierig und meldete mich an. Der Flug war wunderschön, nach nur einer Stunde Flugzeit landete ich in Florenz. Von daheim aus hatte ich mir einen Fiat Cinquecento gemietet – wenn schon Italien, dann ordentlich, dachte ich. Alles klappte wie am Schnürchen, und ich machte mich voller Erwartung und Vorfreude auf den Weg in den Süden …
Peter Poeckh, mein Yogalehrer, hat mit feinem Gespür einen ganz besonderen Platz für diese Yogawoche ausgewählt. Mitten im Chianti-Gebiet, 30 km südlich von Florenz, schlängelt sich, von der Stadt Figline Valdarno aus, eine schmale, in der Hitze flimmernde Straße den Hügel hinauf. Zweimal zwingt mich der entgegenkommende Verkehr, mit meinem Fiat 500 in den Grasstreifen auszuweichen. Nach italienischer Art ist es vor manchen Kurven ratsam zu hupen. Im Autoradio meist italienisches Geplapper, hin und wieder dann doch mal Musik, sogar Eros Ramazotti gibt sich die Ehre. Alle fünf Minuten muss ich einen neuen Sender suchen, Italien eben! Dann das Einfahrtsschild aus Holz: Casanuova. Ich biege in eine Schotterstraße, gezäumt mit Zypressen, in Richtung Gehöft. Sofort spüre ich Ruhe und Frieden in dieser Ländlichkeit. Omar, der Hund des Hauses, kommt mir träge, aber freundlich entgegen. Es ist heiß, und die hölzernen Fensterläden des Hauses sind geschlossen, um die Hitze draußen zu halten.
Eigentlich sind es drei Häuser, teils aus Stein, teils in sonnenblumengelber Fassade. Sie stehen sich gegenüber und umringen einen steingepflasterten Hof. Der Boden glänzt in der Sonne, abgetreten in Hunderten von Jahren. Das Ehepaar Ulla und Thierry hat sich vor mehr als 30 Jahren einen Traum verwirklicht und diese alte Landwirtschaft gekauft. Es ist ein großes Stück Land, bestehend aus den Häusern, Weingärten, einem hauseigenen Gemüsegarten, Olivenhainen und einem Stück Wald, in dem ein Schwimmteich liegt. Stück für Stück haben sie renoviert. Ich bin sofort fasziniert von der Ruhe und Natürlichkeit, die dieser Ort auf mich ausstrahlt. Ich wünsche mir, malen zu können, um all diese Bilder und Details aus meiner Perspektive festzuhalten. Die Liebe zum Detail ist überall spürbar. In den Tagen danach finde ich immer wieder neue Plätze, an die ich mich zurückziehen oder wo ich mit anderen Yogis inspirierende Gespräche führen kann. Eines der ersten Bilder, das sich in meine Erinnerung einbrennt, ist die Küche. Könnte ich mir einen Kochplatz erträumen – so würde er aussehen. Groß, quadratisch, in der Mitte ein Arbeitstisch, an den Wänden hängen allerlei Löffel, Schöpfer, Pfannen. Zwei Frauen mit bunten Kopftüchern formen gerade Teig zu Ravioli, südliches Steingut steht herum, es riecht nach frischen Kräutern und Olivenöl.
Überall stehen große Töpfe und Siebe. Kitschig, ich weiß – aber genauso erlebe ich es. Schon nach nur einem Tag fühle ich mich geerdet, spüre diesen angenehmen Abstand zu all dem lauten Treiben im Tal. Mein Zimmer liegt im Haupthaus im ersten Stock und ist winzig! Ich bin gewohnt, viel Platz zu haben, und so ist es anfangs eine große Umstellung. Zuerst bin ich ein wenig enttäuscht, weil ich nicht diesen Fernblick über die Hügel habe und mein Badezimmer, wenn überhaupt, nur etwa 3 m² groß ist. Ich nenne es „mein Duschklo“, weil WC, Waschbecken und Duschauslass sich in diesem kleinen Raum befinden. Wenn ich also dusche, dann ist das zugleich eine Reinigung der Sanitäranlagen, um es etwas bildlicher darzustellen! In meinem mittelalterlichen Mäuerchen habe ich auch ein Fenster im Bad, das genau so groß ist, dass ich meinen Kopf durchstecken kann. Doch nach und nach beginne ich, mein Zimmer zu lieben. Holpriger dunkelroter Steinboden, ein schmales altes Bett, ein kleiner Holztisch mit Häkeldeckchen und Kerze, und bei geöffneten Fensterläden blicke ich auf das Steinhaus vis-à-vis. Er hat einen gewissen Klostercharakter, mein „Einzeller“ hier. Jeden Morgen um 8 Uhr beginnt unsere Ashtanga-Einheit. Um unseren Geist frei von Gedanken zu halten, bittet uns Peter, morgens vor der Yogapraxis nicht miteinander zu sprechen.
Zunächst ist es etwas ungewohnt, sich zu begegnen und nicht gleich los zu plaudern, dann aber bereichernd. Es steht Tee für uns bereit, Salbei und Minze aus dem Garten, mit heißem Wasser aufgegossen. Jeder nimmt sich davon und beginnt diesen Tag irgendwo in diesem weitläufigen Garten mit sich alleine. Es herrscht Ruhe, und im Tal hängen ein paar Frühnebelschwaden. Die einzigen Geräusche, die uns begleiten, sind fernes Hundegebell, Hahnengeschrei von den umliegenden Gehöften und hin und wieder das Hupen der Autos, die sich vor einer engen Kurve ankündigen. Unser Raum ist hell, mit großen Glastüren, die wir manchmal auch offen lassen, um ganz in der Landschaft mit all ihren Gerüchen und Geräuschen aufzugehen. Ohne unsere Gedanken auszutauschen, mit einem Geist, der noch durch nichts abgelenkt wurde, beginnen wir die erste Einheit mit Meditation und Atemübungen. Danach folgt die klassische Abfolge der Asanas. Es ist hier für mich leichter, ganz bei mir zu bleiben, nichts lenkt mich ab.
Erholen, Auftanken, Tränen lachen
Ich fühle mich sehr verbunden mit diesem Flecken Erde. Peters Ausstrahlung, seine ruhige warme Stimme, seine Art, die Asanas anzusagen, helfen mir, Alltag, Hektik, komplizierte Gedankengänge für diese Zeit ganz draußen zu lassen. Hier wird geatmet, sich konzentriert, geschwitzt. Als angehender Arzt weiß er genau um unsere Wehwehchen und geht darauf individuell ein. Das macht für mich einen guten Lehrer aus. Nicht alle über einen Kamm scheren. Peter lehrt uns: „Passt die Asanas an eure Möglichkeiten an – nicht eure Möglichkeiten an die Asanas!“ Leistungsdruck gibt es hier nicht. Jeder Einzelne hat seine Stärken und seine Schwächen. Uns wird gelehrt, uns wahrzunehmen, wie wir sind. Im Yoga kann man nichts erzwingen, körperliche und spirituelle Grenzen kann man erweitern, aber eben nur langsam, durch Stetigkeit und Disziplin.
Ab 10 Uhr erwartet uns ein Brunch Buffet, das extra nur für uns Yogis zubereitet wurde. Obstsalat aus Pfirsich, Melone, Birnen, Trauben vom eigenen Garten, Polentagrießbrei mit Zimt, selbstgebackenes Brot, dunkelrote Tomaten mit Olivenöl und Kräutern, frischer Ricotta und andere Köstlichkeiten. Oft ergeben sich schöne Gespräche, sodass wir unter der Schatten spendenden Laube manchmal bis mittags sitzen bleiben. Die Zeit bis zur zweiten Einheit um halb fünf nützt jeder, wie er will. Ein kleiner Weg führt zu einem Schwimmteich. Wenn wir uns ruhig verhalten, beginnen Frösche zu quaken. Hier kühle ich mich ab, schwimme zwischen blühenden Seerosen. Oder ich lege mich in die rote Hängematte, die zwischen zwei alten Olivenbäumen aufgespannt ist. Dort geht immer ein Luftzug, der die Hitze des Nachmittags erträglich macht. Beim Umherstreifen finde ich stets neue Plätze, die zum Verweilen einladen. Es gibt Steine, die als Liegeplätze dienen, Stühle und Sessel finden sich verstreut im ganzen Areal, sogar ein Bett mit Baldachin steht im Schatten eines großen Baumes.
Das ist das Besondere hier, ich kann mich zurückziehen oder mich mit anderen austauschen, ganz wie ich es eben möchte. Die zweite Einheit dauert fast drei Stunden. Die große Hitze ist vorbei, das Licht hat einen warmen, sanften Ton angenommen, Duft von Lavendel, Rosmarin und Lorbeer hängt satt in der Luft. Wir öffnen die großen Glastüren in unserem Yoga Raum, um in der Natur zu praktizieren. Ich fühle mich erholt, mit Sonne aufgetankt nach den freien Stunden. Peter hat für jeden Tag einen Schwerpunkt gesetzt. Der erste Nachmittag beginnt mit besonderer Aufmerksamkeit für den Bereich Nacken. Es folgt eine Yogatherapiestunde zum selben Thema, danach Hintergrundwissen und individuell abgestimmte Tipps und Übungen für jeden Einzelnen. So geht es jeden Tag weiter: Schultern, Lende, Hüfte. Ich fühle mich schon wie neugeboren! Dass ich einmal einen Bandscheibenvorfall hatte, habe ich hier schon fast vergessen. Das liegt zehn Jahre zurück. Die Schmerzen waren damals unerträglich, begleitet von wochenlangen Infusionen, Infiltrationen und Lähmungserscheinungen im Bein. Ich dachte, ich würde nie wieder Sport treiben können.
Mit Disziplin baute ich meinen Körper wieder auf, konnte wieder Laufen, Ski fahren. Was blieb, waren jährliche Rückfälle, in denen die Schmerzen wieder akut wurden. Vor fünf Jahren fand ich schließlich zum Yoga. Anfangs machten mir die Asanas fast ein wenig Angst. Ich dachte, sie würden mehr kaputt machen als helfen. Ich wurde jedoch eines Besseren belehrt: Seitdem bin ich schmerzfrei und habe eine Beweglichkeit gewonnen, die ich nicht einmal vor dem Vorfall hatte. Die Praxis am Nachmittag ist entspannend, zwischen den Übungen liegen wir auf unseren Matten und lauschen Peters Ausführungen. Ab halb acht ist für uns dann auf der Terrasse unter der Pergola der Tisch gedeckt. Auf einer kleinen schwarzen Tafel steht jeden Tag mit Kreide geschrieben, was uns an Köstlichkeiten erwartet: Caponata Risotto con aceto balsamico – Faraone al cinepro con peper-onata – Crème brulée … mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Wer will, kann auch den hauseigenen Wein verkosten. Wir sitzen manchmal bis Mitternacht zusammen, lachen Tränen und bekommen sogar einmal einen „Verweis“, weil wir zu laut sind. Dieses Jahr waren wir zwölf Personen, und davon haben sich mehr als die Hälfte schon wieder für kommendes Jahr angemeldet. Auch ich bin wieder dabei und freue mich schon jetzt auf eine weitere yoga-intensive Urlaubswoche im Kreise von neu gewonnenen Freunden.
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Text: Susanne Scheithauer
Fotocredits: peterpoeckh.at und casanuova.info
Ausbildungsreihen & Workshop-Programm
Das Wissen um die Grundlagen funktioneller Anatomie, Anpassung der Asanas an anatomische Voraussetzungen, Sinnhaftigkeit von Endpositionen, u. v. m. wird auch anschaulich in Peter Poeckhs Ausbildungsreihen und seinen Workshops vermittelt:
- Yogatherapie Linz
10. Ausbildungsreihe 19.8.2020 – 16.5.2021 - Yogatherapie Mödling
9. Ausbildungsreihe 14.9.2020 – 2.5.2021 - Yoga für ALLE/Linz
3. Ausbildungsreihe: Start März 2021 - 25h-Basic-Anatomie-Ausbildung
Mödling: 9./10.7., 25./26.7., 29./30.8.2020 - 25h-Basic-Anatomie-Ausbildung
Linz: 3./4.10.2020, Wien: 21./22.11.2020 - Spiraldynamik im Yoga
Workshop Eva Hager-Forstenlechner: 14. – 15.9.2020 - Ayurveda meets Yoga
Volker Mehl/Mödling: 8. – 11.10.2020 - Vertiefende Anatomie für Yoga
Workshop Peter Poeckh/Mödling: 7. – 8.11.2020 - Faszienforschung & Yoga
Robert Schleip/Mödling: 14.11.2020 - Erfolgreiche Selbstpräsentation als Yogalehrerin
Workshop Daniela Zeller/Mödling: 15.11.2020 - Anusara Yoga
Workshop mit Birgit Pöltl/Mödling: 29.11.2020 - Peace Food
Workshop mit Ruediger Dahlke/Mödling: 30.11.2020 - Hormon Yoga
Workshop Tanja Odehnal/Mödling: 29. – 30.1.2021 - Philosophie des Yoga
Workshop Eberhard Bärr/Wien: 12. – 14.2.2021 - Philosophie des Yoga
Workshop Jaiveer Singh/Linz: 9. – 11.4.2021 - Yoga kennt keine Demenz®
Workshop mit Natalie Stenzel – 25. – 26. September 2021

Dr. Peter Poeckh ist Arzt, Yogatherapeut, Buchautor und bekannt aus mehreren ORF- u. Ö3-Sendungen, in denen er das Therapeutische Yoga bereits einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat. Er leitet seit Jahren eigene Ausbildungsreihen, in denen u. a. auch umfassende Einblicke in die Zusammenhänge von Yoga und Anatomie/manueller Medizin/Faszien vermittelt werden. Neben seiner Wahlarztpraxis in Mödling leitet Peter auch seit Jahren eine offene Gruppenstunde im Yogazentrum Mödling, in der therapeutische Asanas praktiziert werden und jeder gerne willkommen ist. Darüber hinaus gibt er Yoga Einzelstunden, in denen er ein auf seine KlientInnen und ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Programm erstellt, um sie bei ihrem Heilungsprozessoptimal begleiten zu können.
Kontakt, Infos & Anmeldungen: info@peterpoeckh.at, www.peterpoeckh.at
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