Mama erfüllt. Auch ohne Kind.
oder: Wieso Erfüllung nichts mit Kindern zu tun hat.
Letztens las ich einen Artikel mit dem Titel „Wieso ich keine Kinder brauche, um erfüllt zu sein“ und stieß dabei auf innere Widerstände. In unserer Gesellschaft herrscht wohl immer noch das Bild davon, dass Frauen anscheinend nur dann erfüllt sind, wenn sie Kinder haben und Kinder immer noch der Inbegriff für Erfüllung sind.
Besagter Titel lies ganze Welten des Reflektierens in mir erwachen. Ich machte mir grundlegende Gedanken dazu, was mich selbst als Frau, Mutter, Mensch erfüllt und wieso es definitiv nicht mein Kind ist. Oder besser gesagt, nicht nur mein Kind.
Kinder sind nicht da, um unsere menschlichen Löcher zu stopfen oder leere Teile in uns, die wir nach Außen projizieren und von jemand anderem erfüllt sehen wollen. Kinder erfüllen das Leben nicht. Sie erweitern es. Sie machen es schöner, tiefer, intensiver, anstrengender. Viel anstrengender. Frau hat wenig bis gar keine Zeit für sich und ihre Bedürfnisse. Sie arbeitet Tag und Nacht, denn Mama-Sein ist ein 24/7 Job. Kein Wochenende. Kein Urlaub. Zumindest solange die Kleinen sehr klein sind. Wie erfüllend das für eine Frau ist, wenn sie oft nicht mal Zeit hat sich zu duschen, sei dahingestellt. Wie erfüllend ist es, wenn Machtspiele im Trotzalter den Alltag mit Geschrei vertonen und Frau bereits um 07:00 morgens angeraunzt wird, obwohl sie nicht mal noch die Augen aufgemacht hat? Wie erfüllend ist es, wenn tagtäglich neben Kind, Haushalt, Beruf und Alltag oft gar keine Zeit mehr für Spaß, Partnerschaft, Freunde und Entspannung bleibt?
Ich liebe meinen Sohn. Über alles. Würde mein Leben für ihn geben. Jederzeit. Ich liebe die Kuscheleinheiten am Morgen, sein Strahlen in den Augen, wenn er mich anlacht. Seine schelmische Art, wenn wir Spiele spielen. Ich liebe es, seine Entwicklung zu beobachten, täglich. Die Art und Weise, wie er lernt, Mensch zu sein. Ich liebe die Verantwortung, die ich für ihn habe, obwohl sie mich manchmal erdrückt und unfrei sein lässt. Ich liebe die Liebe, die zwischen uns ist. Ich liebe es, Mama zu sein. Doch es erfüllt mich nicht. Nicht nur.
Solange ich denken kann, habe ich Erfüllung nicht nur im Außen gesucht. Weder im Shopping, noch in meinem Partner, noch in meinem Job, schon gar nicht in meinem Kind. Es ist das Schönste, das mir passiert ist. Es macht mich zu einem besseren Menschen. Es lehrt mich, Ja und Nein zu sagen. Doch erfüllen tut es mich nicht. Füllen kann ich mich nur selbst. Ich habe die Erwartung der Erfüllung nicht an ihn. Die sollte Frau auch an niemand anderen haben, außer an sich selbst. Liebe Frau, die du das hier liest: nur du selbst kennst dich und weißt, was du brauchst, um erfüllt zu sein. Meistens nähren dich die Menschen oder Dinge im Außen nur zum Teil. Oft ist es eine Kombination aus dem Außen und jenen emotionalen Gefilden, die du betrittst, wenn du dich deiner Innenwelt zu wendest. Die nur dir gehört. Wo du dir selbst und einer tieferen Dimension von dir selbst begegnest.
Mich erfüllt eine Yogastunde, die mich wieder zu mir selbst zurückbringt. Mich erfüllt es, wenn ich mich kreativ ausdrücke. Es erfüllt mich ein liebevolles Abendessen mit meiner Familie oder auch ein Cupcake mit Schokoglasur. Ich bin erfüllt, wenn ich weiß, dass mein Kind tief schläft und gut gegessen hat. Wenn ihm etwas Freude bereitet, das ich ihm schenke. Es erfüllt mich, wenn er mich umarmt und mir sagt, dass er mich lieb hat. Doch genauso erfüllt es mich, wenn ich mir eine Massage schenke und eine Stunde für mich habe, denn genau das ist es, was ich in einem stressigen Alltag mit Kind einfach brauche. Und am meisten erfüllt mich, der tiefe innere Frieden, den ich habe, wenn ich meditiere. Dieses Gefühl des Verbundenseins mit etwas Größerem. Mit etwas, das das Geheimnis des Lebens birgt. Wirklich erfüllt bin ich, wenn ich still bin. Verbunden. In Savasana. Wenn keine Fragen und Antworten durch mein Hirn sausen. Nichts mehr zu tun, wollen, wünschen oder machen ist. Dort, in der Stille mit mir selbst, bin ich erfüllt.
Viele Frauen, die sich gewollt oder nicht gewollt gegen ein Kind entscheiden, sagen: „Ich brauche kein Kind, um glücklich zu sein.“ Ich sage: Ich auch nicht. Denn vieles in meinem Leben wäre definitiv leichter. Ich hätte mehr Zeit, um die Dinge zu machen, die mich glücklich machen und weniger frustrierte Mama-Momente. Ich wäre nicht mehr nur eine funktionierende tausendarmige Göttin, die gleichzeitig Köchin, Krankenschwester, Chauffeurin und Psychologin ist, sondern könnte mehr reisen und in meinem Glück in exotischen Ländern unter Palmen schwelgen. Doch ohne Kind hätte ich auch nicht diese erfüllenden Momente des Babygeruchs in meiner Nase. Die beglückenden Augenblicke, wenn ich über den Körper meines Kindes staune und mich vor dem Wunder des Lebens verneige. Und mir würde dieses mit nichts zu vergleichende Erleben einer tiefen und ewigen Liebe fehlen, die ich durch mein Kind erfahren habe.
Was von all dem nun erfüllend ist? Ich denke alles. Es ist die Kombination, die es macht. All diese besonderen Momente meines Lebens, die mich an die Schönheit der Schöpfung heranführen. Mit oder ohne Kind. Erfüllung ist letztlich ein Zustand des sich in Liebe verneigenden Seins vor dem Geheimnis der Schöpfung. Namaste.
Fotocredits: Nives Gobo
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