yoga.ZEIT hat sich mit dem buddhistischen Meister Tulku Lobsang darüber unterhalten, ob auch buddhistische Meister wütend werden, was wir brauchen um all unser Wissen umzusetzen und wie wir Veränderungen akzeptieren können. Das Gespräch führte für yoga.ZEIT Lena Raubaum.
Er betritt den Raum und es wird still. Still in mir, obwohl ich aufgeregt bin. Glücklicherweise habe ich vorher noch gefragt, wie ich ihn ansprechen soll, denn so ganz sicher bin ich mir da nie bei Meister/innen. Was ich bis jetzt über ihn weiß ist, dass er Tulku Lobsang heißt, ein buddhistischer Meister, ein angesehener Arzt der tibetischen Medizin und ein Reisender ist – denn er ist so gut wie ständig unterwegs mit dem Ziel, durch kulturellen Austausch das Leiden in der Welt zu verringern.
Jedes Jahr tourt dieser 39-jährige Mann mit ruhigen Augen durch Europa, Asien und Amerika, um in Retreats, Seminaren und Vortragsabenden sein unendliches Wissen und seine Weisheit weiterzugeben. Dabei gelingt es ihm vorzüglich, das urururalte Wissen des tibetischen Buddhismus alltagsnah und konkret in die Gegenwart zu übertragen. Und nun sitze ich hier mit ihm, bin gekommen mit Fragen, die mich derzeit beschäftigen.
yoga.ZEIT: Rinpoche, in Ihren weitweiten Unterweisungen geht es vor allem um Glück und Gesundheit – Begriffe, die in der Welt der Persönlichkeitsentwicklung fast schon inflationär in den Mund genommen werden. Wie definieren Sie diese beiden Begriffe, was bedeuten sie für Sie?
Tulku Lobsang: Ich sehe das so, dass Glück das ist, was in unserem Geist entsteht, während wir Gesundheit mit unserem Körper erfahren. Beide haben jedoch dieselbe Essenz: die richtige Balance, die Balance zwischen Geben und Nehmen, zwischen Loslassen und Akzeptieren. Das ist es, was es zu lernen gilt, vor allem, weil die Welt, die wir um uns herum erfahren niemals, niemals perfekt sein wird, ganz egal wie hart wir daran oder an uns arbeiten. Also müssen wir lernen, dass – auch wenn wir unser allerallerallerbestes geben – wir akzeptieren, was passiert.
Sie reisen sehr viel und kommen in Kontakt mit vielen verschiedenen Kulturen der östlichen und der westlichen Welt. Wonach suchen die Menschen in diesen Welten in Bezug auf Glück und Gesundheit? Welche Unterschiede gibt es da – wenn es überhaupt welche gibt?
Tulku Lobsang: Tatsache ist: der Mensch – alt, jung, reich, arm, von hier, von dort – strebt danach, glücklich zu sein. Niemand will leiden. Doch die Unterschiede, die ich wahrnehme sind, dass der Westen noch einiges zu lernen hat im Umgang mit Emotionen. Ich habe das Gefühl, dass hier eher Wert auf Intelligenz und den Intellekt gelegt wird, während eine gesunde Emotionskultur viel zu kurz kommt. Es gilt eher die Devise: „Lieber wissen als fühlen!“ Im sogenannten Osten ist es dagegen umgekehrt. Da kommen Wissen und Bildung eindeutig noch zu kurz. Ich frage mich oft, was welch schöne Entwicklungen passieren, wenn sich die östliche Welt mehr mit Bildung auseinandersetzt und die westliche Welt mehr mit ihren Emotionen …
Und was wäre in Ihren Augen eine gesunde Form, sich mit Emotionen auseinanderzusetzen? Vor allem mit den oft für uns unangenehmen Emotionen wie Angst, Ignoranz oder Wut?
Tulku Lobsang: Am wichtigsten ist es, Gefühlen nicht so viel Bedeutung beizumessen und auch nicht ständig zu analysieren, woher sie kommen. Die Menschen lieben es nämlich, nach Gründen oder Ursachen für ihre Gefühle zu suchen. Sie denken „Ah, ich bin wütend, weil der das und das gesagt hat“ oder „Ich habe Angst, weil in der Kindheit das und das passiert ist …“ und so weiter. Irgendwann gilt es aber zu verstehen, dass es nichts bringt, ständig nach Gründen zu suchen. Besser ist es, die Gefühle zu beobachten, Vergangenes in der Vergangenheit zu lassen und lieber präsent in der Gegenwart zu sein – mit so viel Mitgefühl wie möglich.
Was macht Sie wütend? Werden Sie überhaupt jemals wütend?
Tulku Lobsang: (lächelt) Früher konnte ich sehr wütend werden. Doch heute … nein, heute werde ich äußerst selten wütend. Schließlich praktiziere ich ja auch selbst, was ich lehre. Von den drei großen negativen Emotionen – Wut, Anhaftung und Ignoranz oder auch „Schleier des Nichtwissens“ – ist Wut die Emotion, mit der man am einfachsten umgehen kann. Wut kommt schnell, geht aber auch schnell. Ich könnte zum Beispiel nicht von mir behaupten, frei von Anhaftungen zu sein, doch Wut … Wut fühle ich so gut wie gar nicht mehr.
Wir Menschen sind ja sehr seltsam – wir wollen nicht gestresst sein, sind es aber, wir wollen nicht wütend sein, werden es aber. Warum ist das so? Fehlt es uns an Wissen?
Tulku Lobsang: Nein, es fehlt an Praxis und Disziplin! Das große Problem ist nämlich, dass die Menschen sehr wenig von dem umsetzen, was sie wissen. Der Mensch weiß bereits alles! Alles! Er weiß alles, um glücklich und gesund zu sein. Er tut nur nichts oder praktiziert wenig von dem, was er weiß oder sagt. Es gibt beispielsweise Menschen, die ich gerne als „spirituelle Shopper“ bezeichne. Sie versuchen das, versuchen jenes, wälzen hunderte von Lebenshilfe-Büchern, besuchen alle möglichen Kurse, doch setzen in weiterer Folge wenig bis gar nichts von dem um, was sie gelernt haben. Am liebsten hätten sie, dass ihr Leben sich ändert, ohne dass sie etwas dafür tun.
Was kann uns helfen, mehr von dem zu praktizieren, was wir wissen?
Tulku Lobsang: Das gibt es eine ganz besondere Arznei und diese heißt „Glauben“. Ihr braucht Glauben an euch selbst und an das, was ihr tut, denn wenn ihr an eine Sache wirklich glaubt, dann macht ihr sie auch. Das Problem ist, dass ihr viel zu viel in Frage stellt, was ihr lernt bevor ihr es überhaupt ausprobiert habt. Ohne Glauben gibt es keinen Weg, euch zu verbessern. Ohne Glauben bleibt ihr immer gleich und am immer gleichen Punkt. Dann bewegt sich nichts.
Wenn Sie eine Sache, nur eine einzige Sache weitergeben könnten, die Menschen heutzutage vor allem ausprobieren und praktizieren sollten – was wäre das?
T: Eine Sache …hm … Ich denke, wir alle sollten vor allem lernen, Veränderung zu akzeptieren und anzunehmen. Die Natur der Welt und des Lebens ist permanenter Wandel. Es gibt einen buddhistischen Spruch, der da lautet: „Sich in Unbeständigkeit zu üben ist besser als zu beten“, denn sehr viel Leiden und Schmerzen rühren daher, dass wir mit Veränderung nicht umgehen können. Veränderung kann gut sein, Veränderung kann zunächst oder in unseren Augen schlecht sein und vor allem ist Veränderung dann schlecht, wenn wir dagegen sind. Es ist unsere größte Aufgabe, Wandel zu akzeptieren und zu nützen. Wir betrachten die Welt, bespielweise die aktuelle Flüchtlingssituation und nehmen wahr, dass diese Situation große Änderungen bringt – vor allem, weil sich der Westen an ein halbwegs stabiles Leben gewöhnt hat. Ja, Änderung passiert, doch woher wissen wir, dass sie schlecht, traurig oder gar gefährlich ist? Es gilt also, Veränderung liebevoll zu akzeptieren, sie anzunehmen und sie zu nützen. Das ist in meinen Augen am wichtigsten …
Was kann mir helfen, Veränderung zu akzeptieren? Vor allem die Veränderungen, die plötzlich und ungewollt auf mich zukommen …
Tulku Lobsang: Ganz einfach: vertrau darauf, dass Veränderung dich immer leitet, dir immer hilft, dir immer eine Möglichkeit gibt, ein besserer Mensch zu werden. Sage dir selbst immer wieder: „Ich akzeptiere, was auch immer passiert.“ Vielleicht nimmt dir die Veränderung etwas, doch im selben Moment gibt sie dir etwas – wenn du es sehen willst. Ein Beispiel: ich bin verliebt in eine Frau, wir lieben einander, doch eines Tages beschließt sie, mich zu verlassen. Das bedeutet eine große Veränderung, weil ich niemals geglaubt hätte, dass das möglich wäre. Jetzt kann ich entweder lange, lange Leiden und diese Veränderung verfluchen oder sie annehmen und herausfinden, dass eine ganz andere Frau viel besser für mich ist. Oder ein anderes Beispiel: ein guter Freund von mir wollte lange sein eigenes Business aufziehen, traute sich jedoch nicht, seinen Job zu kündigen. Was ist passiert? Er wurde gekündigt, nahm dies zum Anlass, ein Unternehmen zu gründen und gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Menschen, die ich kenne. Wenn etwas endet, beginnt immer etwas Neues. Wir sollten nicht darauf schauen, was wir verlieren, sondern vielmehr entdecken, was wir gewinnen.
An dieser Stelle möchten wir Tulku Lobsang noch einmal ein Danke für dieses Interview aussprechen.
Und mögest du, liebe/r Yogi/ni in diesem kommenden Jahr entdecken, was du gewinnst und Freude an der Praxis Empfinden.
Über Tulku Lobsang und sein Wissen
Tulku Lobsang wurde 1976 im Nordosten Tibets geboren. Mit sechs Jahren trat er in die lokale buddhistische Klosterschule ein und wurde im Alter von 13 Jahren als die achte Reinkarnation des Nyentse Lama erkannt. Er erhielt eine intensive Ausbildung in den grundlegenden buddhistischen Praktiken, Astrologie, Philosophie, den Lehren des Tantrayana und tibetischer Medizin, eine Medizin, deren Ansätze dem Ayurveda sehr verwandt sind und die in Europa große Beachtung erfährt. Beispielsweise bieten Unternehmen wie PADMA seit 1969 Arznei- & Nahrungsergänzungsmittel nach uralten tibetischen Kräuterrezepturen, die nach westlichen Standards in österreichischen Apotheken erhältlich sind.
Tulku Lobsang verfügt über ein unendliches Wissen, das für jeden etwas dabei hat. Wer mehr darüber erfahren und die Bandbreite dieses Lehrers kennenlernen will, findet hier mehr dazu. Was die Menschen an Tulku Lobsang besonders lieben, ist seine herzliche, liebenswürdige, “charming” Art und wir können es nur jedem ans Herz legen, ihm zu begegnen.
Erlebe Tulku Lobsang in Österreich
Aktuelle Tourdaten und Infos findest du auf der Website von der weltweit tätigen Organisation von Tulku Lobsang
Lust auf mehr?
Hier ein Vortrag von Tulku Lobsang mit dem Titel “Gut leben. Gut sterben.”
Fotocredits: Nangten Menlang International
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