Die Rig Veda, die zu den ältesten bekannten Schriften der vedischen Literatur zählt, beginnt mit den Worten Agnimide Purohitam. Agni bedeutet Feuer, und in diesem ersten Vers wird Agni als heilige und göttliche Form angerufen.
Feuer löst bei jedem Menschen auf dieser Welt unterschiedliche Assoziationen aus, je nach Kulturkreis und Zeitalter. Für die einen sind es Lagerfeuer und Grillen in lauen Sommernächten, für die anderen der knisternde Kamin im Winter, wieder andere kennen Feuer zum Kochen aus der Küche oder zum Verbrennen von Müll auf der Straße. Hermann Hesse schrieb in „Sehnsucht nach Indien“: „Aber auch jenes schwelende Holzfeuer im Freien, das seinen Rauch über die Erde wehen lässt, mahnt an Südasien, mahnt an die Küsten des Meeres und an die Ufer der großen Urwaldströme, wo überall den ankommenden Fremden als ersten Gruß der leis duftende Rauch dörflicher Feuer empfängt.“
Der Zweck des Feuers mag unterschiedlich sein, ist aber immer weltlicher Natur. Warum beginnt dann dieser heilige vedische Text mit dem Wort Feuer? Nun, man muss weder religiös noch spirituell sein, um nachzuvollziehen, dass Feuer eine archaische Kraft besitzt, der wir uns nur schwer entziehen können. Das gelb-rötliche Licht, die angenehme Wärme oder brennende Glut ziehen uns in ihren Bann, und als Beobachter tanzender Funken überkommt uns eine innere Stille, die meist tiefgründige Gedanken hervorbringt.
Der vorliegende Artikel will versuchen, die oben genannte Frage zu beantworten und dabei aufzeigen, welche Verbindung zwischen Yoga und dem Feuerritual Yagya existiert.
Im modernen Indien des 21. Jahrhunderts ist das Wissen um die tiefere Bedeutung und die korrekte Ausführung von Yagyas ein fast verloren gegangenes Gut geworden, zu dem traditionellerweise nur Brahmanen Zugang hatten.
Pandit Shriram Sharma Acharya (1911–1990), ein indischer Gelehrter, Aktivist im Unabhängigkeitskrieg und vollendeter Yogi, gehörte zu den Ersten, die mit voller Überzeugung und großem Mut gegen die starren Traditionen Indiens ankämpften, um die Yagyas aus der rituellen Versenkung zu heben. Er belebte sie wieder, schrieb deren präzisen Ablauf und die richtigen Mantren auf und machte sie frei zugänglich. Er forderte alle Mitmenschen auf, täglich Yagyas abzuhalten – ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Bildung oder sozialen Stellung. Nach Jahrzehnten harter Arbeit und Widerstände werden heute nach seinem Vorbild in den von ihm gegründeten Zentren in Indien (siehe Infobox) täglich zu Sonnenaufgang unzählige Yagyas durchgeführt. Zudem werden auf dem Campus der Yoga-Universität DSVV und im Brahmavarchas Research Institute nach modernsten Methoden die Wirkungen von Yagyas auf Gesundheit und Umwelt gemessen und in anerkannter Fachliteratur diskutiert.
In seiner äußeren Form ist Yagya ein jahrtausendealtes Ritual, in dem die Teilnehmer um ein Feuer auf dem Boden sitzen und das havan samagri, eine Mischung aus Kräutern, Gewürzen, Harzen, Ghee und Blumen den Flammen opfern, während gemeinsam Mantren rezitiert werden. Ein Priester oder ein mit dem Ritual Vertrauter leitet die Zeremonie, die zwischen 30 und 60 min dauert. Je nach Größe der Feuerstelle können üblicherweise gut ein Dutzend Leute aktiv teilnehmen.
Die Wichtigkeit von selbstlosem Handeln wird während der Yagya-Zeremonie ganz besonders durch das Singen von idam na mama hervorgehoben, das jedes Mal rezitiert wird, wenn die Teilnehmer etwas von der Opfergabe (havan samagri) zwischen die Finger der rechten Hand nehmen und ins Feuer geben. Idam na mama bedeutet „Das ist nicht meins“, drückt aus, dass materielle Ressourcen, Besitz und Status in unserem Leben entweder direkt oder indirekt von dem Zusammenspiel zwischen Individuum und Gesellschaft stammen. Durch das Bekenntnis idam na mama trennen wir uns bewusst von einem materiellen Besitz, führen alles wieder dem Ganzen zurück. Yagya lehrt uns eine positive Einstellung zum Leben, in der wir immer unser Bestes leisten und geben können und dadurch Respekt, Zusammenarbeit und altruistisches Handeln in unser Leben integrieren. Um den tieferen Sinn von Yagya zu begreifen, kann man sich zunächst dem Wort aus einer linguistischen Betrachtung nähern. Yagya kommt von dem Sanskrit-Verb yaj, das drei Bedeutungen hat: devapujan, Gottesanbetung, sangatikarana, Herstellen von Harmonie, und dana, Wohltätigkeit. Diese Begriffe sind sowohl in unserer spirituellen Praxis als auch im Alltag von Bedeutung.
Text: Tara Gupta
War das schon alles? Nein!
Den ganzen Artikel und vor allem die Anleitung für Ihr persönliches Feuerritual finden Sie in der yoga.ZEIT Ausgabe 17 / Oktober 2014 und als E-Book.