Dr. Sita Silvia Sitter stellt dir im Rahmen einer Artikelserie die 7 Säulen der Resilienz vor. Hier liest du mehr über die Säule 2: Akzeptanz oder „Wissen, was du ändern kannst und was nicht“.
Resilienz – sie ist die Fähigkeit, mit schwierigen Zeiten im Leben zurechtzukommen, indem wir auf eigene und sozial vermittelte Ressourcen zurückgreifen und Krisen für unsere persönliche Entwicklung zu nutzen. Resilienz zu trainieren heißt, unsere innere Stärke und unsere Widerstandsfähigkeit zu vergrößern. Es gibt sieben Säulen, auf denen Resilienz aufbaut. Hier findest du mehr über die 1. Säule, den Optimismus. Und hier geht es weiter mit der 2. Säule, der Akzeptanz.
Die zweite Säule der Resilienz, die uns dabei helfen kann, unsere innere Stärke zu spüren, widerstandsfähiger zu werden und besser mit schwierigen Zeiten im Leben zurechtzukommen, ist die Akzeptanz.
Auch hier – wie schon bei der 1. Säule, dem Optimismus – möchte ich einige Fragen auf dich wirken lassen, durch die dein Geist wach werden kann und deine Selbstreflexion gestärkt wird. Dadurch wird deine Selbstregulation genau dort angeregt, wo es gerade erforderlich ist. Lass sie auf dich wirken und die Antworten finden, die für dich jetzt gerade die passenden sind, um den nächsten Schritt zu mehr Resilienz zu machen.
Wenn du dir jetzt kurz Zeit für eine Bestandsaufnahme nehmen möchtest, führe dir mit folgenden Fragen vor Augen, welche Einstellungen und Erfahrungswerte du zum Thema Akzeptanz so mitbringst:
Wie reagierst du, wenn sich Dinge nicht so entwickeln, wie du es dir vorstellst? Was geht in dir vor, wenn du an deine Grenzen kommst? Was in deinem Leben fällt dir am schwierigsten anzunehmen und was würde sich für dich verändern, wenn du das in deinem Leben annimmst? Wie würdest du die Beziehung zu dir selbst beschreiben?
Im Sinne der Resilienz ist es wichtig zu wissen und zu akzeptieren, dass Unglück, Enttäuschung und Widrigkeiten Teile des Lebens sind. Sie lassen sich weder vermeiden noch spurlos beseitigen. Akzeptanz bedeutet hier nicht, sich fatalistisch und resigniert in alles zu fügen oder alles hilflos hinzunehmen, sondern sich Schritt für Schritt der Wirklichkeit zu öffnen. Um sie zu begreifen, anzunehmen und die mentale wie emotionale Kraft dafür zu nutzen, unabänderliche Gegebenheiten konstruktiv zu verarbeiten und in unser Leben zu integrieren. Dabei können geistige Offenheit und Weitblick helfen, den oft als Schutz verwendeten „Entweder-Oder-Filter“ und das „Schwarz-Weiß-Denken“ zu vermeiden und anstatt dessen verschiedene Perspektiven einzunehmen, um unterschiedliche Strategien anzuwenden.
Offen für sinnvolle Konsequenzen
Akzeptanz ist ein Weg, ein Prozess, der Geduld braucht und der uns hilft, Verluste, Rückschläge und ungewollte Vorfälle in unser Leben zu integrieren. Grundlage dafür ist die Erfahrung und das tiefe Vertrauen, dass sich Dinge neu ordnen können und dass jedes Ereignis auch positive und sinnvolle Konsequenzen nach sich ziehen kann, auch wenn dies zum Zeitpunkt des Geschehens noch nicht vorstellbar und erkennbar ist. Wenn wir heute auf enttäuschende Ereignisse in unserer Vergangenheit zurückblicken, erkennen wir oft, dass sie meist auch eine Chance zu Veränderung in sich bargen. Akzeptanz bedeutet, bewusst dem Werden und der Entwicklung die erforderliche Zeit und den nötigen Raum zu geben, damit noch Verborgenes entdeckt werden kann. Das Streben nach Kohärenz, dem Vertrauen in einen größeren Sinnzusammenhang, auch wenn dieser noch nicht entdeckt werden kann, schafft Platz für den Blick nach vorne, kann unsere Geduld stärken und uns helfen, verborgene Schätze zu entdecken.
Schon der griechische Philosoph Epiktet (er lebte etwa 50 bis 130 n. Chr.) lehrte uns, dass es Dinge gibt, die wir verändern können und dass es Dinge gibt, die wir nicht ändern können. Und viel Leid entsteht, weil wir oftmals die Kontrolle über Gegebenheiten erlangen wollen, die gänzlich außerhalb unseres Einflussbereiches liegen. Dann erleben wir uns hilflos und ausgeliefert, spüren vielfach Zorn oder Schuld, fühlen uns ängstlich oder depressiv. Andererseits wird aber die Verantwortung dort nicht übernommen, wo unser Einflussbereich liegt – in unseren Überzeugungen, unseren Gedanken, unseren Gefühlen, unserem Verhalten, unserem Tun. Diese Unterscheidungsfähigkeit ist wichtig, um Vorstellungen des Verstandes kritisch prüfen zu können und den Umgang mit Eindrücken zu reflektieren, denn oftmals stimmen bestimmte Vorstellungen nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein.
Wie reagierst du, wenn du mit unerwünschten Ereignissen konfrontiert bist, die du nicht unter Kontrolle hast? Wie leicht fällt es dir, zu unterscheiden, ob du etwas ändern, beeinflussen kannst oder nicht?
Immer wieder gibt es Gegebenheiten, die vollkommen außerhalb unserer Kontrolle liegen und hier liegt die größte Herausforderung an unsere Fähigkeit zur Akzeptanz. Was wir aber auch hier bestimmen können: mit welcher Haltung, mit welcher Einstellung wir diesen unabänderlichen Gegebenheiten begegnen. Wir sind unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert und wir bestimmen, was wir denken. Viktor Frankl hat es so ausgedrückt: „Wir haben immer die Wahl der eigenen Haltung“.

Ich liebe mich, so wie ich bin
Akzeptanz bedeutet auch Selbstakzeptanz. Vielfach fällt es uns besonders schwer, die eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten zu akzeptieren. Resilienz bedeutet hier auch, sich selbst mit seinen Stärken und mit seinen Einschränkungen zu akzeptieren und versöhnlich mit den eigenen ungeliebten Anteilen umzugehen, sich ohne Vorurteile wahrzunehmen, sich nicht für die eigenen Gefühle und Grenzen zu schämen und bereit zu sein, sich der eigenen Realität zu öffnen. Sich zu akzeptieren heißt andererseits keineswegs, zu resignieren, alles in Ordnung zu finden und sich keine Mühe zu geben. Fehler können als Lernerfahrung und Chance für Entwicklung gesehen werden.
Wie gehst du mit dir selbst um? Akzeptierst du dich mit all deinen Stärken und Schwächen? Bist du versöhnt mit deiner Biographie? Verlangst du viel von dir? Bist du nachsichtig mit dir?
Eine Voraussetzung dafür, sich selbst wirklich akzeptieren zu können, ist Selbsterkenntnis. Sich selbst wahrzunehmen, sich selbst näher zu kommen, die eigenen Gefühle, Gedanken, Handlungsweisen und Bewältigungsstrategien von innen heraus kennenzulernen ermöglicht, eine Balance zu finden zwischen einem naiv-selbstzufriedenen und einem überkritischen Umgang mit sich selbst. Um das zu erreichen, ist es wichtig, dass wir immer wieder auch innehalten, um zu uns selbst zu kommen und dazu möchte ich dich nun abschließend einladen:[1]
Eine Übung für mehr Akzeptanz
Mach es dir für einige Momente bequem…
atme entspannt durch…
und erlaube dir, dich AUFMERKSAM, ABSICHTSLOS und AKZEPTIEREND wahrzunehmen:
Aufmerksam bedeutet, konzentriert zu sein, dich von nichts ablenken zu lassen, immer wieder zur Selbstbeobachtung zurückzukehren, wenn die Gedanken abschweifen.
Absichtslos bedeutet, auf jede Bewertung und Einflussnahme zu verzichten. Den Atem kommen und gehen zu lassen, ohne ihn bewusst vertiefen oder verlangsamen zu wollen.
Akzeptierend bedeutet, sich auch dem zuzuwenden, was du an dir oder in dir ablehnst. Es gehört zu dir. Es ist ein Teil von dir, der auch angenommen werden will.
Nimm dir noch ein paar Momente Zeit, dir selbst näher zu kommen, – aufmerksam, absichtslos und akzeptierend.
„Mit der Resilienz ist es wie mit dem Glück: Ein bisschen bekommt jeder als Geschenk mit auf den Weg, den Rest, das entscheidende „Mehr“, muss jeder sich selbst erarbeiten.“[2]
Wenn du dabei Unterstützung und Anregung und im Dialog die für die passenden Antworten finden möchtest, dann freue ich mich sehr auf eine Begegnung mit dir in meiner Praxis, wo ich unter anderem auch ganz individuelles Resilenztraining anbiete.
Literatur :
Gruhl, Monika: Resilienz. Die Strategie der Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Freiburg im Breisgau: Kreuz 2014.
Heller, Jutta: Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke. München: Gräfe und Unzer 2013.
Rampe, Micheline: Der R-Faktor. Das Geheimnis unserer inneren Stärke. München: Knaur 2005.
Schmidt, Heinrich (Hg.): Epiktet. Handbüchlein der Moral und Unterredungen. Stuttgart: Kröner 1973.
Sitter, Silvia: Therapeutische Techniken aus der Philosophie der Antike – Beispiele zu Heraklits und Epiktets Gedanken. In: Christine Herrera Krebber (Hg): Ganzheitsmedizin: Die Ganzheitlichkeit von Gesundheit und Heilung. Konzepte von Körper, Geist und Seele, Erde und Kosmos. INFOMED Institut für Ganzheitsmedizin e.V.: München 2015.
[1] Vgl.: Gruhl: Resilienz, S. 190ff.
[2] Rampe: Der R-Faktor: S. 19.
Weiterlesen? Hier geht es zu Säule 3: Lösungsorientiertheit.
Fotocredits: pixabay (1)
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