Welche Essenz verbirgt sich in dem Mantra purnam adah, purnam idam? Und welches Geschenk bringt dieser uralte Sankrit Spruch für dich und dein Leben? Dazu liest du hier mehr von Autor Christian Weiss.
Alles ist vollkommen
purnam adah, purnam idam
purnat purnam udachyate
purnasya purnam adaya
purnam evavasisyate
Übersetzung:
Dort ist Vollkommenheit, hier ist Vollkommenheit
aus der Vollkommenheit kommt Vollkommenheit
Nimmt man von der Vollkommenheit Vollkommenheit weg, bleibt nur Vollkommenheit übrig
Unendliche Fülle
Dieses Mantra taucht schon in den ältesten Upanishads auf und gilt als Herzstück ihrer Metaphysik. Es nimmt bereits wichtige Konzepte des wesentlich später entwickelten Tantra vorweg.
Der Begriff purna bedeutet soviel wie Fülle, Vollständigkeit, Perfektion und bezieht sich hier auf Brahman, den Urgrund des Seins. Brahman ist ein unpersönliches Konzept des Göttlichen, eine höhere Dimension ohne Schöpfer oder Lenker: Klingt das nicht widersprüchlich?
Im materiellen Denken sind wir es gewöhnt, dass Ressourcen weniger werden, sobald wir etwas davon wegnehmen. Gebe ich also von meinen zehn Münzen fünf her, bleiben mir nur noch fünf übrig. Doch die Schöpfung funktioniert anders. Ist etwas „voll“ in diesem Sinne, erschöpft es sich nicht. Wir kennen das auch im Kleinen: Schenke ich jemandem Freude, wird meine eigene Freude nicht weniger, sondern mehr.
Ohne Anfang, ohne Ende
Jedes Element der Schöpfung ist in Brahman enthalten. Es fehlt nichts und es gibt nichts, was außerhalb davon wäre. Somit ist Fülle zugleich unendlich. Hier gibt es auch Parallelen zum Tantra: es wird das Vorhandensein einer Dualität (zum Beispiel männlich/weiblich) anerkannt, aber man versucht, die beiden Pole zu einer Einheit zu verschmelzen und so das göttliche Ganze wieder herzustellen.
Im Großen, im Kleinen
Das Mantra macht uns ebenso bewusst, dass wir die Perfektion der Schöpfung in jedem kleinsten Teil von ihr erkennen können. Der Mikrokosmos spiegelt stets den Makrokosmos wider. Ein Gedanke, der viele tantrische Praktiken und zahlreiche westliche Philosophen inspiriert hat.
Gelingt es, das Göttliche im Gegenüber und somit letztendlich im Selbst zu sehen, ist ein Ziel des Tantra erreicht.
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