Danja Lutz über die Wichtigkeit von Humor – nicht nur bei unser Yogapraxis, sondern in unserem Leben und dem Anblick von nackten Lehrern …
Lachen erzählt jeder Zelle, wie sich Leben anfühlt. Es ist ein Zulassen von Leichtigkeit, die bewusste Entscheidung, aus den Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten des Moments unseren eigenen „Scherzkeks“ zu backen. Warum die Fähigkeit zu lachen auf unserem Yogaweg und vor allem auf unserem Yogaweg von essentieller Bedeutung ist?
Hasya versus Maya – Grundlose Freude versus Illusion
Das Wort „Hasya“ steht in Sanskrit für jene Art Freude, die sich ohne ersichtlichen Grund aus dem Inneren entwickelt und die nicht mit einer äußeren Situation oder Handlung in Verbindung steht.
Humor ist eine weitere Bedeutung von Hasya. Hier allerdings immer mit einem Bezug zu einem Auslöser für das Lachen. Etwa dann, wenn wir erkennen, dass die Dinge, die wir für soooo wichtig gehalten haben, eigentlich nichts weiter als eine Illusion sind. In der yogischen Tradition wird dieser Fallstrick Maya genannt. Es ist der täuschende Aspekt des Universums, der Schleier, der uns tanzen lässt im ewigen Spiel der Gegensätze zwischen schwarz und weiß, gut und schlecht, Angst und Liebe, lustig und das-ist-jetzt-aber-sowas-von-überhaupt-nicht-mehr-lustig.
Lachen als Gegenmittel
Egal ob geschmunzelt oder gebrüllt, Lachen ist ein Gegenmittel – ganz besonders für zwei sehr überzeugende Aspekte von Maya. Nämlich Kummer und Leid. Ihnen verpassen wir mit hochgezogenen Mundwinkeln einen ordentlichen Dämpfer. Für einige Momente können sich die Schleier heben und es entsteht Leichtigkeit. Es ist eine Öffnung und ein Verstehen, dass die Zukunft ALLES bringen kann. Das, wovor wir uns fürchten genauso wie das Gegenteil oder vielleicht auch etwas ganz anderes. Und der passendste Ausdruck für diese Gewissheit ist ein Lachen. Eines, das uns Entspannung und Weite schenkt, wenn sich das Leben vielleicht gerade wie die Hölle anfühlt. Ein Lachen, das uns sofort auf den Boden, wenn nicht sogar in den Himmel der Tatsachen holt.
Humor und Lachen als Gesundheitsförderung
Gelotologie nennt sich die Wissenschaft über die physischen und psychischen Auswirkungen des Lachens. Sie wurde in den 1960er Jahren vom Psychiater William F. Fry an der Stanford-University begründet. Seither wurde in vielfältigen Studien festgestellt: Lachen ist der Feind von Stress und Anspannung. Es reduziert Gefühle von Wut und Angst und wer regelmäßig lacht, sorgt dafür, dass Endorphine und Serotonin, die V.I.P. der Glückshormone, im Körper ausgeschüttet werden.
Außerdem wurde erkannt: Lachen fördert die Verdauung. Ayurveda sieht dies ähnlich, denn der Humor wird hier wie die Verdauung vom Feuerelement reguliert. Wenn wir lachen, bedienen wir uns der Bauchmuskulatur. Der vom Feuer dominierte Solarplexus wird aktiv und die Verdauungssäfte angeregt. Humor verbessert außerdem unsere Immunkraft, stärkt das Herz-Kreislauf-System und hilft dem Körper, Infektionen abzuwehren.
Ein guter Schenkelklopfer ist allerdings nicht nur zur Prävention, sondern auch in Akutfällen bestens anzuwenden. Anstatt sich in die Abgründe des Leidens zu vertiefen, wenn jemand Schmerzen hat oder krank ist, einfach mal ein bisschen Humor einstreuen. Nicht umsonst leisten die ROTE NASEN Clown Doctors eine so unbezahlbare und wichtige Arbeit bei der Genesung kranker Menschen. Ein lachender Mensch verspürt weniger Nervosität, ist mutiger, gelassener und kontaktfreudiger.

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Fake smiling – funktioniert das?
Du hast grad keinen Grund zum lachen? Kein Problem. Mittlerweile hat die Gelotologie erforscht, dass es relativ egal ist, ob das Lachen echt ist oder wir es vortäuschen. Die Auswirkungen auf unseren Körper und die Psyche sind dieselben. Das bedeutet: wenn du sechzig Sekunden konstant deine Mundwinkel nach oben ziehst, drückt derselbe Muskel auf einen Nerv, wie wenn du wirklich lachst. Das Gehirn wiederum weiß, dass es Zeit ist „Glücks-Hormone“ auszuschütten. Eine Mini-Erholung für dein gesamtes System. Ganz nach dem Motto: Fake it till you make it.
Ha-Hamasté – Spiritualität und Humor
Manchmal wirkt es auf mich so, als würden Menschen ihren Humor am Anfang ihres spirituellen Weges abgeben. Es wird großer Wert darauf gelegt, auch ja ALLES richtig zu machen. Mit Fokus auf die richtige Kleidung, das richtige Verhalten, die richtige Vorgehensweise, das richtige Yoga (oder den richtigen Yoga?). Ernsthaftigkeit wird respektiert und verehrt, Komik und Humor bedeuten eher, dass man es wohl nicht so ganz ernst nimmt mit der persönlichen Entwicklung. Diesen Zugang zur Spiritualität kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich ist Sinn und Zweck meines Übens nicht die Ernsthaftigkeit, sondern eine bewusste, eine liebevolle, eine aufrichtige Praxis. Ich lache oft. Weil es mir hilft, den nötigen Abstand zu gewinnen, um nicht Opfer äußerer Umstände zu werden.
Wenn wir es schaffen, die Geschehnisse (und hin und wieder vielleicht sogar den Schlamassel) in unser aller Leben ein wenig aus der Distanz zu betrachten, dann müssen wir doch feststellen: es kann sich hierbei, bei unserem Wuzi-Erdwesen-Dasein beim besten Willen nicht um eine ernste und sachliche Angelegenheit handeln! Eher um einen großen kosmisch komischen Schmäh. Oder warum bitte sollte man sonst seinen Geografie-Lehrer nackt sehen müssen? Aber mehr dazu später….
Bitte keine Ego-Rankings
Oft schwingt sich eine übertriebene Ernsthaftigkeit gemeinsam mit dem Ego in atemberaubende Höhen auf, wenn es darum geht, absolute Sicherheit in der Überzeugung zu entwickeln: „Ich bin aber weiter als du“. Ein Traumpaar, wenn Spiritualität zu etwas degradiert wird, das erst Beweise und Rankings braucht, um seine Existenzberechtigung zu erhalten und exhibitionistisch zur Schau gestellt werden muss.
Bei einem wirklichen Lachen verschwindet dieses besagte Ego komplett. Und mit dem Ego verschwinden Sorgen, die Zukunft und die Vergangenheit. Alles geht, nur eines bleibt: Der Moment selbst. Und genau hier verschmelzen Spiritualität und Humor. Beide sind nicht wirklich möglich, wenn das Ego dazwischen funkt. Genuines Lachen geht nur wenn der Intellekt pausiert. Ansonsten wird aus Lachen schnell Sarkasmus und aus Spiritualität eine gut inszenierte Ego-Show.
Echtes Lachen ist ein Aufleuchten der Seele, das uns in einen Zustand versetzt, in dem wir sogar unsere Schwächen mitfühlend annehmen können. Humor kann heilsam sein. Er distanziert uns vom Schicksal des eigenen Lebens. Humor ähnelt auch hier spirituellem Erwachen und beschreibt eines der Ziele des Yoga. Nämlich ein Überwinden der Identifikation mit den Umständen und das Kultivieren einer immer gleichbleibenden beobachtenden Bewusstheit.

Humor auf der Yogamatte
Wenn du das nächste Mal an einem nicht so guten Tag stocksteif auf der Yogamatte rumturnst und dein Dreieck aussieht, wie vom Winde verweht, dann umarme dich selbst mit einem liebevollen Lächeln. Und wenn in einer Yogastunde bei der Feueratmung ein bisschen Rotz durch die Gegend fliegt, dann gibt es keinen Grund für peinliches Berührt-Sein, sondern höchstens für ein bisschen Gegacker.
Wenn (meine) Yoga-SchülerInnen sich regelrecht hinein verbeißen in eine fordernde Praxis, dann hilft ein guter Schmäh. Punktgenau und Immer. Das Lachen löst die harten geistigen Muster („Nein, ich kann das nicht!“), die in anstrengenden Momenten oft die Praxis begleiten und mobilisiert spielerisch brach liegende Kraftreserven. Letztens erzählte eine Yogaschülerin ganz stolz, dass sie nun wisse, wie man Bula Mandha richtig setzt. Sie meinte Mula Bandha (eine yogische Energietechnik) und ein Anfall von Heiterkeit war uns sicher. Ich sage nur: Yoginis in Höchstform.
Wahre Gurus haben viel Humor!
Der weise Guru ist nicht an seiner staubtrockenen Miene und dem stechenden Blick zu erkennen, sondern an seiner Fähigkeit seine eigenen nicht ganz so makellosen Seiten und dem kosmischen Schmäh – genannt Leben – mit einem entspannten Lächeln oder vielleicht sogar mit einem fidelen Gelächter zu begegnen.
Man denke nur an den „Laughing Buddha“, den sogenannten „Glücks-Buddha“. Er ist eine populäre Figur der japanischen und chinesischen Volksreligion, ein liebender Mönch, der vor tausend Jahren lebte und Glück und Freude verbreitete. Sein Bündel ist immer Prall gefüllt mit Geschenken, die er genügsam verteilte. Anstatt Probleme zu fürchten, lehrte er die Menschen, sich von ihnen zu distanzieren und darüber zu lachen. Denn ob wir lachen oder weinen, das Problem wird sich dadurch nicht ändern. Warum es also nicht wenigstens lustig haben?
Und das liebste Hobby des Dalai Lama? Nach seinen eigenen Angaben: Lachen. Und wahrlich ist er bekannt für seine Witze und das heilige Kichern, das seinen ganzen Körper zum Beben bringt. „Wenn Leute Lachen, sind sie fähig zu denken“ ist der Dalai Lama überzeugt und auch hier mag es darum gehen, das Spiel der Illusion zu durchschauen, obsolete Konzepte ad absurdum zu führen und ein Knirschen in den Balken starrer Formen zuzulassen.

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Apropos entspanntes Lachen und (nackte) Lehrer
Seit meiner Jugend habe ich eine Begabung für unpassende, skurrile und komische Situationen. Ich bin tollpatschig und ungeschickt. Prinzipiell lache ich laut, bei ganz besonders ekstatischen Anlässen begleitet von Grunzen. Nach Abklingen des Anfalls gibt es als Abrundung dann noch heftigsten Schluckauf. Das geht so seit meiner Kindheit, nur die Götter und Göttinnen wissen, warum. Mit diesem besonderen Verhalten habe ich in meiner Schullaufbahn dann doch die eine oder andere Stunde „gestört“,viele Mitschüler:innen angesteckt und ganze Massen-Lachkrämpfe ausgelöst.
Eines meiner besonderen Highlights ereignete sich in der siebenten Klasse Gymnasium. An diesem Tag fand ein Basketball-Turnier in unserer Schule statt, bei dem sich eine meiner Mitspielerinnen verletzte. Ohne lange zu fackeln, stürmte ich in den Umkleideraum der Sportlehrer – ohne anzuklopfen. Ich riss die Tür auf und Schock lass nach, stand da doch mein Geografie-Lehrer splitterfasernackt vor mir. Zuerst die Popo-Ansicht. Und als er sich vor Schreck umdrehte, auch noch von vorne. Mit roten Bäckchen quiekte ich eine Entschuldigung, die Tür fiel ins Schloss und ich flüchtete. Am liebsten wäre mir gewesen, auf nimmer Wiedersehen.
Die ganze Geschichte entwickelte sich zum Running Gag, ab sofort war ich in Lehrer-Kreisen nur noch als „die neugierige Lutz“ bekannt, vor der man sich besser in Acht nahm. Ich trugs mit Humor und mein Lehrer Gott sei Dank auch. Jedes Mal wenn wir uns begegneten mussten wir schmunzeln.
Einladung zum Selbsthumor
So peinlich und unangenehm solche Situationen im ersten Moment auch sein mögen, so haben sie doch immer etwas Verbindendes an sich. Etwas, das uns erkennen lässt, dass wir alle hinter all den Rang- und Hackordnungen Menschen sind, die sich danach sehnen, so sein zu können, wie wir wirklich sind. Und ein humorvoller Umgang miteinander schenkt uns genau diese Möglichkeit des gegenseitigen Annehmens in unserem Echtsein.
Ich weiß nur zu gut, da gibt es immer wieder die Angst, sich lächerlich zu machen und nicht ernst genug genommen zu werden. Aber trau dich. Sorge dich nicht darum, was andere Menschen über dich denken. Mache den Anfang. Lache. Lache viel und vor allem länger und lauter als du glaubst, dass du solltest. Und du wirst sehen, es ist ansteckend. Wenn du lachst, lädst du deine Mitmenschen dazu ein, es dir gleich zu tun und sich einfach mal im Glücklich-sein zu versuchen.
Spiritualität und Herzlichkeit
Wahrhaftige Spiritualität zeigt sich für mich in einer großzügigen Offenheit des Herzens. Ein Ausdruck des Sich-Öffnens, des sich ganz und gar verletzlich Zeigens, ist die bergeversetzenden Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Dieses Auftun macht wie jedes Ablegen von Schutzmänteln verwundbar, aber nicht angreifbar. Nichts lässt mehr Grenzen umfallen, als ein herzerfülltes, wohlwollendes Lachen. Es stiftet friedvollen Gleichmut, schafft einen behaglichen Raum, eine Basis für wahrhaftigen zwischenmenschlichen Austausch und ein sich gegenseitiges Erfahren in Würde.
Wer in gewissen Belangen über sich selbst lachen kann, ist bereits gut auf dem Weg. Wer in jeder Hinsicht über sich selbst lachen kann, ist im spirituellen wie humoristischen Zenit angelangt. Wenn wir das beherrschen, sind wir (zumindest in diesem Moment) frei von Glaubensmustern und Selbstkonzepten. Mehr ist – spirituell betrachtet – in meinen Augen kaum möglich.
In der Praxis würde das bedeuten, dass wir jeden Aspekt unseres Mensch-Seins dem Gelächter anderer preisgeben können, ohne gekränkt zu sein und keine Notwendigkeit für Rechtfertigungen oder Rechthaberei besteht. Das ist wahre Freiheit. Hier ist der Egotrip ein für alle mal beendet.
Adieu, Richtig und Falsch!
Um diese Freiheit zu leben, gilt es zunächst, sich von der weit verbreitenden Überzeugung zu lösen, es gäbe nur EINE richtige Auffassung der Welt, nämlich die eigene. Und mancher vom Schicksal gebeutelte Mensch mit stets ernsthaft-versteinerter Miene bleibt diesem Konzept, so scheints, Zeit seines Leben treu. Ganz nach dem Motto: Nichts ist so schwer zu ertragen, wie eine Reihe guter Tage. Verneint konsequent jedes Fünkchen Humor, mit dem es so leicht wäre, vom Thron der eigenen Wahrheit herunterzuklettern und selbst in verfahrenen Situationen ganz geschmeidig die Kurve zu kriegen.
Diese Menschen vergessen einen wesentlichen Punkt: Wer im Recht oder Unrecht ist, wer Täter und wer Opfer ist, spielt im spirituellen Leben keine Rolle. Stattdessen dreht sich alles um die Frage, wie wir Freiheit leben können. Und da spielen Ego, Stolz und das Bestehen darauf, Recht zu haben, die Hauptrollen als der Freiheit größte Feinde.
Humor wie Spiritualität verlangen eine Herabsetzung des Egos und beide schaffen Abstand zur eigenen (eingebildeten) Wichtigkeit und Wahrheit. Umberto Eco hat es in „Der Name der Rose“ wunderschön formuliert: „Vielleicht gibt es am Ende nur eins zu tun, wenn man die Menschen liebt: sie über die Wahrheit zum Lachen bringen, denn die einzige Wahrheit heißt: lernen, sich von der krankhaften Leidenschaft für die Wahrheit zu befreien.“
Video-Tipp zu Humor
Fotocredit Collage: pexels.com
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