Die Chakren – ein Thema, das so voll an Geheimnissen, verborgenem Wissen und Spekulationen ist, dass es schwerfällt, es in den Stoff zu kleiden, der aus Worten gemacht ist. Chakren durchdringen fast jedes ganzheitliche Heilsystem, lassen sich aber in keine esoterische Schublade stecken und scheinen danach zu rufen, entdeckt zu werden.
Doch trotz all der Artikel und Produkte, die es rund um sie zu erwerben gibt, ist ihr Ruf leise, kaum vernehmbar und feinstofflich – und für jeden von uns anders.
Die Chakren in der Theorie
Die Lehre von den Chakren ist eines der praktischsten Systeme, die es gibt, um den Entwicklungsweg eines Menschen in weltlicher sowie in spiritueller Hinsicht zu beschreiben.
Chakra bedeutet auf Sanskrit wörtlich so viel wie „Rad“ und beschreibt ein Energiezentrum im Menschen. Chakren sind Verbindungspunkte von Nadis (Energiekanälen) und wurden in tiefer Meditation intuitiv von Rishis (Sehern, Yogameistern) geschaut. Jedes einzelne Chakra ist wie ein Wahrnehmungsportal zu einem bestimmten Bereich unseres Lebens bzw. zu einer bestimmten Stufe von Realität. Realität ist Wahrnehmung. Durch Öffnung oder Aktivierung der Chakren verändert sich die Wahrnehmung und somit die Realität.
Unterschiedliche Traditionen entwickelten verschiedene Chakrensysteme. Yoga geht von einer Vielzahl von Chakren, aber sieben Hauptchakren aus, die ihren Sitz im feinstofflichen Astralkörper haben. Der Astralkörper bildet das Pendant zum grobstofflichen physischen Körper mit seinen Nerven und Geflechten. Die Chakrenlehre bildet ein einfach benutzbares System zur Persönlichkeitsentwicklung und geht über die vielen bekannte Maslowsche Bedürfnispyramide hinaus.

Die Chakren – ihr Name, ihr Wesen, ihre Fragen
Die sieben Hauptchakren sind Muladhara-, Svadhistana-, Manipura-, Anahata-, Vishudda-, Ajna- und Sahasrara-Chakra. Sie verfügen alle über eine unterschiedlich hohe Schwingung und haben ihren Sitz im feinstofflichen Körper entlang der Wirbelsäule. Schon allein die Namensgebung auf Sanskrit verhilft zu einem tiefen Verständnis, wie die Chakrenqualitäten in Bezug zu unserer Entwicklung und unseren verschiedenen Lebensbereichen stehen.
Muladhara Chakra
Das Wurzelzentrum mula = Wurzel, Basis, Anfang dharana = Konzentration, aufnehmen, tragen, unterstützen
Am untersten Punkt der Wirbelsäule gelegen – zwischen Anus und Genitalien –, repräsentiert das Muladhara-Chakra das Element Erde und steht für Urvertrauen, Erdung und Stabilität. Dieses Chakra ist die Basis für jedwede Entwicklung und symbolisiert das grundlegendste menschliche Bedürfnis: Selbsterhaltung.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Wie gut kümmerst du dich um deinen Körper? Schläfst du ausreichend? Wie ernährst du dich? Wo und wie lebst du?
Svadhistana Chakra
Das Sakralzentrum sva = Selbst, eigenes dhistana = Ort, zeigen, hinweisen
Auf Höhe der Geschlechtsorgane und das Element Wasser repräsentierend begeben wir uns durch das Svadhistana-Chakra in das Spiel des Lebens. Fühlen wir uns sicher und geborgen, können wir uns besser ins Leben einbringen und uns zeigen. Höhepunkt des persönlichen Einbringens mit seinen Polaritäten bildet die sexuelle Begegnung. Dieses Chakra steht auch für ein weiteres menschliches Urbedürfnis: Fortpflanzung.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Bist du kreativ und realisierst deine Ideen? Schenkst du der Welt deine Talente? Bist du flexibel und kannst dich Situationen und dem Fluss des Lebens anpassen?
Manipura Chakra
Das Nabelzentrum mani = Juwel, leuchten, edel pura = Stadt, Ort
Das Manipura-Chakra mit dem Element Feuer wird als „Stadt der Juwelen“ bezeichnet. Dieses vitale und logistische Zentrum auf Höhe unseres Sonnengeflechts lässt unsere Energie erstrahlen. Weiterhin steht dieses Energiezentrum für den Umgang mit eigenen Gefühlen, für den Selbstwert und unsere Selbstachtung.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Atmest du tief in deinen Bauch und ruhst du so in deiner Mitte? Achtest du auf sich selbst und deine Bedürfnisse? Wie gut kennst du dich und weißt, was wichtig und richtig für dich ist? Wirst du von Ängsten gesteuert? Kannst du dich gut auf dein Bauchgefühl verlassen?
Anahata Chakra
Das Herzzentrum ana = Atem / hata = Kraft
Das Anahata-Chakra hat seinen Sitz im Herzraum und Wind als Element. Erst, wenn Ihre Basis stimmt und Sie einen gesunden Selbstwert haben, können Sie andere ohne Bedürftigkeit lieben. Mitgefühl, Hingabe und Demut sind weitere Eigenschaften dieses Energiezentrums.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Bist du dich deines Atems und der Verbundenheit zu deiner Umwelt bewusst? Wie sehr öffnest du dich für andere? Drückst du deine Gefühle offen und von Herzen her aus? Warum nicht?
Vishudda Chakra
Das Kehlzentrum vishudda = sehr rein
Dieses Energiezentrum hat seinen Sitz in der Kehle und Äther als Element. Vishuddha-Chakra ist das reine, klare Chakra. Es ist das, was übrig bleibt, wenn man alles, was Erde, Wasser, Feuer, Luft entstammt, entfernt hat. Im engeren Sinne kommt Spiritualität erst ab hier ins Spiel. Wenn wir erkennen können, dass alles, was geschieht, seine Berechtigung hat und Sinn ergibt und dass der Lebensweg ein Entwicklungsweg ist, ist das Vishuddha-Chakra aktiviert.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Drückst du dich klar und wohlwollend aus? Neigst du zu Klatsch und Tratsch? Wenn ja, wie kannst du dies in Zukunft vermeiden? Hast du mehr Bedürfnisse als Essen, Schlafen, Fortpflanzung und allgemeines Vergnügen?
Ajna Chakra
Das Stirnzentrum a- = als Vorsilbe benutzt bedeutet es ‚das Gegenteil von‘ jna = Erfahrung, Wissen, Erkenntnis
Das Ajna-Chakra sitzt im Punkt zwischen den Augenbrauen – in der Mitte der Stirn – und hat Geist (im Sinne von Bewusstsein) als Element. Auf dieser Ebene öffnet man sich für die Dinge, die außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung liegen. Die absolut reine Wahrnehmung ohne jegliche Vorfärbung und die Entfaltung intuitiven Wissens soll durch die Aktivierung des Ajna-Chakras erreicht werden. Das wird umso einfacher, je bewusster wir kommunizieren, je mehr wir uns für andere geöffnet haben, uns selbst und unsere Bedürfnisse kennen und unsere absoluten Grundbedürfnisse erfüllt wissen. Daraus ergibt sich vertiefte Innenschau und mehr Ruhe und Gelassenheit in der physischen Welt, da wir Wechselwirkungen und Wiederholungen leichter erkennen. Alte Muster werden erkannt und so viel Bewusstheit wird erlangt, dass es gelingt, sich diesem Automatismus zu entziehen.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Welche Einstellungen entmachten dich? Was hilft dir, das große Ganze zu sehen? Erkennst du das Bewusstsein hinter den Gedanken?
Sahasrara Chakra
Das Kronenzentrum sahas = Macht, Stärke saha = zusammen, gemeinsam sahasra = tausend
Das Sahasrara-Chakra hat seinen Sitz am Scheitel beziehungsweise leicht darüber hinaus. Das Dualistische wird überwunden und man verbindet sich mit der kosmischen Kraft, mit Gott, dem Licht, dem Bewusstsein oder wie man es nennen will. Man entwickelt die tausendfache Macht zusammen mit der allumfassenden Kraft hinter allem. Es gibt keine Trennung mehr, alles ist eins geworden. Eine Raum- und Zeitbegrenzung wird transzendiert.
Fragen, die dieses Chakra stellt:
Bittest du um höhere Führung? Wer bist du, wenn du weder Körper noch Geist bist? Meditierst du regelmäßig? Welchem spirituellen Weg folgst du?
Open up – Die „Öffnung“ der Chakren
„Öffnung der Chakren“ – was bedeutet das genau? Viele Traditionen sagen, dass die Chakren in uns bereits geöffnet sind, weil wir sonst nicht am Leben wären. Andere Philosophien gehen davon aus, dass der Mensch völlig unter seinen Möglichkeiten bleibt, weil seine Chakren verschlossen sind. Hier, in diesem Artikel, wird „Öffnung“ der Chakren im Sinne von „zur Blüte bringen“, „aktivieren“ verwendet. Wir erfahren die kosmische Natur der Elemente, die hinter den Chakren steht, innerhalb unseres tiefsten Bewusstseins, wenn wir die Chakren öffnen.
Vorab noch etwas, das im Zusammenhang mit den Chakren aus der Sicht des Yoga von großer Bedeutung ist: die Kundalini.
Kundalini heißt wörtlich „die Aufgerollte“ und wird oft als zusammengerollte schlafende Schlange am unteren Ende der Wirbelsäule dargestellt. Im Kundalini-Yoga geht es um Energieerweckung und -lenkung. Das Ziel ist, das Energiepotential schrittweise Chakra für Chakra nach oben zu bringen, damit sich diese Energie (Shakti) im obersten Chakra mit dem Bewusstsein (Shiva) verbindet. Ein gedankenfreier Bewusstseinszustand soll dabei entstehen, in dem reines Sein, Wissen, Einheit und Freude (Sat-Chid-Ananda) herrschen. Ein Yogi erhellt sein Sein und erhält mehr und mehr den Durchblick, weil er Unwissenheit (Avidya) überwindet.
Die Öffnung der Chakren ist also im Prinzip integriert in das große yogische Ziel der Selbstverwirklichung.
Text: Chris Sölter
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