Er wird als ‘Rockstar des Yoga’ bezeichnet, als ‘Pavarotti des Kirtan’ – Krishna Das, kurz “KD” genannt. Als wohl bekanntester Kirtansänger hat er seit 1996 zwölf Alben veröffentlicht und gibt weltweit Konzerte, Workshops und Retreats. Der Künstler Krishna Das ist berühmt und mit über 300.000 Tonträgern der „best selling chant artist of all time”. Doch wer ist der Mensch Krishna Das? In diesem Interview begegnen wir dem bescheidenen, schlicht und immer in rotem T-Shirt gekleideten Mann, der die Qualen eines Drogensüchtigen durchlebt und schließlich seinen Weg als Suchender gefunden hat.
YZ: Du bist einer der bekanntesten Kirtansänger auf der Welt. Was sind deine Erfahrungen mit Yoga und Kirtan?
Krishna Das: Eine schöne Frage. Meine Erfahrungen mit Yoga und Chanten ist, dass sie das Leben verändern. Komplett. Diese Praktiken verändern völlig die Orientierung deiner Konditionierung, um wahre Liebe zu finden, um wahres Glück zu finden und zu lernen, diese Dinge in dir selbst zu entdecken.
Wir haben gelernt, alles immer außerhalb von uns selbst wahrzunehmen. Aber Yoga, Praktiken wie Asanas, Pranayama, Chanting und Meditation führen dich tiefer in dein eigenes Sein, sie verändern deine Sicht. Du hörst auf, alles auf die Außenwelt zu projizieren. Glück finden wir in unserem eigenen Herzen. Und der einzige Weg, Glück zu finden, ist durch eine spirituelle Praxis. Ich war 23 Jahre alt, als ich nach Indien ging. Ich dachte, ich würde den Rest meines Lebens dort bleiben. Und nach drei Jahren sagte mein Guru zu mir: „Was machst du eigentlich noch hier? Geh zurück nach Hause!“ So ging ich zurück nach Amerika. Er sagte, ich hätte Anhaftungen an und in Amerika und ich sollte meine eigenen Geschichten erst verarbeiten, bevor ich überhaupt weiterkommen könne. So ging ich zurück. Und ich arbeite nach wie vor daran. Also, wenn du eine kurze Antwort haben möchtest: Das ist sie.
YZ: Und was bedeutet Yoga für dich?
Krishna Das: Yoga wird immer als „Einheit“ übersetzt. Einheit bedeutet, dass zwei Dinge zusammenkommen. Und eigentlich ist es das gar nicht. Ich glaube, dass Yoga die Erkenntnis bedeutet, dass deine eigene wahre Natur, dein eigenes Herz bereits alles in sich birgt, was du jemals brauchst und genau das ist, was du brauchst, um ein guter Mensch zu werden. Yoga bedeutet, dass wir die Hindernisse in uns entfernen, um herauszufinden, wer wir wirklich sind.
YZ: Was ist für dich ein Yogi?
Krishna Das: Was ist ein Yogi? Ein echter Yogi ist ein Wesen, das völlig frei von Programmierung ist, frei von jeder Konditionierung; das Liebe geworden und das ganze Universum ist!
YZ: Was ist so besonders an Kirtan für dich?
Krishna Das: Kirtan ist das Chanten der Namen von Gott – so wie es in Indien praktiziert wird.
Eigentlich mag ich das Wort „Gott“ nicht. Für mich scheint es so, als ob dieses Wort von außen kommt. In westlichen Religionen wird Gott als etwas gesehen, das außerhalb von uns ist. Aber in den östlichen Religionen wird Gott als Teil des inneren Selbsts verstanden. Unsere wahre Natur ist eigentlich Gott selbst. Somit bedeutet das Chanten der Namen von Gott, dass dies die Namen unseres eigenen Herzens, der eigenen Natur, des eigenen Selbsts sind. Durch das Chanten wird unvermeidlich, Schritt für Schritt, die Präsenz, die in uns verborgen liegt, freigelegt. Wir bekommen nichts von außen, sondern wir legen das Juwel frei, das bereits in unserem Herzen vorhanden ist! Und genau deshalb ist es so besonders! Aber wie bei jeder Praxis gilt: Du musst dranbleiben – sonst passiert nichts.

urch das Chanten wird unvermeidlich, Schritt für Schritt, die Präsenz, die in uns verborgen liegt, freigelegt. (Fotocredit: Wari Om)
YZ: Was würdest du jemandem raten, der das erste Mal bei einem Kirtan teilnimmt?
Krishna Das: Bleib ganz nah beim Ausgang, damit du jederzeit flüchten kannst (lacht).
YZ: Was ist deine Botschaft für die globale Yoga-Community?
Krishna Das: Ich habe eigentlich gar keine Botschaft! Meine Botschaft ist, was ich selber täglich tue. In dieser Zeit, in der es so viel Angst gibt in der Welt, musst du einen Weg finden, in Frieden mit dir selber zu sein! Und der einzige Weg, um das zu schaffen, ist spirituelle Praxis.
Du willst jemand sein, der sich um andere Menschen kümmert, jemand, der Mitgefühl, Güte und Frieden im Geiste entwickelt. Und auch jemand, der glücklich darüber ist, wenn andere glücklich sind. Das ist, was wir erreichen möchten. Das sind wir bereits von Natur aus. Aber leider ist das alles überdeckt. Uns wird gesagt, dass wir uns schützen müssen, dass wir uns verteidigen müssen. Es ist schon so, dass wir auf einer Ebene wissen sollten, wie wir durch das Leben navigieren. Aber du kannst in Angst durch das Leben navigieren oder eben mit einem friedlichen Geist und Liebe.

Meine Botschaft ist, was ich selber täglich tue. (Fotocredit: Lena Raubaum)
YZ: Ausgehend von deiner Guru-Kula – deinem Meister Maharaj-Ji – was war die wichtigste Botschaft für dich, die du von ihm bekommen hast?
Krishna Das: Mein Guru war nicht wirklich ein großer Botschafter. Als wir ihn fragten: „Wie findet man Gott?“, sagte er einfach: „Diene den Menschen.“ Als wir ihn fragten, wie man die Kundalini erwecken könne, sagte er: „Gib den Menschen etwas zu essen.“ Er lebte und agierte einfach auf einer vollkommen anderen Ebene. Er gab nicht wirklich Botschaften von sich, aber er veränderte Menschen. Er arbeitete von innen. Der Grund, warum ich hier bin und das tue, was ich tue, ist, dass ich mich so selber aus dem Sumpf ziehen kann. Würde ich das nicht tun, wäre ich erledigt. Das ist die Praxis, die mich gerettet hat und die mein Herz offen hält, um in die richtige Richtung zu schauen. Das hat mir mein Guru ermöglicht.
YZ: Manchmal verlieren Menschen den Boden unter den Füßen. Dann suchen sie oft einen Ausweg, der sie jedoch noch tiefer hinunterzieht, durch Drogen und Alkohol. Gibt es etwas, was du aufgrund deiner eigenen Erfahrungen mit uns teilen kannst, was diesen Menschen hilft?
Krishna Das: Ich habe vieles davon selber durchlebt und glaube, dass vieles davon karmisch ist. In welche Familien wir geboren werden, welche Einstellungen wir entwickeln. Es geht hier aber auch sehr viel um Gnade. Denn wenn eine Person nicht weiß, dass es einen Ausweg gibt, wird sie niemals danach suchen. Warum findet der eine einen Weg aus dem Abgrund und der andere nicht? Wer weiß das schon? Wir können diese Dinge von außen nicht beurteilen.
Ich wollte immer wahre Liebe haben! Das war das, wonach ich gesucht habe. Mein ganzes Leben lang. Und als ich dachte, ich hätte die wahre Liebe verloren (als Maharaj-Ji starb, Anmerkung der Redaktion), habe ich versucht, mich selber durch Drogen zu töten. Ich war damit aber genauso erfolglos wie mit der Suche nach der wahren Liebe. Selbst das bekam ich nicht auf die Reihe. So begann ich ernsthaft zu chanten. Auf eine ganz andere und für mich neue Art und Weise! Viel kraftvoller. Das war eine Methode für mich, vor dem Ertrinken gerettet zu werden. Das Chanten war das einzige Seil, das mir zugeworfen wurde. Die einzige Möglichkeit, „meinen eigenen Arsch zu retten“. Und ich wusste, wenn ich nicht chanten würde, so könnte ich niemals die dunklen Bereiche meines eigenen Herzens erhellen. Denn genau von dort kommen alle Probleme, von nirgendwo anders. Das einzige, was falsch bei Drogen, Sex, Macht und Geld ist, dass sie einfach nicht funktionieren. Von Natur aus ist nichts falsch an diesen Dingen – sie funktionieren jedoch einfach nicht. Sie zerstören dich.
YZ: Jetzt zu einem ganz anderen Thema: Du trägst immer rote Hemden. Warum?
Krishna Das: Mein Guru sagte mir, ich solle immer rot tragen. Es ist die Farbe von Gott Hanuman. Lange Zeit tat ich das nicht. Ich rebellierte, trug schwarz, wollte der „Hells Angel“ des Chantens sein. Doch letztendlich sagte ich zu mir: „Hör auf damit, das hast du nicht nötig!“, und trug von da an nur mehr rot. (Lacht.)

Mein Guru sagte mir, ich solle immer rot tragen. Es ist die Farbe von Gott Hanuman. (Fotocredit: Lena Raubaum)
YZ: Welche Musiker der westlichen Welt haben dich am meisten inspiriert?
Krishna Das: Was Rock ’n’ Roll betrifft: Ray Charles und Van Morrison. Ich liebe diese Musiker. Aber früher noch waren es die Blues-Musiker. Die alten Blues Guys vom Mississippi. Mississippi Delta Blues. Country Blues. Das hat mich gerettet während einer sehr schweren Zeit meines Lebens, als ich jung war, ein Teenager. Ich spielte damals Gitarre und sang den Blues. Für mich war er die erste wirkliche Musik, die ich hörte. Er war so erdend, so Kraft bringend, nicht so abgehoben, wie die Popmusik in den Fünfzigern. Ich fühle mich jetzt noch wie ein Bluessänger. Blues ist sehr direkt. Sehr einfach.
YZ: Eine letzte Frage noch: Wie hast du dich beim Grammy Award gefühlt? (2013 war das Album “Live Ananda” von Krishna Das als Best New Age Album nominiert – Anm.)
Krishna Das: (Lacht.) Ich weiß nicht viel über Grammys. Ich weiß nicht, wie viel ich jetzt dazu sagen kann. Beginnen wir damit, dass die Platte, die nominiert war, eine sehr einfach produzierte Chanting-Platte ist. Wie schön, dass eine so simple Chanting-Platte so viel Anerkennung bekommt. Auf der anderen Seite war es so, als ob man eine Nachspeise serviert bekommt, nachdem man vorher bereits 27 Gänge verspeist hat. Da war kein Platz mehr. Ich fühlte, dass die Grammy-Geschichte irrelevant für mein eigenes Leben war. Ich verstehe wie wichtig das für manche Menschen ist, aber ich war ziemlich erstaunt über mich selbst, über meine Gefühle, als ich bemerkte, wie weit ich in Wirklichkeit vom Musik-Business entfernt bin. Manchmal weiß man die Dinge erst, wenn man dort ist. Aber als ich die Einladung zur Verleihung bekam, war mein einziger Gedanke: „Und was jetzt? Wann kommt Maharaj-Ji zurück? Was? Das ist nicht Teil des Geschäftes? … Na, dann will ich den Grammy nicht haben!“ (Lacht.)
Ich kann mich ganz genau erinnern, was ich empfand, als das Kuvert geöffnet wurde: „Baba, gib mir ja nicht diesen Preis!
Ich will ihn NICHT haben!“ (Lacht.) Gott sei Dank hat er ihn mir nicht gegeben. Sonst würdest du jetzt mit einem Grammy-Gewinner sprechen. Und dann bräuchte ich noch mindestens zwei zusätzliche Pölster, um hier mit dir sitzen zu können. (Lacht.)
Ich wandle auf einem anderen Pfad! Namasté and take it easy.
Erlebe Krishna Das live in Wien!
Anlässlich seiner Europa-Tournée kommt Krishna Das wieder nach Wien und zwar am Mittwoch, den 24. Juli 2019 in die Wiener Stadthalle.
Tickets ab € 42,-
Hier findest du mehr Infos dazu
Das Interview führten Florian Reitlinger und Birgit Pöltl auf der Barcelona Yoga Conference im Jahr 2013.
Fotocredit Sujetbild: Wari Om – www.wari.cat
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