Man wird wie das, was im eigenen Sinn und Denken herrscht – das ist das immerwährende Geheimnis.
(Upanishaden).[1]
Wenn du das liest: “Gesund Denken” – woran denkst du da zunächst? Was könnte das bedeuten?
Wie und wo spürst du angenehme Gedanken?
Denken kann Einfluss auf unser Befinden, unser Wohlfühlen und damit auch auf unsere Gesundheit nehmen. Ein einfaches Beispiel: Denke für einen Moment an etwas sehr Angenehmes – eine Erinnerung, etwas, das dir viel bedeutet, eine Begegnung oder ähnliches. Spüre dann einen Moment in deinen Körper hinein. Welche Empfindungen signalisiert dir dein Körper? Wo und wie kannst du diese angenehmen Gedanken in deinem Körper wahrnehmen? Wie drückt sich Wohlbefinden für dich aus?
Physiologisch betrachtet wirken Gedanken auf unser vegetatives Nervensystem, welches dann beispielsweise mit einer Verringerung des Herzschlags, einem Senken des Blutdrucks, einer verlangsamten Atmung oder einem Nachlassen von Spannung in der Muskulatur reagieren kann. Das wirkt auch umgekehrt.
Wie und wo spürst du unangenehme Gedanken?
Auch hier ein Beispiel: Denke für einen Moment einen typischen „Ich muss…“- Satz. Überlege, wie häufig du dir selbst „ich muss …“ sagst. Nimm dir wieder einen Moment Zeit, hineinzuspüren, welche Empfindungen dein Körper jetzt signalisiert. Belastende Gedanken – und als solche werden „ich muss…“- Sätze bisweilen im Nervensystem registriert, denn sie signalisieren ja einen Zwang und keine freie Entscheidung – können in unserem vegetativen Nervensystem das Gegenteil bewirken. Der Herzschlag wird beschleunigt. Der Blutdruck steigt. Die Muskulatur gerät in Spannung und viele weitere Reaktionen sind möglich.
Aus “ich muss” wird …
Was Abhilfe bei “Ich muss”-Gedanken bringt? Richtig, diese umzuwandeln. Versuche nun, deinen „Ich muss…“- Satz zu verändern. Also zum Beispiel: Statt „Ich muss noch die Wohnung putzen“ denke vielleicht: „Ich werde jetzt die Wohnung putzen, weil ich freue mich, wenn es wieder sauber ist“. Bemerkst du einen kleinen Unterschied in der Reaktion deines Körpers, je nachdem, wie du denkst?

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Gesund denken, nicht positiv denken
Der deutsche Philosoph Albert Kitzler[2] lässt uns wissen, dass schon Sokrates darauf hingewiesen hat: „Eine gute Seele lässt durch ihre Weisheit dem Körper die beste Pflege zukommen.“ Und unseren Seelenhaushalt in Ordnung zu halten, das hat viel mit unserem Denken, unseren Vorstellungen und Werten zu tun. Gesund Denken ist übrigens nicht „positives Denken“! Wir sollen Negatives keinesfalls ignorieren, vielmehr ist Gesund Denken ein Denken, das auf ein besseres Verständnis von uns selbst und der Welt gerichtet ist.
Unser Fühlen und unser Handeln hängt wesentlich davon ab, was wir denken und wie wir es denken, wie wir die Welt sehen und verstehen und was wir wollen und ersehnen.
Albert Kitzler veranschaulicht das „Heilmittel“ Denken sehr gut an mehreren „Leiden“. Ein typisches Beispiel: chronischer Stress und Überforderung (was vielen von uns vertraut sein dürfte.) Wir können nun einen Augenblick in uns gehen und fragen, was die Ursache dafür sein könnte. Vielleicht erkennen wir, dass Überforderung auch oft mit unseren Wünschen in Verbindung steht. Wir wollen unsere Arbeit gut machen. Anerkennung bekommen. Erfolg haben. Geld verdienen. Und einiges mehr. Natürlich gehört das Haben-wollen zu unserem Leben. Nicht der Wille ist also das Problem, sondern unser Umgang damit, der bisweilen zur Überforderung führt. Vor allem dann, wenn die Umstände oder unsere Umgebung dabei nicht mitspielen. Oder wenn uns die Anforderungen, Erwartungen oder Aufgaben zu viel werden. Der griechische Philosoph Epikur meint dazu: „Nicht der Bauch ist unersättlich, sondern die falsche Vorstellung von dem unbegrenzten Anfüllen des Bauches.“
Welche Wert- und Zielvorstellungen hast du?
Unser Handeln ist motiviert durch unsere Lebensziele und diesen liegen Werturteile zugrunde, Urteile darüber, was für uns im Leben wichtig ist und was es ist, das uns das tun lässt, was wir tun und das es uns so tun lässt, wie wir es tun. Gesund Denken kann bedeuten, uns unsere Wert- und Zielvorstellungen bewusst zu machen, regelmäßig zu hinterfragen und zu relativieren. Was ist es, das uns antreibt? Warum mühen wir uns so ab? Woher kommen unsere Wertvorstellungen? Aus der Erziehung, der Gesellschaft, weil „man“ das so tut, wer ist denn „man“ eigentlich? Und wie sehen die ganz persönlichen, inneren Bedürfnisse aus?
Grenzen bewusst wahrnehmen
Eine weitere Möglichkeit, mit Gesund Denken unserem alltäglichen Stress zu begegnen ist, sich die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit bewusst zu machen. Worin besteht das gesunde Maß, mit der wir unsere Aufgaben angehen? Wie bewusst und konzentriert sind wir bei dem, was wir gerade tun? Wann schweifen unsere Gedanken ab in ein „noch mehr, noch schneller …“? Sind unsere Wünsche und Ziele im Einklang mit unseren Kräften?
Dazu erzählt uns Albert Kitzler eine kleine Geschichte des Philosophen Demokrit: [3]
Es war einmal ein sehr trauriger Schüler, der seinen spirituellen Meister fragte: „Bitte, lieber Lehrer, kannst du mir endlich das Geheimnis verraten, um wirklich glücklich zu sein? Ich will auch so glücklich sein, wie du es immer bist.“
Der Meister antwortete mit einem milden Lächeln: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Und wenn ich esse, dann esse ich.“ Der Schüler schaute verdutzt: „Was du mir sagst, mache ich doch auch. Ich liege, stehe auf, gehe und esse. Aber ich bin nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?“ Daraufhin fügte der Meister hinzu: „Sicher liegst du auch, stehst auf, gehst und isst. Aber während du liegst, denkst du schon ans Aufstehen. Während du aufstehst, überlegst du, wohin du gehst und während du gehst, fragst du dich schon, was du essen wirst. Solange du nicht vollkommen gegenwärtig bist, liegen deine überflüssigen Gedanken wie eine schwere Last auf deinen Schultern.“
Das waren nur einige Beispiele aus einer Reihe von Möglichkeiten, wie mehr Bewusstheit zu besserer Lebensqualität führen kann. Gesund Denken, das bedeutet auch, klar und geordnet zu denken. Daraus kann Gelassenheit resultieren, wir spüren mehr innere Ruhe und Kraft, trainieren unsere Resilienz und finden Wege zu größerer Balance und Stimmigkeit in unserem alltäglichen Leben. Wir können ein Musikinstrument lernen, eine Sprache oder eine Sportart. Und wir können denken lernen. Gesund Denken.
Wenn du darüber mehr erfahren möchtest und Unterstützung im Finden deines gesunden Denkens brauchst, dann freue ich mich sehr, auf eine Begegnung mit dir in meiner Praxis. (Kontakt siehe bitte unten)
Literatur:
Kitzler, Albert: Denken heilt. Philosophie für ein gesundes Leben. München: Droemer Knaur 2017.
[1] Kitzler: S.7.
[2] Im Folgenden: vgl.: Kitzler, Albert: Denken heilt. Philosophie für ein gesundes Leben. München: Droemer Knaur 2017.
[3] Kitzler: S.55.
Über die Autorin
Dr. med. Sita Silvia Sitter ist Therapeutin in eigener Praxis in Wien. Praxisschwerpunkte: Beschwerden des Bewegungsapparats, postoperative Beschwerden, Stress- und Überlastungssymptome, vegetative Dysbalancen, Traumabewältigung, Burnout- und Stressbewältigung, Salutogenese und Resilienztraining, Bewusstseinsschulung und philosophische Praxis, Visionsentwicklung.
Referentin am Universitätssportinstitut Wien, in mehreren YogalehrerInnen-, Nuad- und Ayurveda- Praktiker*innen-Ausbildungen und an der Vitalakademie Wien.
Medizinisches Lektorat populärmedizinischer Bücher und Gesundheitsratgeber.
“Im Zentrum meiner therapeutischen Arbeit steht der Mensch in seinen bio-psychomental-sozialen Zusammenhängen, also in seiner Ganzheit, ich möchte Körper, Geist und Psyche nicht trennen, und, wenn es passt, fließen alle Ebenen in den therapeutischen Prozess mit ein.
Meine Arbeit ist auch sehr salutogenetisch und Resilienz- und Ressourcen- orientiert, mein Focus liegt auf der Problemlösung und der Stärkung aller Ebenen, die Biographie bekommt natürlich den Raum, den sie braucht.“
Dr. med. Sita Silvia Sitter
Therapeutin – Medizinerin – Philosophin
Email: sita@sita-balance.at
sita-balance.at
Fotocredits: Sujetbild – Medical vector created by freepik – freepik.com
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