Welche Gründe gibt es, sich vegetarisch zu ernähren? Seit wann existiert der Vegetarismus und was hat Patanjali dazu zu sagen?
Du bist also Vegetarierin?“ „Und warum? Weil du Yoga machst?“ „Aber Fisch isst du dann schon, oder?“ „Und wo bekommst du dein Eisen her?“ „Ich könnt das nicht. Auf ein gutes Steak möchte ich nicht verzichten.“ „Also ich ess eh auch sehr wenig Fleisch, und ich schau immer ganz genau, woher es kommt.“ Gute Bekannte in der Liga der Reaktionen, wenn ich zum Ausdruck bringe, dass ich kein F****** esse. Ich denke, ich bin wohl nicht die Einzige, die manchmal bei diesen Reaktionen tief durchatmet.
Viele Vege, tarisch zu sein
Menschen, die sich „pflanzenbetont“ ernähren, haben viele bunte Etiketten: Ovo-Lacto-Vegetarier, Ovo-Vegetarier und LactoVegetarier verzichten nur teilweise auf tierische Produkte und nehmen Milchprodukte und Eier in Kauf oder Einkauf. Veganer/innen halten sich gänzlich von Produkten von Tieren fern – inklusive von Eiern, Milchprodukten, Honig, Gelatine, Leder, Pelzen, Schafwolle, Angora, Mohair und Seide. So genannte „Puddingvegetarier“ oder „Puddingveganer“ sind zwar nicht so für Fleisch und Fisch, aber sehr für Fertigprodukte, Süßigkeiten und anscheinend auch Pudding. Soweit zu den Etiketten. (Und eine wichtige Information noch: Fisch ist Fleisch. Schwarm drüber!)
Es war einmal der Vegetarismus
Die Wörter Vegetarismus und Vegetarier sind seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Das englische Wort „vegetarianism“ leitet sich ab von „vegetation“ („Pflanzenwelt“) und „vegetable“ („pflanzlich“, „Gemüse“). Andere Quellen führen es auf das lateinische Wort „vegetus“ („lebendig, frisch, kraftvoll“) zurück. Der Begriff „vegetarian“ ist erstmals 1839 belegt. Allgemein gebräuchlich wurde er erst durch Gründung der englischen Vegetarian Society im Jahr 1847. 1944 wurde von einem gewissen Herrn Donald Watson die Vegan Society gegründet.
Um auf die Bezeichnung „vegan“ zu kommen, nahm Watson einfach die ersten drei und die letzten zwei Buchstaben des Wortes „vegetarian“, da er meinte, dass Veganismus mit Vegetarismus beginne und ihn zu seinem logischen und konsequenten Ende führe. Eine Lebensweise, die pflanzliche Ernährung bevorzugt, ist daher kein neuer Trend, den Gwyneth Paltrow oder auch Pierce Brosnan liebevoll mit einem Lächeln unterstützen. Im Gegenteil, die Wurzeln des Vegetarismus wachsen vermutlich bis zum Anbeginn der Menschheit. Ich wachse hier kurz ins 6. Jahrhundert v. Chr, in die griechische Antike. Damals meinte Pythagoras, dass a² + b² = Vegetarier seien. Nun gut, nicht ganz, aber der griechische Philosoph, der uns aus der Schule hauptsächlich dank seiner Beiträge für die Mathematik bekannt ist, lebte in einer Gemeinschaft, in der an Seelenwanderung geglaubt, meditiert, philosophiert und bewusst diniert wurde. Pythagoras sah vom Fleischverzehr ab, um „Enthaltung von Beseeltem“ zu praktizieren. Dies legte er auch seiner Anhängerschaft ans Herz, genauso wie den Verzicht auf Eier und Tieropfer. Demnach hieß einer der ersten Vegetariervereine der Gechichte „Pythagoräer“. Ihre Motive waren philosophisch-religiöser Natur. Wobei wir bei einer wichtigen Frage wären …
Warum eigentlich vegetarisch ernähren?
Der eine spürt, dass es ihm in seiner spirituellen Entwicklung hilft, die andere hat „Ein Schweinchen namens Babe“ gesehen, der Nächste ist überzeugt, dass es ihm gesundheitlich einfach besser geht, der Übernächste will abspecken, die dort hat das Tierleid eindeutig satt und will dazu beitragen, dass der CO-Ausstoß weniger wird, und dem dort schmeckt einfach kein Fleisch. Beweggründe für eine vegetarische/vegane Ernährung gibt es viele. Wie zum Beispiel
Öko – Gründe – Nomisch und logisch
Viele Menschen kosten Fleisch, aber Fleisch kostet auch – Luft, Wasser, Erde, Energie und Geld. Das von den Kühen bei der Verdauung ausgeschiedene Methangas übertrifft laut Wissenschaftler Josef H. Reichholf die Klimaauswirkungen des gesamten motorisierten Verkehrs der Erde. Yogalehrerin Sharon Gannon schreibt in „Das vegane Kochbuch“ (herausgegeben von Sandra Forster): „Rund 9.400 Liter Wasser werden benötigt, um ein halbes Kilo Fleisch zu erzeugen, nur rund 90 Liter dagegen, um ein halbes Kilo Weizen zu bekommen. (…) Tierzucht zur Fleischproduktion ist mehr für die Wasserverschmutzung verantwortlich als jede andere Industrie. Die Abfälle der Farmen enthalten hochgradig giftige Bestandteile, die von Pestiziden, Antibiotika, Hormonen und anderen pharmazeutischen Stoffen stammen; sie werden in Flüsse und ins Meer geleitet und gelangen in unser Grundwasser.“ Ganz zu schweigen von der Abholzung des Regenwaldes und der Überfischung der Weltmeere – ebenfalls ausgelöst durch die Fleischindustrie. Wie meinte Albert Einstein? „Nichts wird die Chancen für ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zu einer vegetarischen Ernährung.“
Gesundheitliche Gründe
Studien belegen, dass Menschen, die sich vegetarisch ernähren, statistisch gesehen länger leben und seltener von Übergewicht, Erkrankungen des HerzKreislaufystems, Gicht, Schlaganfällen, Altersdiabetes oder hohen Cholesterinwerten betroffen sind. Der Fleischverzicht spielt dabei jedoch eine geringe Rolle. Was diesen Studien zufolge mehr Bedeutung hat, ist der insgesamt bewusstere Lebensstil von Veganer/innen und Vegetarier/innen – diese würden weniger rauchen, weniger Alkohol konsumieren und mehr Sport machen.
Doch, mit einem bloßen Verzicht auf tierische Lebensmittel ist man und isst man noch nicht automatisch gesünder; es braucht auf alle Fälle eine Auseinandersetzung mit ausgewogener Ernährung. Aus Erfahrung weiß ich selbst, dass Vegetarier/innen und Veganer/innen vor allem auf Eisen, Proteine und Kalzium angesprochen werden. Darum nur kurz ein paar Worte zu diesen drei Nährstoffen. (Um alle zu erwähnen, die der Körper braucht, müsste ich deine ganze yoga.ZEIT in Anspruch nehmen, und das geht sich dieses Mal nicht aus …) Nahrungsmittelkombinationen und Zubereitungsarten helfen dem Körper, unter Versorgung zu stehen und nicht an Unterversorgung zu leiden. Werden zum Beispiel eisenhaltige Lebensmittel mit Vitamin C kombiniert, oder verwendet man gusseiserne Töpfe, kann die Aufnahme des wichtigen Mineralstoffs besser verlaufen. Hirse hat viel Eisen, Braunhirsekeimlinge sind eine wahre Eisenbombe. Wenn du das nächste Mal beim Inder essen und es heißt „Das Dhal der Wahl“, dann schlemme einfach Reis dazu und schon sind sie von Eiweißheit erfüllt. Wenn du lieber zum Mexikaner gehst, dann entscheide dich für Tacos mit Bohnen und Mais – muy bien!
Noch kurz zum Thema Kalzium: Milch ist da bei weitem nicht der große Spender schlechthin! Kalzium ist zwar in Milch enthalten, aber ein hoher Eiweißverzehr (vor allem tierischer Natur) führt zur Ausscheidung von Kalzium über die Nieren. Generell empfiehlt es sich für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, sich ab und zu durchchecken zu lassen. Einfach um sicher zu gehen, dass die Blutwerte auch Gutwerte sind.
Ethische Gründe – Eid gegen Leid
Ethik in Bezug auf Konsum ist ein heikles Thema. Egal, in welche Industrie man blickt, stets kommen unschöne Tatsachen ans Licht. Bleiben wir jedoch bei der Produktion tierischer Konsumgüter. Kühe sind „dauerschwanger“, damit sie Milch geben. Männliche Küken sind bloß „Eintagsküken“, denn sie haben einfach keinen Wert. Männliche Schweine werden häufig ohne Narkose kastriert. Merino-Schafen in Australien werden rund um den Schwanz Fleisch weggeschnitten und die Haut von den Oberschenkeln abgezogen, damit Fliegen keine Larven in die Hautfalten der Schafe legen können. (Die ihnen davor jedoch von Menschen an gezüchtet wurden, koste es, was es Schafwolle …)
Braucht es noch mehr Bilder? Viele davon kennen wir doch, oder? Vieles davon nehmen wir wahr, beobachten wir, doch verstehen wir es? Wollen wir wirklich etwas davon wissen? Konsum hat viel mit Gewohnheit zu tun, und aus einer Gewohnheit, in der man lange gewohnt hat, auszuziehen, kann mühsam sein. Aber auch Spaß machen! Je nachdem, wie man Umzug oder Konsumzug für sich gestaltet.
Eines der Prinzipien Patanjalis heißt Ahimsa – Gewaltlosigkeit oder Nicht Verletzen bzw. Freundlichkeit, Rücksicht und Mitgefühl in Gedanken, Worten und Taten. Ahimsa darf sowohl anderen als auch sich selbst gegenüber praktiziert werden. (Quasi: „Pass gut auf die anderen auf, lieber Yogi, und auf dich selbst.“) Es gilt, allem Lebendigen gegenüber eine wertschätzende Sensibilität zu entwickeln und zu lernen, in jeder Situation abzuwägen, welche Verhaltensweise den geringsten Schaden anrichtet. Aufgrund dieses Respekts allen Lebewesen gegenüber, bekörpern, begeistern und beseelen sich viele Yogis und Yoginis für bewusste und vegetarische Ernährung. Und Ernährung umfasst ja nicht nur die Nahrung, sondern auch die Art und Weise, wie man sich nährt – welche Haltung, Zeit, Dankbarkeit und Aufmerksamkeit man dem Essen schenkt. Voll Wert kost! Mach ich auch ja alles richtig? Wir, die wir in der Überfülle von Konsumgütern leben, haben großteils die Wahl, uns so zu ernähren, wie wir wollen. Und egal, in welcher „Ernährungsschublade“ wir gerade essen, hinter jedem Konzept verbirgt sich der Wunsch, es richtig zu machen. Richtig für die Gesundheit, die Seele, den Geist, das Karma oder die Welt. Is(s)t es nicht schön, dass jeder und jede das „Richtige“ für sich selbst herausfinden darf und kann?
Fotocredits: tibits.com
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