Das Leben, das die meisten Menschen leben, ist nicht ihr eigenes, selbst gewähltes Leben. Kaum jemand nimmt sich die Zeit und den Raum, um sich klar darüber zu werden, welche Art von Leben er hier leben könnte und leben will. Ein heranwachsender Jugendlicher wird maximal mit der Frage konfrontiert: „Was willst du einmal werden?“ Wer sagt schon: „Überlege dir gut, was für ein Leben du leben willst. Schau dich um, wie andere ihr Leben leben. Übernimm das nicht blind, sondern triff eigene Entscheidungen über dein Leben.“ Nach etwa 20 Jahren mit den Eltern oder einem Elternteil ist kaum ein junger Erwachsener in der Lage, ein eigenständiges Leben zu beginnen. Kopf und Denken sind voll mit Überzeugungen, die er tausendfach von seinen Eltern und anderen Erwachsenen gehört hat und die er für Lob und Aufmerksamkeit in sein Denken und Verhalten einarbeiten musste. Jedes Kind – ja, jeder Mensch – will psychisch überleben, also ein Mindestmaß an Anerkennung, Wertschätzung, Aufmerksamkeit, Liebe erhalten und tut dafür fast alles. Darum lernt noch heute fast jedes Kind von Anfang an, in „alten Schuhen“ zu laufen, mit denen schon die Großeltern durch ihr Leben gegangen sind.
Alte Schuhe
Die „alten Schuhe“ sind Muster und Gewohnheiten des Denkens, Fühlens und Verhaltens, mit denen irgendwer mal angefangen hat, oft vor langer Zeit. Von Generation zu Generation wurden sie weitergegeben, die alten Schuhe. Sie sind das, was heute die meisten Menschen als „normales Verhalten“ bezeichnen. Der „Normalmensch“ besitzt heute einen Schrank voller „alter Schuhe“, in die er immer wieder einsteigt – auch wenn Füße und Seele längst schmerzen. Hier eine Liste der gängigsten „alten Schuhe“, der Lieblingsmodelle sozusagen:
Keine Zeit haben
Wir bilden uns ein, keine oder zu wenig Zeit zu haben, und bemerken nicht, wie allein der Gedanke „Ich habe keine Zeit!“ Hetze und Druck erzeugt. Die Wahrheit ist: Wir haben alle Zeit der Welt. Aber was machen wir damit? Die meisten Menschen verbringen den größten Teil ihrer Zeit auf unbewusste Weise. Sie sind nicht bewusst bei dem, was sie tun. Warum? Weil sie nicht lieben, was sie tun. Wer mehr Zeit haben will, möge sie bewusst und mit Tätigkeiten verbringen, die er liebt.
Anstrengung und Schwere
Die meisten Menschen empfinden das Leben als eher anstrengend als leicht. Aber das Leben ist nichts anderes als der Spiegel unseres Denkens. Haben Sie den Mut sich vorzustellen, dass Sie ein spielerisch leichtes Leben voller Freude leben können? Der Weg dorthin ist eine innere Entscheidung. Um in die Leichtigkeit zu gelangen, dürfen wir jedoch zunächst unsere Schöpferverantwortung übernehmen für alle Schwere, die sich bisher in unserem Leben zeigte.
Opfer spielen
Viele Menschen fühlen sich als Opfer, als Opfer der Eltern, des (Ex-)Partners, der Firma … Den wenigsten ist klar, wie sie sich selbst täglich zum Opfer machen. Allein im Kopf findet das Opferspiel statt. Indem wir andere verurteilen, ihnen dies oder jenes vorwerfen, machen wir sie zum Täter und uns zum Opfer. Der Hintergrund unseres Opferspiels sind oft verdrängte Gefühle der Ohnmacht, Minderwertigkeit, Schuld oder Scham. Wer genug von dem Opferspiel hat, der bemerke es und steige dann bewusst aus!
Sich Sorgen machen
Eine besondere Domäne der Mütter ist das Sich-Sorgen-Machen. Im Unterschied zum Gut-Sorgen für jemanden ist das Sich-Sorgen-Machen eine eher schädliche Angewohnheit. Noch keine Sor-
ge hat dem genutzt, um den wir
uns Sorgen machen. Und es schadet demjenigen, der sich oft Sorgen macht. Fassen wir den Mut, uns und unser Denken immer mehr von Sorgen zu befreien!
Wegmachen, was stört
Seit wohl Tausenden von Jahren lehnen die Menschen das ab, was stört, ärgert, schmerzt und unangenehm ist. Wir bekämpfen es, wollen es wegmachen, vernichten. Es gibt nicht wenige, die am liebsten die ganze Welt, die sie als unschön, ungerecht, kalt oder gar böse empfinden, weghätten. Was finden wir in unserem Leben, das wir nicht akzeptieren, annehmen können, was wir weghaben möchten oder bekämpfen? Zu welchen Gefühlen, Menschen, Ereignissen im Leben sagen wir bis heute „Nein“, obwohl sie doch ein Teil unseres Lebens waren oder sind?
Sich selbst und andere verurteilen
Zu verurteilen ist Volkssport Nummer eins auf allen Erdteilen. Es ist das Trennen in richtig und falsch, gut und böse. So entsteht aller Unfriede in uns selbst, zwischen uns und anderen oder zwischen den Völkern der Welt. Es ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sich die meisten nicht vorstellen können oder wollen, dass es eine Alternative gibt. Jede Verurteilung verdeckt nur eine – meist unbewusste – Selbstverurteilung. Wir grenzen das aus, was wir bei uns ausgrenzen: das Egoistische, Gierige, Arrogante, Aggressive u.v.a. Der andere zeigt mir das, was ich ablehne, er präsentiert es mir, damit ich meinen Frieden machen und sagen kann: „Ich bin auch egoistisch, gierig, arrogant, aggressiv … und ich darf es sein.“ Denn in Wahrheit sind wir beides.
Kritisieren und sich auf das Negative konzentrieren
Viele sind süchtig nach Kritik und dem Finden von Negativem – an sich selbst wie am anderen. In der Schule lernen wir vor allem über Kritik. Aber wann wird Kindern und Jugendlichen beigebracht, wie sie sich selbst und andere loben, aufbauen, stärken, sicherer machen? Kritik ist nicht konstruktiv, egal wie sie vorgebracht wird. Kritik sagt wenig über den Kritisierten, aber viel über den Kritiker aus. Der kritik-süchtige Mensch hat ein Problem, nicht der Kritisierte. Der Kritiker fühlt Ärger, Disharmonie, Unruhe, Wut oder was auch immer in sich selbst. Wo finden, ja suchen Sie oft nach Kritikpunkten? Und warum?
What else?
Weitere beliebte „alte Schuhmodelle“ sind: perfekt sein zu wollen, sich für andere aufzuopfern, Gefühle zu verstecken und zu verdrängen, den Körper zu missbrauchen und krank zu machen, sich mit anderen zu vergleichen, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen oder an der Vergangenheit festzuhalten. Wenn wir aber verstehen, dass wir bisher unbewusst unsere Lebenswirklichkeit samt dem Zustand unseres Körpers erschufen, können wir unser Herz für uns öffnen und sagen: „Ich habe es bisher so gut gemacht, wie ich es konnte und wusste. Jetzt bin ich bereit, mir diesen Weg zu vergeben und die Urteile gegen mich und andere zurückzunehmen. Ich mache Frieden im Innen wie im Außen.“ Das ist der Start in das Leben eines bewussten, liebenden Schöpfers, zu dem uns das Leben jetzt aufruft.
Über den Autor:
Robert Theodor Betz, geb. 1953 im Rheinland, erlebte im Alter von 42 Jahren – eingeleitet durch eine Sinnkrise – die Lebens-wende und den Ausstieg aus seinen „alten Schuhen“. Es folgten die Ausbildung in Reinkarnationstherapie und ähnlichen Therapie-richtungen, das Studium von Botschaften der Geistigen Welt und die Entwicklung eines eigenen Therapieansatzes. Robert Betz hält an die 60 Seminare pro Jahr zu den Schwerpunktthemen „Lebenssinn und -erfüllung, Transformation begrenzender energetischer Zustände, Erfolg/Fülle, Liebe/Partnerschaft, Konflikte mit Mitmenschen” u.a. Heute lebt der Robert Betz als Psychologe und Autor vorwiegend in München und auf Lesbos, wo er sich nicht nur Urlaubs-seminaren, sondern auch der Olivenölproduktion hingibt.
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Buch + CD-Tipp
Robert Betz
Raus aus den alten Schuhen! – Dem Leben eine
neue Richtung geben
Integral, 2008
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Fotocredit: pixabay
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